HU Tobacco | Dark Sea

Es ist jetzt ein paar Monate her, kurz nach der Speyer Pfeifenmesse 2022, dass ich eine WhatsApp-Nachricht von meinem lieben Pfeifenfreund Rainer bekommen habe, worin er mir nicht nur schrieb, wie sehr ihm der Khartoum gefallen hat, sondern mich auch noch auf einen anderen Tabak von HU Tobacco/Hans Wiedemann hinwies.

„Der könnte dir auch gefallen! Laß‘ dich nicht von der Aromatisierung schrecken, die ist nur sehr sehr dezent und ansonsten ein toller voller Tabak!“ Er meinte dann noch, dass der Tabak vielleicht ein Review wert sei, und ich war froh, dass ich von Hans bereits eine Dose zum Probieren bekommen hatte. Da ich wußte, dass der Tabak regulär erst dieses Frühjahr auf den Markt kommen sollte, ließ ich die Dose erst einmal geschlossen – bis vor vier Wochen…

Der Tabak, um den es geht, ist der neue „Dark Sea“ und wie unschwer am Etikett, für das hier wieder Alex Broy die Gestaltung übernommen hat, zu erkennen ist, gesellt er sich zum „Dark Moor“ und zum „Night Owl“. Ob diese drei Tabake in Zukunft zu einer Serie ausgebaut werden sollen, weiß ich nicht, aber bei den vorliegenden drei Tabaken ist schon zu erkennen, dass es sich stilistisch um eine Familie handelt.

Dark Sea

Der „Dark Sea“ wird von Hans Wiedemann als „Seemannsblend“ charakterisiert, der auf Virginias, Kentucky, Burley und Perique basiert und mit einem Hauch Latakia, Rum- und Anisaroma abgerundet ist. Das verwundert erst einmal, weil die beiden anderen Tabake, also „Dark Moor“ und „Night Owl“ doch beide ziemlich geerdet wirken. Das Rumaroma ist hier Vater der Idee. Da steht der „Dark Sea“ u.a. neben Samuel Gawith’s Navy Flake und Cornell & Diehl’s Black Frigate und wie bei diesen genannten auch ist das Rumaroma recht dezent. Anders gesagt: unser Vater der Idee ist ziemlich klein geraten – zu unserem Glück!

Das liegt daran, dass das Aroma als solches sich zwar in der frisch geöffneten Dose bemerkbar macht, geschmacklich aber wirklich nur sehr dezent ausfällt. Dabei ist das Aroma per se wenig interessant. Es wirkt, als käme es aus einer Zeit, in der Rum hierzulande mit „Der gute Pott“ gleichgesetzt war. Gefällig süßlich, aber von großer Klasse weit entfernt. Damit allein läßt sich kein Staat machen. Wegen dieser Aromatisierung bräuchte man meiner Meinung nach den „Dark Sea“ eigentlich nicht, aber wegen allem anderen schon!

„Alles andere“ sind in erster Linie die Basistabake und wie die Mischung aus diesen komponiert ist. Und diese Mischung ist eigentlich nicht als Aromat komponiert, sondern als ein komplexer, erdiger und weitgehend naturbelassener Blend, dem Hans mit etwas Aroma einen anderen Touch geben wollte. Zumindest wirkt das so auf mich.

Dark Sea

Wie komplex der „Dark Sea“ ist, sehen wir sofort wenn wir uns das Tabakbild anschauen: Weitgehend mittel- bis dunkelbraunes Blattgut dominiert neben helleren Ready-Rubbed Fetzen und vereinzelten schwarzen Sprengseln. Der Tabak riecht schwer malzig, sehr erdig, cremig mit hoher natürlicher Süsse und einer ganz leichten Rauchigkeit, die aber mehr einen Kentucky-Charakter trägt als dass sie „englisch“ im Sinn von Latakia-Rauchikeit wirken würde. Dazu gesellt sich die bereits erwähnte Rum-Aromatisierung, allerdings nur so, dass sie gerade noch erkennbar ist.

