Isle of Thanet | Pipe Republic

In den zurückliegenden Monaten haben wir über einige Tabake des Düsseldorfer Tabakhauses Benden berichtet, die sich -bis auf den Bloemfontein– unter der Marke Pipe Republic im Markt etabliert haben. Tabak Benden verfügt über sehr gutes Marketing und Produktmanagement, sowohl was die Produktpräsentation betrifft, wie auch die tatsächliche Qualität der Tabake, die wir getestet haben. Es mag  Zufall sein, aber wir haben uns genau die Tabake ausgesucht, die sämtlich Namen (ausgenommen Bloemfontein) von Orten oder Gegenden aus dem Garten von England tragen, der Grafschaft Kent. So auch der Isle of Thanet, den ich Ihnen jetzt vorstellen möchte.

Zur Zeit gibt es vor allem von sogenannten Boutiquetabak-Anbietern ein Trend hin zu naturbelassenen Mischungen, die alle ein wenig die Vergangenheit bemühen, was das vermeintliche Rauchvergnügen und das -teils nur vermutete – damalige Geschmacksbild betrifft. Erinnere ich mich an den Beginn meiner Tabakleidenschaft, die begann exakt im letzten Drittel der 1970er Jahre, so wurde im wesentlichen zwischen Aromaten, Orient (das waren die heutigen Englischen Mischungen) oder Virginia unterschieden. 55 Jahre später ist es kaum geringfügig anders. Nur das die Tabaklegenden, die Menschen, die der Gnade der rechtzeitigen Geburt anheimgefallen sind, als Alltagsgenuß kennenlernten, heute zwar in vielen Köpfen als idealisierte Kompositionen herumschwirren, sie aber kaum jemand der jüngeren Pfeifenraucher geraucht hat. Oder wenn, dann als sogenannte Vintage Tabake, die in der Regel aber aufgrund der langen (vielleicht unsachgemäßen) Lagerung vielfach ihren speziellen Geschmack verloren haben. Was mich betrifft, so waren das u.a. Balkan Sobranie 759,  Down The Road, The Bankers, die Drucquer Tabake, zahlreiche Dunhills. Die klassischen Engländer eben.

Alle diese Dosen mit Legenden der Leidenschaft sind übrigens ungeöffnet

Was all diesen Alten fehlte, war die heute so beliebte Überfrachtung, selbst wenn sie als naturreine  „3-Komponenten Blends“ propagiert werden: da kommt noch ein wenig Burley hinzu, ein Quäntchen Black Cavendish, dort noch ein, zwei Havanna Blättchen, Dark Fired Kentucky und sie verlieren den Weg der „reinen Lehre“, oder treffender: des reinen Geschmacks. Damit meine ich nicht Tabake, die der Blender für ganz spezielle Nischen, für Forscher und andere Neugierige geschaffen hat. Sondern die, die sich der Rückbesinnung auf alte Tabakkulturen berufen und dennoch wenig Akzeptables hervorbringen. Auch ich suche als manischer Tabaksammler immer noch nach dem, was ich seit den Jugendjahren verloren zu haben glaube und bisher bin ich auch nur zweimal bei heute verfügbaren Mischungen fündig geworden, die meinen Vorstellungen von einem (nostalgischen) hochwertigen Orienttabak entsprechen.

Deshalb war meine Erwartung hoch, als ich von der Ankündigung des Isle of Thanet erfahren habe. Und gleich vorweg, damit es kürzer wird: ja, in der Tat, das Rezept ist rundum gelungen.

Ein quasi Retro-Engländer – ich schreibe lieber ein Orient- ohne Schnickschnack. Aus dem idealen Trio Orient, Latakia (eigentlich auch ein Orient) und Virginia. Und das war`s?

Na, was denn sonst… aber: entscheidend, damit daraus etwas Besonderes wird, ist neben der Top-Qualität der Sorten, der Tabakmeister und wie er das Mischungsverhältnis herauslaboriert. Das Zielergebnis war strikt vorgegeben und wenn jemand Orient Mischungen konzipieren kann, dann ist es Kohlhase & Kopp, die Pipe Republic diesmal beauftragt hat.

 

In diesem Falle lautet in der zuvor genannten Trio-Reihenfolge die Formel 2/5 zu 2/5 zu 1/5 – es tut mir (nicht)  leid, die %-Angabe ist mir zu lapidar.

