Robert McConnell Heritage | Piccadilly Circus
Piccadilly Circus heißt also die neue „London Mixture“ in der Robert McConnell Heritage Reihe! Und so wird dieser Artikel nicht nur eine Beschreibung des neuen Tabaks beinhalten, man muss sich eigentlich auch ein paar Gedanken zum Werdegang der London Mixture machen, um dem Thema gerecht zu werden. London > City of London > Piccadilly Circus > ? Wir dürfen gespannt sein, wohin die Namensgebung eines großen Tabaks uns in Zukunft noch lokal hinschrumpft, sollte es nochmals einen Produktionswechsel geben, von denen die gute alte London Mixture schon einige hinter sich hat. Andererseits ist es nur allzu logisch, einen Namen zu wählen, den man sofort mit London assoziiert. Also „Piccadilly Circus“ nachdem der „City of London“ zu nah am Original angelehnt war und umgehend umbenannt wurde.
Der Referenztabak für Kohlhase & Kopps McConnell Heritage Piccadilly Circus war die STG Version von Dunhills „London Mixture“. Die London Mixture, ein Allzeit-Klassiker seit etwa 110 Jahren, war ein Tabak, der uns in vier verschiedenen Versionen vorliegt: dem „Original“ von Dunhill, produziert in England bis 1981, eine sehr seltene deutsche Lizenzproduktion von Van Eicken, über die man hier einen sehr schönen und klugen Artikel lesen kann, die uns in unserem Zusammenhang aber nicht weiter interessiert, die Version, die von Murray’s in Nordirland produziert wurde und schließlich die letzte Version, die von STG produziert wurde und im Jahr 2018 vom Markt verschwand.
Als „delightfully harmonious blend of Matured Virginia and Oriental Tobaccos. Soft and mellow, cool and fragrant“ wurde die London Mixture in Dunhills „About Smoke“ von 1923 angepriesen. In der Tat war die London Mixture im damaligen Tabak-Portfolio Dunhills eher rund, mild und ausgewogen im Vergleich zum „My Mixture 965“ oder dem „Durbar“, der ein größerer Bruder der London Mixture war, etwas akzentuierter mit einem höheren Latakia-Anteil. Das perfekte Wechselspiel zwischen den Virginias, den Orientals und dem Latakia zeichnete alle Versionen der London Mixture aus, obwohl sich diese Versionen stilistisch durchaus voneinander unterschieden haben. Allen war gemeinsam, dass die London Mixture immer ein perfekter Alldays Tabak war, sehr rund und trotzdem nicht langweilig. Unter den weniger extrovertierten Mixtures von Dunhill war sie immer mein Lieblingstabak und eine der Dunhill Mixtures, von denen ich, abgesehen von der deutschen Lizenzproduktion, alle Versionen geraucht habe. Und ich habe sie alle mit Genuss geraucht, auch die STG Version!
Was nun interessiert, ist die Frage, wie der Robert McConnell Heritage Piccadilly Circus im Vergleich zum Vorbild abschneidet? Antwort: Gut, aber mit einigen Unterschieden, die wir gleich sehen können, wenn wir das Tabakbild des Piccadilly Circus mit dem der STG London Mixture vergleichen! Die London Mixture wartet hier mit einem gleichmäßigeren dunkelbraunen Bild mit nur wenigen helleren Highlights auf, während der Piccadilly Circus zwar im Endeffekt auch eher dunkelbraun daherkommt, aber nicht nur etwas heller als die London Mixture wirkt sondern auch viel kontrastreicher mit schwarzen und hellbraunen Höhen und deutlich sichtbarem grünlichem Oriental. Geschmacklich zeigen sich beide Tabake anfangs trotz der optischen Unterschiede erstaunlich ähnlich: Es sind die Virginias, die hier eine sehr solide Grundlage bilden und mit ihrer malzigen Süsse gepaart mit genügend Kraft den sofort wahrnehmbaren Latakia ausbalancieren. Die ätherischen Orientals verweben diese beiden geschmacklichen Pole sanft zu einem dezent farbigen Vorhang, bei dem das Grün und das Gelb, wie wir es von einer Herbstwiese her kennen, im Vordergrund stehen. Nichts drängt sich in den Vordergrund: weder die Rauchigkeit des Latakias, noch die geschmackliche Breite der Virginias noch die feine süssliche Heuigkeit der Orientals. Alles wirkt rund und harmonisch in sich geschlossen. Zumindest vom Entzünden der Füllung bis etwa zum Ende des ersten Drittels.