Stopfen und Entzünden gestalten sich problemlos, auch brennt der „Dark Sea“ vorbildlich gleichmäßig und langsam ab. Was will man mehr? Klingt erstmal nach „Für Anfänger geeignet“, aber Vorsicht! Neben der großartigen Geschmacksfülle, die uns der Tabak offeriert, merkt man schnell die Stärke, die damit einhergeht. Eine in jeder Hinsicht harmonische Stärke, die einen Raucher, der die beiden anderen Tabake der Familie gerne raucht, bestimmt nicht überfordert, die aber für einen Anfänger vielleicht überforderdernd wirkt? Ich würde schon denken, dass die Zielgruppe hier eher der erfahrene Pfeifenraucher ist.

Geschmacklich bekommen wir es mit einem großflächigen Teppich zu tun, vielleicht wie ein wandfüllender flämischer Gobelin des 16. Jahrhunderts mit seinen vielfältigen Brauntönen und dunklen roten, blauen und grünen Schattierungen. Virginias, Burley und Kentucky sind perfekt aufeinander abgestimmt und bestimmen, was hier passiert. Sie liefern Süsse, Cremigkeit, ein bisschen Nuß und Bitterschokolade und einen ganzen Haufen Erdigkeit, ohne dass der Tabak eines davon auf Kosten eines anderen zuviel hätte. Perique und Latakia runden hier „nur“ noch ab.

Dark Sea

Jetzt erst kommen wir zum zweiten Aroma, das im „Dark Sea“ verbaut ist: Anis! Am Anfang in der Dose und direkt nach dem Entzünden für mich weder olfaktorisch noch geschmacklich zu erkennen, kommt es plötzlich im Geschmack durch. Gerade so an der Schwelle zur Erkennbarkeit tänzelt dieses frisch-würzige Aroma nebenher und macht aus dem „Dark Sea“ wirklich etwas sehr besonderes. Dieses so unglaublich dezent eingesetzte Anisaroma rockt den Blend nach dem ersten Viertel bis zum Ende der Füllung! Für mich ein absoluter Geniestreich sowas so dezent in einer so vollmundigen und breiten Komposition einzusetzen! Bleiben wir bildlich beim Gobelin, dann erkennen wir erst beim näheren Hinschauen, dass in den Rüstungen und Gewändern der abgebildeten Personen ganz feine Goldfäden eingewebt sind…

Ein ziemlich beeindruckende Lösung ist das und ich möchte den „Dark Sea“ gerne jedem ans Herz legen, denn der Tabak ist wirklich weit vom Mainstream entfernt und eine Entdeckung wert! Und natürlich jedem, der normalerweise nur nicht-aromatiserte Tabake raucht, denn der „Dark Sea“ wirkt nie wie ein Aromat!

Danke an Hans für die Dose und an Rainer für den Hinweis auf den Tabak und dass er mir das Review geradezu nahegelegt hat!

Gemacht wurde der Tabak von Kohlhase & Kopp, wie immer erstklassig, und soweit ich weiß (ich hoffe ich täusche mich nicht), war deren Tabakmeister Thomas Nitsche an der Idee mit dem Anisaroma nicht ganz unschuldig… Chapeau!

