Stanwell Shape 11 – Sixten Ivarsson Ikone

Irgendwann gerät auch der exzentrische, der exzessive, der dekadenlang getriebene Sammler von Pfeifen und Tabak an den Gedanken, wie endlich all unser Sein und Dasein doch ist und bei gelegentlichem „Gang“ durch Schränke und Schubladen mag ein wenig Weh(r)mut aufkommen. Für diesen Zustand haben die Briten in Literatur und Musik den schönen Begriff „bittersweet“, im Deutschen nicht minder schön & treffend als „bittersüß“ anzutreffen.

Kriswill Bernadotte 49 – seit 56 Jahren im Einsatz
Dunhill Tanshell F/T (3) (T)- Made in England7 – 1967

Meine ersten Exponate stammen aus dem Jahr 1967 und ich habe sie selbst gekauft. Oder genauer, die Erste war ein Geschenk und der Initialversuchung meines Großvaters zu verdanken, der – ein überzeugter und dogmatischer Sammler von Dunhill Pfeifen – nichts anderes als Rauchgerät gelten ließ. Die Zweite der Überzeugungskraft meines damaligen, dann langjährigen, niederrheinischen Pfeifenhändlers des ultimativen Vertrauens. Beide besitze ich immer noch und benutze sie regelmäßig. Eine Dunhill Tanshell und eine Kriswill Bernadotte 49. Das sind Hölzer, die nur mit Balkan Sobranie 759, Early Morning Pipe, Bankers und Down The Road gefüllt wurden.

Heute, den unsäglich traurigen Verhältnissen, geschaffen durch das Verschwinden dieser fast sakralen Legenden, folgend, ausschließlich mit Huber Balkan und Fayyum Kake. Noblesse oblige, das bin ich ihnen schuldig !

Ach ja, ich höre den Einwand „aber wenigstens den Early Morning Pipe gäbe es doch immer noch“.

Oh je, so hilft mir Hiob 26: Zu wem redest du? und wes Odem geht von dir aus? Das sei ferne von mir, daß ich euch recht gebe; bis daß mein Ende kommt. Denn dieser Tabak verhält sich wie ein Langschwanzflugsaurier aus der Kreidezeit zur heutigen Taube, obwohl diese eigentlich auch wie alle Vögel zu den Sauriern zu zählen ist, aber mit Sicherheit delikater schmeckt als die ledernen Urviecher. Was für die Early Morning Pipe leider nicht gilt, die gehört für den wahren, geschichtsbewußten Geniesser eigentlich der Katz.

Zurück zu den manischen, haptisch lebensnotwendigen Besuchen bei meinen Hölzern, deren Aufbewahrung sich mittlerweile über zwei Regionen erstreckt: der bayerischen und venezianischen. Beide Lokalitäten aber unterliegen dem harschen Diktat meiner militanten Nichtraucherfamilie, das einen Gebrauch meiner Pfeifen nur im Freien erlaubt. Umso intensiver und hingebungsvoller ist meine Kontaktsucht zu ihnen. Den Pfeifen, meine ich.

Also wieder einmal einer dieser Tage, an denen ich altes Bruyere in die Hand nehmen muß, daran riechen, über samtene Oberflächen oder wundervolles Ringgrain streiche und hängen bleibe. An einer Form, die heute kaum mehr viele Liebhaber hat und die der ursprüngliche Hersteller nicht mehr anbietet, er hat die Pfeifenfertigung seit langem aufgegeben: die Stanwell Shape 11.

Viele Pfeifenmacherlegenden haben irgendwann einmal für Stanwell gearbeitet, ihre Handschrift sind im Stanwell Kanon leicht auszumachen: Poul Ilstedt, Tom Eltang, Per Hansen (Bang), Jess Chonowitsch, Anne Julie, Poul Winslow und ….. Sixten Ivarsson.

Mit weit über 50 Shapes ist er maßgeblich am Erfolg von Stanwell beteiligt, darunter auch die Shape 11. Diese ikonische Form stammt (etwa) aus den frühen 1960er Jahren und war eine gewisse Zeit auch eine meiner Lieblingsformen. Ich begann sie in unterschiedlichen Ausprägungen zu sammeln, ein Teil ist nach wie vor ungeraucht, einen anderen rauche ich immer wieder.

 
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Vor einigen Jahren gab es einen regen Austausch zwischen der Münchner Runde und dem Wiener Pfeifen- und Cigarren Club, Freundschaften entstanden und gegenseitige Besuche fanden statt. Das Verhältnis war sehr herzlich und von großem, gegenseitigem Respekt geprägt. Aber alles hat seine Zeit, vieles hat sich in Wien geändert (die Habsburger gibt es nicht mehr!, die meisten Teilnehmer am Wiener Congress sind jetzt auf Ibiza) und irgendwann wurden die Besuche seltener. Die Erinnerung an eine schöne Zeit aber ist geblieben ….. und eine besondere Stanwell Shape 11. Die hat David Wagner aka baff¿- † gefertigt und im Auftrag der Wiener Freunde an einem Clubabend  in Wien überreicht: eine gestrahlte, filterlose „baff“ Shape 11 Featherweight. Der Stempel „Pum“ steht für Pfeife und mehr, das ehemalige Forum, aus dem vor genau 7 Jahren unser pfeifenblog.de entstanden ist.

Kleeblatt des besten Forums: gemeint sind Heinz Schwarzkopf (†26.08.2020), Dr. Rainer Klinger, Christian Zach (Wien) und ich, seinerzeit die Admins von Pum.

Die Shape 11 ist ein toller Gefährte bei Wind und Wetter, sehr robust durch Material und Gestaltung, unverwüstlich ist wohl der rechte Ausdruck. Für mich ist sie eine der idealen Pfeifen für gepresste Tabake wie Flakes, Curlies und Plugs.

