Neues von HU Tobacco: Night Owl und Dark Moor
In Zeiten, in denen mal hier ein Tabakhersteller zu sperrt, mal dort ein Pfeifenhersteller und bedeutender Zulieferer die Produktion einstellt, von diversen Fachgeschäften ganz zu schweigen, und wir uns aufrichtig freuen, dass diese erschütternd lächerliche Posse um die skelettierten Reste von Dunhill-Tabak nun ihren Höhepunkt in ihrer Platzierung als Peterson-Tabake gefunden hat, in solchen Zeiten haben es Nischen Produzenten leicht, im tristen Gefilde des Mainstream-Marktes für Licht zu sorgen.
Natürlich sind diese Lichter klein und in Relation zum Gesamtmarkt gesehen nicht besonders hell, sodass sie nur von jenen gesehen werden, die danach schauen. Aber hat man sie mal gefunden, diese erleuchteten Nischen, dann merkt man schnell, wie außergewöhnlich schön solche Plätze sein können. Im eher dichten und herbstlich kalten Nebel bin ich gerne Wegweiser zu solchen kleinen Sonnen. Hans Wiedemann von HU Tobacco hat zwei neue Tabake herausgebracht, zwei ungewöhnliche Tabake bzw. zwei ungewöhnliche Interpretationen von stilistisch eigentlich gar nicht so Ungewöhnlichem. Und um es gleich vorweg zu nehmen: diese zwei Tabake gehören für mich zum Besten, was Hans in den letzten Jahren gemischt hat. Warum? Weil sich hier jemand sehr viele Gedanken um etwas stilistisch sehr individuelles, ausgefeiltes gemacht hat – jenseits davon Everybody’s Darling sein zu wollen und dabei trotzdem etwas geschaffen hat, was von vielen als das Besondere erkannt wird. Ich habe gehört, dass die Tabake, die gerade mal eine gute Woche auf dem Markt sind, bereits nachproduziert werden müssen. Das freut mich umso mehr!
Aber jetzt endlich zum Tabak: Der erste heißt „Night Owl“, es ist eine Ribbon Cut Mixture auf Basis sehr vollmundiger, kraftvoller und süßer Red Virginias mit schokoladigen Burleys und etwas Perique. Die Besonderheit besteht in einer kleinen Menge Kentucky, welche der Mixture einen einzigartigen Charakter verleiht.
Nun gibt es im Portfolio von HU Tobacco ja schon ein paar sehr respektable Burley-Virginia basierte Mischungen und trotzdem eröffnet der Night Owl eine ganz neue stilistische Facette! Da sind der „Nashville County“ und der Huber/Pfeifenblog „Kurt Eisner“, die eher mittelkräftige, geradlinige Vertreter dieser Richtung sind, und der Makhuwa aus der Afrika-Reihe, der exaltiert schokoladig und trockenfrüchte-süss die Malawi-Burleys und den Perique ins Zentrum rückt. Der Night Owl dagegen ist deutlich kraftvoller und gänzlich anders balanciert, denn die intensive malzige Süße der Virginias findet mit der Schokolade des Burley-Anteils und der Trockenfrüchte Herrlichkeit des Periques zwar ein perfektes würziges Gegengewicht, aber es ist der Kentucky, der dafür sorgt, dass der Night Owl eine verhangene Erdigkeit erhält, die den Tabak nicht zu lieblich erscheinen lässt. Geschmacklich tritt der Kentucky nie in den Vordergrund, aber er wirkt im Wechselspiel der anderen Solisten wahre Wunder und macht den Tabak ungemein interessant, weil sich der Night Owl so nie auf eine Seite schlägt und doch alle Seiten vortrefflich bedient! Vollmundig malzig süß, cremig schokoladig, pikant und erdig mit den nötigen Kanten. Was will man mehr?
