Cornell & Diehl | Bow-Legged Bear
Man könnte den Eindruck haben, da wird gepresst, was nicht bis drei auf’m Baum ist. Was bei uns eher die Ausnahme ist, nämlich Mixtures zu Krumble Kakes zu pressen, das ist bei Cornell & Diehl weit verbreitete Normalität. Und diese Normalität schenkt uns Tabake, die über wunderbare Abbrandeigenschaften verfügen und uns damit ziemlich eindrucksvolle Geschmackserlebnisse bescheren. Man könnte auch sagen: „Das ist der Triumph der Langsamkeit“! Der Bow-Legged Bear ist ein Paradebeispiel dafür!
Beim Pfeiferauchen ist Langsamkeit ein Zauberwort, denn je langsamer ein Tabak abglimmt, desto mehr Geschmacksnuancen kann dieser Tabak entfalten. Das ist der Grund, warum man von Herstellerseite erst den Aufwand des Pressens und des Portionierens und dann auf Raucherseite den des Aufbereitens betreibt. Nun ist es aber keineswegs so, dass jeder Tabak bzw. jede Mixture gewinnt, wenn man sie nur presst! Einen Tankstellentabak im Beutel wird man nicht zum Rollce Royce pimpen können, auch wenn man sich das nach all dem Aufwand noch so sehr einbilden mag. Taugt das Blattgut nicht, wird’s auch nach dem Pressen nicht taugen… Denn die Geschmacksnuancen müssen im Tabak angelegt sein, das Pressen bringt keine neuen, es hilft nur, dass sie sich beim Rauchen besser entfalten können!
Im Prinzip gibt es zwei Arten von herausragenden Krumble Kakes: klassische Mischungen mit einem hohen Anteil sogenannter Würztabake und reine Virginia bzw. Virginia/Perique Mischungen mit komplexen Anteilen hochwertigster Virginias. Zu den ersteren zählt der Bow-Legged Bear.
Unser krummbeiniger Bär, der sich Pfeife rauchend als Tabakbauer verdingt, steht für eine klassische englische Mischung, der man bei Cornell & Diehl ganz unklassisch amerikanisch Burleys und Perique hinzugefügt hat. Die Mischung ist komplex und vielschichtig, obwohl der Latakia-Anteil geschmacklich wie auch im Geruch aus der Dose dominant ist. Von den Würztabaken spielt der Perique eine deutlich untergeordnete Rolle, auch wenn er auszumachen ist und für eine wundervolle geschmackliche Abrundung sorgt mit seinen dunkel-fruchtigen Aromen. Der Tabak ist durchaus „Full“ im Geschmack, wie es auch auf der Dose steht, trotzdem ist der Bow-Legged Bear kein überwältigend starker Tabak, was letztlich dem hohen Latakia-Anteil zu verdanken ist.
Öffnet man die Dose, hat man sofort die ätherische Rauchigkeit einer englischen Mischung in der Nase, aber man merkt auch gleich, dass da eine seriöse, aber nicht zu breite Substanz an Virginias vorhanden ist. Das Schokoladige/Nussige des Burleys lässt sich für mich nicht ausmachen, es ist gut verpackt. Geschmacklich wird das dann etwas anders, denn Burley und Perique verbünden sich, um den Bow-Legged Bear schön abzurunden.
Hat man erst den ganzen Cornell & Diehl-typischen Papierkram irgendwie beiseite geschafft, prangen einem zwei gepresste Quader dunkelbraunen Tabaks entgegen, den man sich vielleicht aufgrund des Geruchs sogar noch etwas schwärzer erwartet hätte. Die Konsistenz der Quader ist dicht und fest, fest genug, dass der Tabak nicht sofort auseinanderbröselt, wenn man ein Stück herausnimmt und auch fest genug, um den Bow-Legged Bear mit dem Messer in relativ dünne Scheibchen zu schneiden. Man kann den Tabak zwar auch direkt vom Quader bröseln und in die Pfeife füllen, aber mit der „Scheibchenmethode“ bleiben nach dem grobem Aufrubbeln der abgeschnitten Scheibchen kleine lockere „Cubes“ übrig, die meiner Erfahrung nach einen noch langsameren Abbrand gewährleisten. Bei sehr locker gepressten Krumble Kakes funktioniert das nicht und man kann sich den Schritt des Schneiden getrost sparen, hier in diesem Fall beim Bow-Legged Bear funktioniert es mustergültig!
Das Stopfen ist dann vollkommen problemlos, ganz oben drauf kommt eh der feinere Rest, und auch das Anzünden geht ohne Komplikationen, denn der Bow-Legged Bear kommt mit perfekter Feuchtigkeit aus der Dose. Er ist, wie bei vielen Cornell & Diehl Tabaken üblich, eher auf der trockenen Seite!