Dann entwickeln sich die beiden Tabake etwas unterschiedlich, allerdings in Nuancen um das gleich vorweg deutlich zu machen! Und zwar so, wie es der optische Eindruck der beiden Tabakbilder bereits vermuten ließ. Der Piccadilly Circus schlägt sich jetzt auf die blumigere, leichtere Seite. Die Orientals wirken frischer, unsere Herbstwiese hat noch nicht ganz soviel Sonne und Trockenheit abbekommen, weshalb die grünen Gräser noch die Oberhand behalten und im Duft die Kräutrigkeit noch wesentlich präsenter ist. Auch die Virginias scheinen mit ihrer Süsse letztlich etwas schmalbrüstiger auszufallen als Anfangs gedacht. Der Geschackseindruck ist sehr harmonisch, die Rauchigkeit des Latakias wirkt grüner eingefangen.
Im kleinen Gegensatz zum Piccadilly Circus entwickelt sich die STG London Mixture etwas anders: sie wirkt geringfügig stärker und kräftiger, legt zum Ende hin etwas mehr zu als der Piccadilly Circus, allerdings nicht unbedingt was ihre Stärke angeht, der Eindruck ist eher dem etwas anderen Stil geschuldet, denn wo sich der Piccadilly Circus geschmacklich frischer und grüner entwickelt, da herrscht bei der London Mixture der Spätherbst mit seiner veränderten Aromatik! Dunkler, trockener, mit dem Duft von nassem Laub und Erde. Die Süsse des Tabaks wirkt schwerer und breiter, seine Rauchigkeit, wenngleich auch hier perfekt eingebunden, lastet harmonisch über der Frische. Blickt der Herbst des Piccadilly Circus noch auf den Spätsommer, so weist uns die London Mixture den Blick auf den Frühnebel, den ersten Schnee und das Wärmende eines Kaminfeuers. Aber wie schon weiter oben gesagt: es handelt sich hier um Nuancen, um die sich die beiden Tabake während der letzten beiden Drittel einer Füllung unterschiedlich entwickeln! In der Quintessenz ist der Piccadilly Circus als Nachempfindung der STG London Mixture ausgezeichnet gelungen und die beiden Tabake zeigen doch sehr ähnliche Charakterzüge, zumindest so ähnlich, dass man den Robert McConnell Piccadilly Circus problemlos als Nachfolger der STG Dunhill London Mixture rauchen kann!
Interessant wird es allerdings, wenn wir den Robert McConnell Heritage Piccadilly Circus und die STG Version der London Mixture in ihren unterschiedlichen Nuancen mit den beiden vorhergehenden Versionen der Dunhill London Mixture vergleichen, also der Murray’s Version nach 1981 und der originalen Dunhill Version von vor 1981! Nicht dass jetzt falsche Hoffnungen geweckt werden: keine der beiden Vorgängerversionen wird in irgendeiner Weise von der STG London Mixture oder dem Piccadilly Circus im Sinne einer möglichst nahen Kopie erreicht. Etwas, was allerdings auch die Murray’s Version im Vergleich zum Dunhill’schen Original überhaupt nicht geschafft hat! Das darf man ja nicht vergessen bei all den Fragen um die Authenzität der jeweiligen Neuauflagen und Produktionsverlagerungen. Viel sinnvoller scheint es mir, die Tabake für sich zu begreifen und Überschneidungen und Unterschiede deutlich zu machen.
Und bei diesen oben genannten etwas unterschiedlich verlaufenden letzten beiden Dritteln der STG Dunhill Mixture und des Piccadilly Circus nähern sich diese beiden Tabake dann doch auf ihre Art den Vorläuferversionen an: die STG London Mixture lässt mit ihrem dunkleren, kräftigeren und erdigeren Finish die Murray’s Version zumindest als ein Schatten nochmal durchblitzen – es war ja auch diese Version, welche durch die STG London Mixture ersetzt wurde. Aber wie gesagt „als Schatten“, denn von der erdigen Kraft der Murray’s Version ist die STG London Mixture sehr weit weg. Beim Piccadilly Circus dagegen ist es die leichtfüßigere Eleganz, die einen – wenn auch sehr sehr weiten – Blick auf das Dunhill Original wirft. Um einem Vergleich mit der Original Dunhill Mixture aber überhaupt standhalten zu können, ist der Piccadilly Circus viel zu schmalbrüstig. So ein Vergleich verbietet sich! Zusätzlich kommt erschwerend hinzu, dass wir dann sehr alte Tabake mit sehr jungen vergleichen müssten. Nur bleibt uns keine andere Wahl, als genau das zu tun, wenn wir wissen wollen, worin sich ein bestimmter Stil eines Tabaks zeigt.