8 Antworten

  1. Langlieger sagt:

    moin😀
    kannst Du noch ein paar Worte über die „Wölkchen“ berichten? Und ob nichtrauchende Menschen zu Schaden kommen? Ich darf im Haus rauchen weil es so phantastisch riecht😀.
    Lg Walter

    • Peter Hemmer sagt:

      Hallo Walter!
      Also mal abgesehen, dass Passivrauchen natürlich nie gesund ist, meintest du wahrscheinlich die Raumnote? Der Dark Sea ist ein sehr voller Tabak mit einer sehr sehr dezenten Aromatisierung. Er ist bestimmt nicht vergleichbar mit einer leichten Vanillearoma-Mischung, das heißt die Raumnote ist schwer und eher rauchig, aber nicht rauchig-geräuchert wie bei englischen Mischungen. Wegen einer besonderen Raumnote würde ich ihn definitiv nicht empfehlen. Aber letztlich ist natürlich die Frage, wie der nichtrauchende Part das einschätzt: bei mir zu Hause sind englische Mischungen erlaubt. Da heißt es höchstens mal bei einem Aromaten „was rauchst du denn da komisches, der ist aber aromatisiert, oder? Nicht so gern gerochen sind reine Virginias. Und in diese Richtung würde ich den Dark Sea einordnen – nur noch etwas heftiger wegen der Kraft und des Kentuckys!
      Ich hoffe, dass das geholfen hat?
      Herzliche Grüße

  2. Vielen Dank, Peter für dieses tolle Review. Besser könnte ich es niemals sagen. Ich habe den Tabak schon vor Monaten – quasi fabrikneu – geraucht, unwissend, dass er für die Öffentlichkeit noch lange nicht zu kaufen sein würde. Er hat mir so ausnehmend gut geschmeckt, dass ich entsetzt war, dass ich ihn nicht nachkaufen konnte. Leichtsinnigerweise hatte ich noch dazu eine Dose verschenkt. Ich bin erleichtert zu hören, dass ich jetzt nachkaufen kann. Die ganze Serie – ich glaube ab drei Stück kann man schon von einer Serie sprechen – finde ich großartig. Ich bin gespannt ob es in der Zukunft noch weitere „dunkle“ Dosen von HU geben wird.
    Ich finde diese Art der Aromatisierung genau richtig. Es gibt den Tabaken noch einen kleinen Twist, das gewisse Extra, niemals stehen diese „Gewürze“ aber im Vordergrund. Sie sind quasi der Ingwer in Fonsis Schweinsbraten 😉

    • Peter Hemmer sagt:

      Ja, geht mir genauso! Der Dark Sea ordnet sich da perfekt ein – qualitativ wie stilistisch, vor allem, weil die Tabakbasis diesen besonderen Stil perfekt aufnimmt! Und während dieses ultradezente Anisaroma wundervoll ist, habe ich es noch nie über mich gebracht, an einen bayerischen Schweinsbraten Ingwer zu geben…

    • Bodo Falkenried (auf den Wassern) sagt:

      Wie kann man auf den Gedanken kommen, Ingwer an einen Münchner Schweinsbraten zu geben? Da sag ich nur: Nürnberg! Verkehrte Welt. Wo solch illustre Lebensläufe einmünden können, sehen wir gerade am Platzl.
      Mit einem ganz schwachen Anisaroma im Tabak könnte ich mich womöglich zurechtfinden …..

      • Peter Hemmer sagt:

        Also dir hat der Dark Sea doch gut gefallen, als ich ihn dir zum Probieren aufgedrängt habe!? Wie gesagt, das Anisaroma tänzelt immer nur an der Schwelle der Wahrnehmbarkeit herum.

  3. Don Perique sagt:

    Auch wenn sich mir die linke Seite des Bildes nicht ganz erschließt („Stein der Weisen“?, „Ei des Kolumbus“?) finde ich das Design gelungen!

    Kompliment, Herr Broy!

    • Oje, konnte man ihn nicht erkennen?
      Dabei hätte der Schweinsbraten/Ingwer Vergleich es ja andeuten können.
      Es sollte ein Semmelknödel sein, der dort am nächtlichen Himmel hängt.
      Ei des Kolumbus hätte natürlich auch gepasst, da sollte ich das nächste Mal etwas deutlicher malen.
      Ja, Kunst liegt immer im Auge des Betrachters (Das könnte es zum Beispiel auch sein)

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