Charatan | No.4 Oriental Mixture

Mit Artikel über Vintage Tabake ist es immer so eine Sache, man schreibt über etwas, hofft, dass sich jemand dafür interessiert, und wenn, dann bleibt beim Leser oft eine gewisse Enttäuschung zurück, weil es den Tabak vielleicht schon seit 30 Jahren nicht mehr gibt. Warum also darüber etwas schreiben oder lesen?

Ganz einfach, weil es manchmal Geschmacksbilder gibt, die interessant sind, die nicht alltäglich sind und die sich vielleicht nur dann zeigen, wenn der Tabak einige Jahre Lagerung hinter sich hat! Und um genau sowas geht’s in diesem Artikel.

Normalerweise schreibe ich über einen Tabak, wenn ich (mindestens) eine Dose davon geraucht habe. Dies ist hier nicht der Fall. Ich habe nur eine einzige Füllung geraucht, den Umständen geschuldet, der Tabak gehörte mir nicht. Er wurde mir von Alex zum Probieren angeboten und ich fand den Geschmack so spannend, dass ich gleich ein paar Fotos für einen Artikel und mir Notizen gemacht habe. Der Tabak, es ist ein alter englischer Charatan Tabak, kam ursprünglich von Bodo und der dokumentiert genau, von wo und von wann seine Tabake stammen. Dieser hier kam 1975 in Bodos Besitz.

Charatan No.4 Oriental Mixture

Beim Charatan No.4 Oriental Mixture scheint es sich um einen ziemlich seltenen Tabak zu handeln, es ist schwierig, Informationen im Netz zu finden und das, was man findet, scheint mir auch eher spekulativ zu sein? Da ich keine weiteren gesicherten Informationen zum Hersteller des Tabaks habe, lasse ich das Thema hier am besten auf sich beruhen. Es ist auch nicht wirklich relevant für mich.

Wie weiter oben schon einmal angemerkt, geht es mir um den Geschmack der Charatan No.4 Oriental Mixture. Bei diesem Tabak handelt es sich um eine ganz klassische und eigentlich ursprünglich vermutlich vollkommen unspektakuläre englische Orientmischung: wir haben einen anständigen Teil Orientals, dazu Virginias und Latakia, von letzterem auch gar nicht so sehr wenig. Dass diese Charatan No.4 Oriental Mixture ein vermutlich wenig spektakulärer Tabak war, führe ich ausschließlich darauf zurück, dass der Tabak nahezu unbekannt ist. Er war vielleicht auch zu kurz auf dem Markt, um sich als Größe etablieren zu können? Es gibt jedenfalls kein übliches „Mensch, erinnert ihr euch noch an den Charatan no.4 – jammerschade, dass es den nicht mehr gibt – den habe ich früher gerne geraucht – ja, so etwas wie den Charatan No.4 gibt es heutzutage gar nicht mehr“. Es gibt noch nicht einmal einen Sammlermarkt und um ehrlich zu sein, wer weiß, ob von diesem Tabak überhaupt noch weitere Dosen im Umlauf sind bzw. existieren?

Charatan No.4 Oriental Mixture

Aber es gibt diesen Geschmack, der im wesentlichen der etwa 50-jährigen Lagerung geschuldet sein dürfte! Wie nicht anders zu erwarten war, präsentierte sich die Charatan No.4 Oriental Mixture nach dem Öffnen des Vakuums in perfektem Zustand: leicht auf der trockenen Seite und absolut intakt! Der Duft des Tabaks in der geöffneten Dose war leicht rauchig, deutlich aber dezent, ansonsten aber wenig spektakulär. Kein Vergleich etwa zur legendären Gentlemen’s Mixture von Sullivan & Powell mit ihren unwiderstehlich blumig-ätherischen Orientnoten! Das, was hier beim Charatan No.4 bemerkenswert ist, das ist wirklich nur sein Geschmack.

Entzündet man die Charatan No.4 Oriental Mixture, was wie das Stopfen völlig problemlos vor sich geht, dann hat man eine vollmundige, durchaus auch leicht ätherische Malznote in Mund und Nase, aber nicht, wie wir sie von manchen Virginia-Flakes her kennen, sondern wie wir sie bei guten und kräftigen Assam Second Flush Tees finden! Und diese Grundlage ist nun um eine rauchige Note erweitert, die den Grundcharakter des Geschmackes ergänzt, aber nicht nachhaltig verändert: um beim Bild des Tees zu bleiben, es wirkt, als wäre unserem kräftigen Assam Second Flush ein wenig Lapsang Souchong beigemischt! Nur soviel, dass sich der Charakter nicht verändert aber trotzdem eine latente Rauchigkeit darüberlegt.

Charatan No.4 Oriental Mixture

Ich würde denken, dass dieser Tabak neu und frisch vollkommen konventionell dahergekommen sein dürfte, aber die lange Lagerung zu dieser höchst raffinierten Geschmacksentwicklung maßgeblich beigetragen hat, indem sich die ursprünglichen Primäraromen zu einem filigraneren und vereinheitlichten Geschmacksbild zusammengeschlossen haben. In diesem Stil war der Tabak für mich etwas durchaus neues und auch etwas, was geschmacklich so attraktiv ist, dass man mal versuchen könnte, eine neue Mischung in diese Richtung zu bauen… Vorausgesetzt man hat die passenden Basistabake.

4 Antworten

  1. Tobias Schneider sagt:

    Ein schöner Beitrag! Am Anfang meiner Pfeifenzeit schaute ich primär Videos aus dem amerikanischem Raum und das Agen war in aller Munde. Ich habe es damals zunächst als überzogen angesehen oder eher als Mittel um „künstliche“ Seltenheit zu erreichen. Wenige Jahre und einige Direktvergleiche später… die Unterschiede sind immer wieder beeindruckend.

  2. Thomas sagt:

    Hallo Peter, wie immer ein sehr schöner und vorallem inspirierender Beitrag, vielleicht sollte ich nicht immer alles gleich zam rauchen, sondern die eine oder andere Dose ein paar Jährchen zur Seite stellen!

  3. Peter Hemmer sagt:

    Danke für eure netten Kommentare! Ich finde ja so alte Tabake immer recht spannend, weil sie meistens sehr komplexe Geschmacksgebilde entwickeln durch das lange Reifen. Nicht immer sind sie interessanter oder besser als frische Versionen, aber sie sind immer eigenartig im positiven Sinn und „anders“. Das gefällt mir.
    Und ja klar Dosen zur Seite legen! Allerdings ist ein Vakuum oder ein luftdichter Verschluss zwingend! Dann ist es ein bisschen wie bei großen Weinen: man freut sich, wenn man einen nach 20 Jahren oder mehr auf dem Höhepunkt „erwischt“ und man freut sich noch mehr, wenn man noch ein paar Flaschen davon hat. Getrübt wird die Freude, wenn man keinen mehr hat und ihn nachkaufen möchte, dann sieht man erstens, dass das manchmal gar nicht so einfach ist und zweitens, dass das ganz schön kostspielig wird. Beim Tabak ist es ähnlich…

  4. Stefan sagt:

    Hallo Peter, über den Beitrag habe ich mich richtig gefreut. Ich habe nämlich vor einiger Zeit eine Dose Charatan No 4 aus den 60ern geöffnet, ein dunkler Straight Virginia, und der war göttlich. Natürlich bin ich nicht alt genug, um die Tabake frisch aus der Dose geraucht zu haben, aber altern tun die hervorragend!

    Insofern schreib bitte weitere Beiträge über Vintage-Tabake, ich lese gerne (und vielleicht auch künftig nicht mehr so still).

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