Bodo Falkenried

exemplarischer Niederrheiner, seit über 55 Jahren in München daheim, genauso lang Pfeifen- und Tabaksammler, versessen auf Musik, Literatur und andere Künste. Unternehmer, Segler, Reisender [..unser Mann in Asien]. Intensiver Marktgeher, immer an Feuer & Herd, sofern in der Nähe.  

13 Antworten

  1. Dieter Overesch sagt:

    Ein toller Rückblick auf die Pfeifen-Tabak-Kultur, schöne und ausdruckstarke Exemplare, die einem Pfeifengeniesser das Herz erwärmen. Mir hat der Artikel sehr gefallen!! Chapeau aus Münster.

    • Danke Dieter, für Ihr Chapeau! Gerade heute morgen habe ich mit Alexander Broy einen ausgiebigen, langen Whatsapp Video Chat über die Münsteraner Wiedertäufer geführt, die aber noch keinen Tabak kannten. 🙂

  2. bemi sagt:

    die 11er ist eine der wenigen Pfeifen im Hemmschuhformat, die wirklich großartig sind. Danke für die Erinnerungen an alte Zeiten. Liebe Grüße an alle Gefährten.

  3. Günther Barzal sagt:

    Lieber “Pfeifenkollege”!
    Ich lebe in Österreich in Gmunden.David Wagner lebte und arbeitete in dem Dorf Reindlmühl, das ist ca. 10 km von meinem Wohnort entfernt.
    Wir haben uns kennengelernt und angefreundet.
    Ich war oft bei ihm in der Werkstatt rauchen und Rum trinken.
    Ich bin durch ihn in den Wiener Pfeifenklub eingeführt worden und habe an den Klubabenden regelmäßig teilgenommen. Ich nehme an, dass wir uns da auch begegnet sind.
    Als David dann nach Wien gezogen und später auf seine (letzte) Weltreise gegangen ist, habe ich den Kontakt mit ihm verloren. Nachträglich bedaure ich das sehr!
    Die paar Pfeifen (es sind nachträglich gesehen zu wenige) die mir von ihm machen hab lassen, sind die besten die ich besitze.
    Sie erinnern mich bei jedem Mal anzünden an einen hoch begabten,hochbegabten und liebenswerten Menschen.
    Ich wäre gerne noch länger mit ihm befreundet gewesen.
    Ich gratuliere Dir ( ich darf Du sagen?) zu Deiner eindrucksvollen Pfeifensammlung.
    Solltest Du einmal in unsere Gegend kommen,würde es mich freuen, wenn wir uns treffen können
    Liebe Grüße aus Gmunden/Österreich!
    Günther

    • Servus Günther, ich freue mich über Deine Nachricht und bin mir sicher, daß wir uns 2007/2008 oder 2009 in Wien bei Thomas Schober oder im „Närrischen Kastanienbaum“ begegnet sind, auch wenn ich gerade kein Bild von Dir „im Kopf“ habe. Aber im Laufe der Zeit ist ja doch einiges Wasser die Donau hinunter geflossen und das mag als Entschuldigung gelten. Das David nicht mehr unter uns weilt, hat viele auch hier in München getroffen und neben allen anderen Pfeifen, die ich von ihm besitze, ist die kleine „Pum“ Shape 11 Featherweight eine ganz liebe Erinnerung – aber natürlich auch an die zahlreichen früheren Freunde in „Pfeife & Tabak“ aus Österreich. Vielleicht liest der eine oder andere ja hier unser „Gespräch“ und gibt einfach mal ein Lebenszeichen.

      Herzliche Grüße
      Bodo

  4. Vielen Dank für diesen schönen Rückblick. Du hast eine beeindruckende 11er Sammlung.
    Erst war mir dieses Shape etwas zu klobig, aber dann erkannte ich Vorteile von „Viel Holz am Pfeifenkopf“ Gerade als Arbeitspfeife freue ich mich über die Gutmütigkeit meines Modells. Es ist eine Nr. aus der von mir sehr geliebten Poul Stanwell Edition.

  5. Volker Dannenberg sagt:

    Eine interessante und gut geschriebene Story, die mir wieder viel Vergnügen bereitet hat. Nun bin ich schon seit über 45 Jahren Pfeifenraucher und lerne in diesem Blog immer noch dazu. Und dann auch noch bei Provence Liebhabern. Wie schön. Ich kenne keine Pfeife – ich habe gleich drei davon und biete Höchstpreise für weitere Exemplare- die so gute Raucheigenschaften wie meine geschätzte Stanwell Jahrespfeife aus dem Jahre 2002 hat. Weiß jemand, wer diesen hübschen Klassiker entworfen hat? Viele Grüße, Volker

    • Nun müßte man zunächt wissen, welche 2002er Stanwell gemeint ist, die Billiard oder die Jahrespfeife 1942-2002 oder die Jahrespfeife X-Mas 2002? Eine Billiard wird derzeit auf ebay angeboten.
      Und eine 2002er ist auf jeden Fall noch in Dänemark hergestellt und nicht wie spätere z.B. von Barontini in Italien. Handelt es sich um die Billiard 2002b mit Sattelmundstück, dann ist es eine Tom Eltang Shape, der für fast alle Stanwell Jahrespfeifen von 1986 bis 2013 verantwortlich ist.

  6. Volker Dannenberg sagt:

    In der Tat ist es eine Billiard mit angeschrägtem Holm, sehr schönem Silberring und einem leicht gebogenen Sattelmundstück. Tom Eltang also. Besten Dank und viele Grüße, Volker

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