Es war Anfang 2007 als ein amerikanischer Bekannter von mir geschäftlich in München war und ich ihn bat, mir ein paar Dosen des gerade neu erschienenen Westminster von Greg Pease mitzubringen. Der war explizit von Pease als eine Nachempfindung der originalen Dunhill London Mixture kreiert worden. Zu meiner großen Freude und Überraschung brachte jener Bekannte damals nicht nur den georderten Westminster mit, sondern auch eine Dose der originalen Dunhill London Mixture. Einem direkten Vergleich stand nichts mehr im Wege und ich öffnete auch noch eine Dose Murray’s Dunhill London Mixture, die auch schon vom Markt verschwunden war, damit wir alle Versionen am selben Nachmittag gegeneinander rauchen konnten. Die STG Version der London Mixture gab es damals noch nicht.
Wir begannen mit der Dunhill Version, die ein mittelkräftiger, geschmacklich voller Tabak von unfassbarer Eleganz war: natürlich waren die rauchigen Primäraromen des Latakias altersbedingt fast vollkommen in das komplexe Geschmacksbild eingebunden, was eine frische Latakia-Mischung bei einem nennenswerten Latakia Anteil so gar nicht leisten kann, aber das Fantastische an diesem Tabak war, wie sich die Orientals in den Vordergrund gespielt haben und mit ihrer blumigen Art die durchaus vollen Virginias mühelos in Schach gehalten haben. Der Latakia lieferte nur einen dezent rauchigen und doch ätherischen Schleier.
Und just diese Raffinesse des Tabaks, dieses Wechselspiel von Orientals und Virginia, die geschmacklich sehr akzentuiert auftreten ohne in irgendeiner Weise schwer oder stark zu wirken, die hat Pease mit seinem Westminster perfekt erwischt, allerdings mit einem Latakiaanteil, der sich notgedrungen frisch viel prägnanter präsentiert als in einem sehr gereiften alten Tabak! Wir waren uns sicher, dass der Westminster sich da bewegt, wo die Original Dunhill Mixture frisch gewesen ist. Im Gegensatz dazu war die Murray’s Version mit ihrer erdigen Kraft so reizvoll wie ein gealterter Catcher. Damit keine Missverständnisse aufkommen: ich rauche auch die Murray’s Version gerne, nur liegen deren Qualitäten in einer kraftvollen Direktheit. Im Vergleich wirkt sie schwerfällig, fast plump und sehr weit weg von der Raffinesse des Originals.
Also: wenn jemand den Versuch wagen will und sich auf die Spuren der Original Dunhill London Mixture begeben möchte, so sei ihm der Westminster von Greg Pease wärmstens ans Herz gelegt! Will man aber die Mühen einer Tabakbestellung in den USA meiden und nur zum nächsten Tabakladen gehen und einen Tabak, der in diese Richtung geht, kaufen, dann hat man mit dem Robert McConnell Heritage Piccadilly Circus einen ebenso soliden wie brauchbaren Vertreter zur Verfügung!
Diese Besprechnung kommt mir ja wie gerufen un sehr zu pass! Gerade schrieb ich noch in einem Kommentar zum McConnell Heritage Dschungelführer, wie gerne ich die London Mixture in der Murray Version geraucht habe und ich diese alte Bekanntschaft mit dem Piccadilly wieder etwas auffrischen könnte. Ich kann aus meiner Erinnerung kann ich das Geschriebene nur bestätigen. Die Murray Version war mein bevorzugter Herbsttabak. Die STG Version hatte ich selbst nie geraucht, da ich mich bis vor kurzem von Latakia und Orientblends abgwand hatte. Eine frischerer süßere Verion der London Mixture könnte da genau der richtige Wiedereinstieg bilden.
Rauchige Grüße, Jürgen
[Wiedereinstieg] …. und war sie das, Jürgen?