Rauch und Gewürz bringt der cypriotische Latakia, aus dem heutigen Anbaugebiet mit dem hochwertigsten Latakia, der erst durch eine spezielle Behandlung zu dem Würztabak wird, wie wir ihn kennen. Der paritätische (türkische) Orient schafft die süß-pfeffrige florale Umhüllung und das bißchen Virginia ist der Booster für diese Melange. Und genauso erfahre ich nach der Befüllung einer Jess Chonowitch Canadian die erste Geschmacksprobe. Der Thanet ist für die meisten Raucher perfekt konditioniert, für mich könnte er etwas feuchter sein, so ist halt meine Vorliebe.

Der Brand gelingt von Beginn an vorzüglich. Es dauert ein wenig, bis der typische old time Orient bei mir ankommt, rufe ich doch bei Orient immer zunächst „meinen 759“ bzw. seinen legitimen Nachfolger 🙂 ab. Ist das übergangen, wirkt eine subtile, weiche Fülle, die – um ein treffendes Prädikat anzuwenden, das ich irgendwann einmal übernommen habe – keineswegs eindimensional  sondern mit ziemlicher Komplexität aufwartet. Sofern der Raucher erfahren genug ist, um den verschiedenen Geschmacksnuancen auf die Spur zu kommen. Genau meine Vorliebe.

Auch die folgenden Pfeifen bekommen mir vorzüglich, ich bin sehr angetan von diesem „alten“ Orient und kann allen Liebhabern von englischen Mischungen empfehlen, ihn zu probieren. Er überrennt den Raucher nicht sofort mit einer Geschmacksbombe, obwohl der Leder- und Stallgassengeruch sofort da ist, schon sobald die Dose geöffnet ist. Und genau das macht den Isle of Thanet zu einem klasse old fashioned Rauch.

 

Isle of Thanet
Pipe Republic
50g Runddose oder 100g Malerdose

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alle Fotos & Text : Bodo Falkenried Copyright © pfeifenblog.de
Optik: Leica M10, Summilux-M 1:1,4/50 mm ASPH

Bodo Falkenried

exemplarischer Niederrheiner, seit über 55 Jahren in München daheim, genauso lang Pfeifen- und Tabaksammler, versessen auf Musik, Literatur und andere Künste. Unternehmer, Segler, Reisender [..unser Mann in Asien]. Intensiver Marktgeher, immer an Feuer & Herd, sofern in der Nähe.  

14 Antworten

  1. Thomas sagt:

    Servus Bodo, solch Lobpreisungen aus deinem Munde für eine englische Mischung gilt schon fast als Ritterschlag, geht bei der nächsten Bestellung mit!

    • Danke Thomas, aber bitte denke daran, dass Tabakempfehlungen stets geprägt sind vom individuellen Geschmack des Rezensenten. Ich hoffe, Du kannst dann meine Einschätzungen zum Thanet durch eigene Erfahrung nachvollziehen. Gruß in die Hauptstadt 🙂

  2. Ulrich sagt:

    Guten Morgen Bodo,

    ein sehr schönes, ausführliches Tabakreview, wie wir es seit lange vergangenen PuM-Zeiten kennen. Der Tabak wird in meine „Cigarworld“ – Merkliste aufgenommen und bei der nächsten Bestellung berücksichtigt.

    Tabak-Benden fiel mir auf, als ich ein wenig ziellos im Netz nach englischen Pfeifen suchte. Es tauchte der Name „Barling“ auf – ein alter bekannter Name, leider sind die guten Stücke nur noch gebraucht erhältlich. Nicht ganz, irgendjemand hat die Namensrechte gekauft und produziert nun neue Pfeifen. Schnell entschlossen eine Marylebone Fossil bestellt, die unverzüglich bei mir ankam. Aussehen, Verarbeitungsqualität und Raucheigenschaften sind hervorragend.

    Viele Grüße und einen schönen Sonntag nach München !

    Uli

    • Servus Uli, herzlichen Dank. Ich freue mich für Dich, das Dir die neue Barling taugt. Der Thanet ist der richtige (traditionelle) Tabak dafür.

      PuM: fast bin ich ein wenig irritiert, denn ist es nicht so, dass immerhin alle von September 2016 bis heute 164 Reviews über Tabak hier im pfeifenblog.de stets in der gleichen Machart detailliert und informativ aufbereitet sind, wie das über den Thanet?