Man sollte den Night Owl vielleicht nicht vor dem Frühstück auf leeren Magen rauchen, da kann er schnell hinsichtlich seiner nicht unbeträchtlichen Stärke allzu fordernd wirken, aber wie der Name Night Owl schon sagt, nach einem anständigen Abendessen ist er auch mit seiner Kraft eigentlich kein Problem. Und wenn man doch Angst hat, dann nimmt man einfach eine kleinere Pfeife! Der Night Owl ist jeden Versuch wert! Dieser Tabak ist nicht nur Nachteule, er ist auch Nachtigall zugleich!
Füllen, Stopfen, Entzünden und Rauchen lässt sich der Night Owl vollkommen problemlos, gleichmäßig und kühl. Ein Füllung ist Hochgenuss pur voller Charakter, voll kreativer Originalität und ich wünschte, es würde viel mehr solche ausgefeilten Tabake geben, über die es sich zu sprechen lohnt, als dass wir uns darüber unterhalten müssten, welcher schale Schatten des Dunhill 965 jetzt der längere ist!
Der zweite neue Tabak von HU Tobacco heißt Dark Moor. Hier handelt es sich um eine Ribbon Cut Mixture mit kleinen Ready Rubbed Flakes darunter. Im wesentlichen sind es hier verschiedene mittelbraune Virginias, die mit Kentucky und Perique balanciert sind. Wie der Night Owl auch ist der Dark Moor kein Bruder Leichtfuß, seine Stärke würde ich ähnlich dem Night Owl bei einer Skala von 1-6 auf 5 einschätzen.
Anders als beim Night Owl hält sich der Kentucky hier aber nicht so im Hintergrund, sondern gibt mit seiner leicht rauchigen Erdigkeit einen gewichtigen Solopart, der wiederum von einer schönen Portion Perique trockenfruchtig kontrastiert wird. Die Virginias liefern einen breiten und schön cremig süßen Teppich, ohne dass dieser Teppich je zu flauschig weich oder gar pappig wirken würde. Der Kentucky balanciert die Virginias mühelos aus und es entsteht, um beim Bild des Moores zu bleiben, eine Stimmung von dunkel schwerem feuchtem Waldboden, in dem die kühlen Nebelschwaden es gerade noch nicht vermochten, die Reste der verbliebenen Herbstsonnenwärme des vergangenen Tages zu vertreiben. Zwischendurch und nur in Ansätzen schafft es der Dark Moor, eine schöne sehr leichte und ätherische Ledrigkeit zu zeigen, wie sie bei Pfeifentabaken ziemlich selten ist. Zweifellos ist der Dark Moor bildlich genommen ein Herbsttabak, der den Weg in die häusliche Stube zu einem wärmenden Kaminfeuer und einem Glas Portwein weist.
Ich würde auch den Dark Moor eher für eine Pfeife nach dem Abendessen empfehlen, aber er ist kein Tabak, vor dem man hinsichtlich seiner Kraft Angst haben müsste. Er ist weit von Petersons Irish Flake oder MacBarens HH Bold Kentucky mit ihrer geschmacklich gewaltig kräftigen Kentucky-Donimanz entfernt. Von den S.Gawith Twists ganz zu schweigen. Ich habe den Dark Moor aus verschiedenen Pfeifen geraucht, aus neutralen Meerschaumpfeifen wie aus Pfeifen, aus denen ich sonst nur Virginias rauche, wie aus Latakia-Pfeifen und mir hat er am besten aus den Latakia-Pfeifen geschmeckt, denn das ätherische Latakia-Crossover im Hintergrund bekommt dem Dark Moor meines Erachtens sehr gut, weil es der erdigen Kentucky-Rauchigkeit eine zusätzlich andersartige rauchige Komponente gibt, ohne den Geschmack des Tabaks zu beeinträchtigen. Der Dark Moor ist im Geschmack ohnehin kräftig genug um sich nicht allzu sehr beeinträchtigen zu lassen.
Beide Tabake sind als Gruppentabake für die „Pipe Enthusiasts Germany“ entstanden. Das ist, soviel ich weiß, eine Facebookgruppe. Falls ich falsch liege (ich nutze Facebook nicht), möge man mich bitte berichtigen! Ich weiß nicht, wie groß der Anteil dieser Gruppe oder der Organisatoren aus dieser Gruppe am Stil und am Charakter dieser beiden Mischungen ist, aber man kann allen Beteiligten nur sagen, dass sie es gut gemacht haben. Sehr gut sogar! Und das gilt auch für die wunderschönen Etiketten, denen Chiaroscuro-Aquarelle von Alexander Broy zugrunde liegen, aber dazu kann er sicher selbst mehr sagen!?