Um ehrlich zu sein bin ich bis jetz doch noch nicht dazu gekommen die Dose zu öffnen. Mir kam da ein kleines Experiment mit dem Nightcap dazwischen. Da ging es um das Thema Latakia und Vanillearomaten. Und da ich gerne hochwertige Tabake rauche. hab ich die Nachtkappe mit dem S.V.H. von DTM halb halb gemischt. Das ergab ein sehr angenehmen Nachmittagstabak.Jetzt muss ich das aber gleich nachholen. Ich werde berichten. Danke für die Erinnerung, Bodo.
Rauchige Grüße
Jürgen
Ich habe heute diesen wundervoll ausführlichen Bericht nochmals in eben solcher Ausführlichkeit gelesen, (früher nur überflogen).
Verbeugung vor der Fähigkeit der geschmacklichen Differenzierung und Beschreibung des Autors.
Und herzlichen Dank an Peter Hemmer!
Den Westminster hatte ich ja schon als äußerst elegante englische (oriental) Mischung kennen gelernt und als einen meiner derzeitigen Lieblinge ständig in der Pfeife.
Aber der Zusammenhang zur Urform der London Mixture war mir überhaupt nicht klar, bis heute.
Was sich für mich nun erübrigt ist klar.
Kleiner Wermutstropfen: als aus den häuslichen Innenräumen verbannter Pfeifenraucher bleibt mir bei dem heutigen stürmisch-nassen Wetter nur das Schnüffeln an der Westminster Dose 😉
Um Verwirrung beim genauen Lesen vorzubeugen:
Fälschlicherweise wurde Wermutstropfen nicht in Anführungszeichen gesetzt.
Was es damit auf sich hatte?
Statt Rauchen (was Wehmut auslöste) fand ein Küchenversuch statt welcher Vermouth zum Saucen kochen mir der liebste ist.
Dämliche Wortspielerei halt.😉
Hallo Winfried,
also erstens: Danke für das Kompliment! Freut mich sehr zu lesen. Zweite Frage, die mich natürlich als passionierter Genusstrinker interessiert: wieviel Vermouths hast du denn offen? Bei mir sind es meistens drei, manchmal vier und welche ich manchmal zum Kochen verwende, hängt in erster Linie von der Sauce ab bzw. vom Verwendungszweck. Abgesehen vom trockenem Nouilly Prat für alles mit Fisch, dem Klassiker schlechthin. Bei den süssen Vermouths muss man immer überlegen, ob die Bitternote passend ist und nicht ein süsser Sherry oder Portwein nicht die passendere Alternative ist? Aber bei Wild, das ja eh einen leicht süssen Geschmack hat in Verbindung mit Wacholder und Lorbeer geht auch ein Turiner Vermouth ganz gut. Ich bin gespannt…
Grüße
Peter
Hallo Peter,
ich muss zugeben der Küchenversuch war etwas unfair, da er nicht unvoreingenommen war. Im Grunde wollte ich meinen Alltime-Favoriten diesbezüglich bestätigt haben. Und in diesem Fall ging es um Sahnesaucen.
Offen hatte ich einen weißen Martini, den Carpano Antica Formula und den Noilly Prat und letzterer bleibt mein Favorit (kommt aber eigentlich nur beim Kochen zum Einsatz).
Denn der passt nicht nur zu Fisch.
Geschmortes Hühnchen (ohne Haut versteht sich) oder geschmortes Kaninchen in Estragon-Sahne-Sauce werden damit einfach wunderbar. Die beiden anderen passen wegen der Aromen oder der Süße einfach weniger.
Ich stimme dir da völlig zu, dass, wenn es in die süßere Richtung geht, Sherry, Port oder auch mal Madeira/Marsala die bessere Option sind.
Bei Wild führe ich Lorbeer, Wacholder etc. lieber als Gewürz zu und benutze gehalttvollen Rotwein mit einem Schuß Port am Ende.
Beim Genußtrinken kommt Vermouth bei mir seltener zum Einsatz. Da ich in einer Weingegend wohne ist häufig der Schwerpunkt auf Wein zum Essen und dann sind da manchmal auch 2-3 verschiedene Weine offen. Dann wird es mir mit anderen, alkoholreicheren Getränken oft einfach zuviel.
Apropos Genußtrinken: ich machte gerade ein Tasting mit Champagner zu Fleisch und das funktionierte grossartig mit Beefsteaktartar, von beiden Seiten ganz kurz angebraten um etwas Röstaromen zu erhalten.
Angeregt übrigens durch einen wunderbaren Champagnerversand und eine Champagner-Boutique-und Tagesbar am Alten Messplatz 6 in München.
Grüße
Winfried