      Gerade fällt mir auf: wir könnten ja eine Riesenfeier im September veranstalten, auf Ibiza, Mallorca, Sylt oder Timmendorf, Usedom oder Hallig Hoge: 6 Jahre pfeifenblog.de 🙂
      Grüße aus München, Bodo

      • Ulrich sagt:

        Guten Morgen Bodo,

        bitte verstehe mich nicht falsch – der Hinweis auf PuM sollte keinesfalls Kritik an der Qualität der Reviews hier im pfeifenblog.de sein. Die Reviews sind gewohnt sehr gut – bin halt ein Nostalgiker…

        Herzlichen Gruß aus Boffzen

        Uli

  3. Häri sagt:

    Lieber Bodo,

    eine Frage zur Güte: Kann es sein, daß es sich hier um den Tabak handelt, den du mich vor einigen Wochen, als wir uns zuletzt im Club sahen, hast probieren lassen? Du hattest den Tabak in neutraler Umverpackung dabei, wolltest keinen Hersteller/Marke preisgeben und auch ansonsten war der Auftritt recht geheimnisumwittert….

    • Sehr geehrter Herr Häring,

      leider bin ich außerstande, Ihre impertinente Frage wahrheitsgemäß zu beantworten. 🙂
      Wo kein Wille, da kein Weg.

      • Häri sagt:

        Sehr geehrter Herr Falkenried,

        wenn es sich so verhält, finde ich Ihre an Thomas adressierte Relativierung nur fair.

        Was immer ich in der Pfeife hatte erinnerte mich in erschröcklicher Weise an den Muff, den ich gefühlt eine Ewigkeit aus einer gebrauchten Peterson „Dunmore“ zu vertreiben suchte….
        Ich dachte eigentlich, die Pfeife hätte etwa drei Jahrzehnte in einem feuchten Keller in einem dort abgestellten Schrank von Gelsenkirchener Barock zugebracht. Zusammen mit der Agatha Christie Werkausgabe (Scherz-Krimi;-). Mir war nicht bewußt, daß es dieses Aroma in Dosen abgefüllt als Räucherwerk gibt…..

        • Servus Martin, anscheinend ist der Ärger über meine Weigerung, Dich an gewissen Geheimnissen unserer Erwachsenenrunde teilnehmen zu lassen, der Auslöser für Deine tatsachenferne, harsche Kritik am Thanet. 🙂
          Mein Großvater sagte bei ähnlichen Begebenheiten immer

          „Wer den Burgherrn treffen will, darf nicht nach dem Knecht schlagen“.

          Verwunderlich finde ich, daß Du nach eigenen Worten immer noch mit muffigem Rauchgerät aus dritter oder gar vierter Hand herum hantieren mußt. Das ist ja fürchterlich. Du bist jetzt solange Mitglied in der Münchner Runde und weißt, dass es immer einen kleinen Fundus an vorzüglich aufbereitenden Pfeifen gibt, der Dir zur Verfügung steht. Gib Dir einen Ruck! Und allmählich wird es jetzt Zeit, dass Du die Beschaffung von Tankstellen-Tabaken reduzierst, damit sich Dein Geschmack an tatsächlichen Premiumtabaken entwickeln kann. Auch hier bietet Dir doch die MüRu eine so große Auswahl!

          PS: Schau mal in Dein Email-Konto.

  4. Aaronb61 sagt:

    Hallo Bodo,

    zunächst einmal Danke für das tolle Review des „Thanet“. Dem „Klang“ nach, ein Tabak der mir wohl ganz sicher, die nötige „Musik“ auf die Rezeptoren bringen wird. Ich als „Fan (ziemlich) naturbelassener Tabake“ kann es kaum erwarten diesen Tabak im „Pfeiferl“ zu haben.

    Beim Lesen dieses Review und den Kommentaren kamen mir ein paar Gedanken zum Thema „Tabak testen“. Ich habe im Lauf der Jahre die Erfahrung gemacht, dass man gerade bei „naturbelassenen Tabaken“ nicht allzu schnell den Daumen nach unten drehen sollte.

    Ich hatte schon neue Tabake, die mir beim ersten Mal so gar nicht zusagen wollten. Beim zweiten Mal auch nicht wirklich… aber dann nach der 5ten Füllung, im Lauf mehrerer Tage, fing der Tabak an irgendwie „Kontakt“ mit mir aufzunehmen. Vorher war da mehr oder weniger Funkstille.