Peter Hemmer
Über die Etiketten
von Alexander Broy
Es war eine sehr gute Entscheidung Peter das Tabakreview der beiden Tabake, schreiben zu lassen, ich hätte das niemals so gekonnt. Ich kenne die beiden schon etwas länger, denn Hans hatte mich mit Vorabproben versorgt. Ich hatte den Auftrag die Dosen-Etiketten zu designen und tat mich mit den gelieferten Logos und Fotos sehr schwer. Nicht nur, weil die – alle Grafiker kennen das Problem – nicht in druckfähiger Auflösung waren, sondern das Alles war für mich sehr schwer fassbar. Also bat ich Hans Wiedemann, mir Proben zu schicken, damit ich mir ein vernünftiges Bild von dem Produkt machen könne, für das ich eine Verpackung designen sollte. Das war jetzt keine so revolutionäre Idee, ich denke auch die Designer für Früchstücksflocken probieren erst die Zuckerbrösel, bevor sie den Tiger malen …
Spätestens nach der zweiten oder dritten Pfeife war mir klar, dass ich da mit Handyfotos, Photoshop und ein paar flockigen Comic-Sans-Fonts nicht arbeiten würde können. Also ab ins Atelier. Diese beiden Kräuter verlangten nach Handgemachtem. Ich empfand sie als so erdig, schwer und düster, dass mir sofort klar wurde, dass ich mit schwarzer Tusche auf dunklem Papier arbeiten wollte. Ich bin eigentlich kein Sumi-e Maler, aber ich habe natürlich Tusche für meine Holzschnitte im Atelier.
Es waren einige Eulen und Moore, die ich gemalt habe, jedes Bild nach wenigen Minuten fertig und zu Fidibussen fürs Kaminfeuer degradiert. So läuft das bei solchen Bildern, es muss schnell gehen, oder gar nicht. 🙂
Aber was soll ich lang reden, ich habe einen relativ neuen YouTube-Channel und auf dem habe ich ein Video zu diesem Projekt veröffentlicht. Dieses darf ich euch hier empfehlen und artig fragen, ob ihr mich nicht abonnieren mögt – jeden Freitag gibt es ein neues Video vom Landschaftsmaler eures Vertrauens 😉
Wenn dort auch kein geheimnisvolles dunkles Moor und auch nur vereinzelt Nachteulen anzutreffen sind, so konnte im gestrigen Freitagsclub der Münchner Runde ausgiebig von beiden Tabaken probiert werden. Dem aufschlußreich ausführlichem Review kann kaum etwas weiteres angemerkt werden. Außer: für mich gibt es trotz des hervorragenden Geschmacks beider besonderen Tabake ein leichter Vermouthstropfen: sie sind mir beide zu stark. Vermutlich hätte ich eine Pfeife mit kleinerem Kopf wählen sollen und damit werde ich noch einige Versuche starten. Denn köstliche Tabake sind das schon ………
Danke, Peter und Alexander! Das ist wiedermal ein ganz toll geschriebenes Review. Und ein wirklich schönes Video zur Etikettenkunst.
Die beiden Tabake muss ich nun wohl schleunigst probieren, obwohl bei Dark Fired Kentucky für mich ja schnell die Grenze erreicht ist, wo’s zu viel ist. Ich bin gespannt.
Die Prosa des Reviews erfasst wunderbar die fast schon epischen Qualitäten dieser Tabake. Das sind eindeutig die Tabake des Jahres, wenn man es ein bisserl kräftiger mag.
Herzlichen Dank für die Reviews! Ich hatte diese beiden Tabake eh schon auf meiner Liste. Den Beschreibungen nach sind sie genau meine Kragenweite. Jetzt müssen sie nur noch schnell zu mir finden.
Rauchige Grüße
Jürgen