    Es scheint mir so zu sein, dass man sich so manchen Tabak erst einmal „olfaktorisch“ erarbeiten muss. Und irgendwie drängt sich mir der Eindruck auf, ein gehaltvoller Tabak muss durchaus auch im „Hirn“ ankommen und verarbeitet werden.

    Die Pfeife (weiblich) und der Tabak (männlich)… alles klar. Das erste Date, sagt nicht unbedingt etwas aus über die Qualität dessen, was da noch kommen kann. :-). Da hat sich schon so mancher geirrt, gewundert, gefreut, aber leider auch verflucht und bereut. Das Leben halt…, mit aller Würze.

    LG Aaron

  5. Winfried KARL sagt:

    Eigentlich sollte man dieses Pfeifenblog umbenennen in Pfeifenbloq der ständigen Verführung.
    Je mehr ich lese umso stärker wird diese.
    Es ist also wieder passiert, entgegen der Absicht immer nur 2 Dosen offen zu haben, ist nun die nächste auf.
    Sie kam mit der letzten Bestellung die primär einem anderen Tabak eines neuen Beitrags hier galt.

    Zunächst mal hat die gelieferte 100g Dose einen vernünftig verschließbaren Metalldeckel und keinen aus Plastik, löblich.

    Animiert, diese Dose zu öffnen, hatten mich zwei Dinge in diesem umfänglichen Review: wie verhält es sich mit dem doch hohen Prozentsatz an Latakia und komme ich der beschriebenen „reinen Lehre“ auf die Spur, deren beschriebene Legenden ich nie geraucht habe?
    Leichte Versionen englischer Mischungen wie Early Morning Pipe, 7 Reserve, Boutique Blend hatten mich nicht zufrieden gestellt, entweder weil mir zu sehr Virginia überwog und Latakia zu sehr im Hintergrund war, die Glättung durch Cavendish etc. ohne prägnantes Geschmacksbild war oder die Mischung einfach platt und nichts sagend war.

    In Erinnerung einer klassischen englischen Mischung hatte ich die Dunhill Standard Mixture. (Die wird für mich aber hier, zumindest was aus der Erinnerung übrig ist, übertroffen.)

    Also Dose auf. da sticht im Duft kein Latakia vor, sondern eine rauchig harmonische Mischung die animiert.
    Und die raucht sich genau so. Abwechslungsreich, würzig , harmonisch ohne dass die Süße des Virginia alles erschlägt.

    Es hat nicht die Eleganz eines Westminster, aber eine Bodenhaftung die ein wunderbares Rauchvergnügen beschert.

    Wenn das der „reinen Lehre“ nahe kommt bin ich begeistert dabei!

    Heute, wieder durch aktuellen Beitrag hier animiert, in einer Stanwell geraucht, allerdings Relief 215, morgen wird es, british, eine Ben Wade sein.

    Da schon der Name des Tabaks „very british“ ist waren die Begleiter in der Abendsonne klar: a CUP of Tea und musilkalisch King Crimson + ELP.

    Danke, dass ich durch dieses oben stehende Review diesen Tabak kennen lernen durfte!
    W.K.

  6. Winfried KARL sagt:

    Tabak Benden und seine Hausmarke Pipe Republic wurden ja heute schon im neuen Review zum Gold Blog lobend erwähnt.

    Heute Abend bereitete mir der Isle of Thanet, als klassische englische Mischung wieder großes Vergnügen.
    (Der Begriff oriental allerdings bringt mich, seit ich den Pesse Canoe oriental kenne in Zwiespalt…., aber „klassisch english/oriental“ passt schon.)

    Im Vergleich zu mancher Chimäre, ob gelb oder andersfarbig (den Begriff habe ich mir von Bodo Falkenried geliehen…😉) ist das eine englische Mischung die in Aromanuancen, Harmonie, Abbrand all das erfüllt, was von alten englischen Mischungen wie z.B. alten Dunhill-Mischungen in Erinnerung ist.
    Neben dem (eleganteren) Westminster von G.L. Pease ist der Isle of Thanet inzwischen einer meiner „all day smokes“ in diesem Bereich, da er zudem, wie auch der Westminster, von der Stärke her eigentlich zu jeder Zeit verträglich ist.

    Also hier nochmal Bruch einer Lanze für diesen Tabak!

    Akustisch perfekt abgerundet wurde der Abend durch den großartigen Curtis Stigers, im Nachgang zu einem ebenso großartigen Konzert von ihm am letzten Sonntag.

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