Was bis jetzt alles eher spektakulär klingt, das relativiert sich etwas beim ersten Eindruck im Geschmack: Die Virginias legen einen dichten Teppich an malziger Süsse mit Aromen von süsser leicht holziger Creme und frischem Schwarzbrot aus. Dazu kommen Röstnoten und die satte Rauchigkeit des Latakias. Lediglich die Orientals sorgen dafür, dass wir keinen allzu dicken schweren Eindruck haben, sie verleihen dem Bow-Legged Bear genau das Maß an Leichtigkeit, das es braucht, um nicht uninteressant zu wirken.
Das besonders Interessante an diesem Tabak aber ist die Abrundung durch den Burley und den Perique! Und das nicht zuletzt deshalb, weil sich diese Abrundung geschmacklich entwickelt: Kommt der Bow-Legged Bear am Anfang nach dem Entzünden eher geradlinig daher, so entfalten sich diese leicht nussig-schokoladigen und trockenfruchtigen Aromen des Burleys und des Periques mit der Rauchdauer und durch den extrem langsamen Abbrands des Krumble Kakes!
Einhergehend mit dieser geschmacklichen Entwicklung des Bow-Legged Bears entwickelt sich auch die Fülle des Tabaks. Er startet „medium“ und entwickelt sich immer mehr in Richtung „full“, aber das tut er nicht, indem nur alles stärker wird, sondern indem die Aromenfülle zunimmt und der Perique immer deutlicher wird! Und das alles im Zeitlupentempo! Eine durchschnittlich große Füllung etwa Dunhill Group 4 braucht locker zwei bis zweieinhalb Stunden bis sie aufgeraucht ist. Und das ohne jede Aufmerksamkeit oder Nachzünden!
Für mich wäre der Bow-Legged Bear ein perfekter Alldays Smoke, wäre er nicht auch interessant genug für nach dem Abendessen! Nur: Zeit muß man für den Tabak mitbringen – aber was gibt es schöneres, als Zeit zu haben… Wenn man Gelegenheit hat, an den Tabak zu kommen: Probieren lohnt sich sehr!
Hallo Peter, sehr interessantes und neugierig machendes Review, ich freu mich schon auf Freitag!
Gruß Thomas
Danke! Freut mich sehr! Ich bringe den Bow Legged Bear wie versprochen zum Probieren mit!
Klingt ganz vorzüglich, es bleibt aber das Problem, dass seit dem 1. 7. die Einfuhr von Cornell & Diehl usw. erheblich komplizierter und kostspieliger geworden ist.
Mich interessiert der Tabak, nicht das Problem! Ich verstehe mein Schreiben über Tabak nicht primär als „Einkaufshilfe“, weshalb ich auch hin und wieder über Tabak geschrieben habe oder schreibe, den es überhaupt nicht mehr zu kaufen gibt!
Ich verstehe aber auch, dass es für den einen oder anderen frustrierend sein mag, etwas haben zu wollen, weil es gut klingt, und dann zu sehen, dass es gar nicht so einfach ist… Nur: wo ein Wille ist, wird auch ein Weg sein! Solche Tabake aus USA oder UK, die schwer zu bekommen sind, rauche ich normalerweise auch nicht jeden Tag von früh bis spät, sondern hin und wieder mal als was besonderes!
Und noch was apropos „kostspielig“:
Rechnen sie doch mal aus, was sie eine einzige Füllung (3g) „kostspieligerer“ Tabak kostet! Wir sprechen hier von eineinhalb Stunden Genuss! Sie werden sehen, dass sich in Relation selbst ihr Feierabendbier aus dem Supermarkt finanziell belastender auf ihr Budget auswirkt!
Beste Grüße
Peter Hemmer
Vielen Dank für den schönen Artikel Peter. Ja, die „Amerikaner“ sind schon oft leckere Tabake. Zum Glück habe ich noch eine verschlossene Dose. Durch Deine Anregung werde ich ihn mit in den Sommerurlaub nehmen. Da habe ich genug Zeit ihn zu genießen.
Was für ein Glück, ich hatte eine Dose dieses Tabaks in meinem Bestand. Nach dem Review wurde die Dose sofort geöffnet und es stellte sich heraus, daß der Verfasser nicht übertrieben hatte. Bei dieser Aromafülle wäre ich gar nicht in der Lage gewesen, die geschmacklichen Komponenten aufzudröseln, so vielfältig und komplex ist der Geschmack.. Mit Hilfe dieses gelungenen Reviews, das anschaulich und ohne überflüssiges Geschwafel verfasst wurde, gelang es mir, die einzelnen Komponenten herauszuschmecken, was mir den Genuß dieses Tabaks noch erhöhte.
Servus beinander, ich hatte ja letzten Freitag das Glück, eine Füllung des „O-haxerten Bären“ im Club rauchen zu dürfen. Toller Tabak! Und wie Peter in seinem (wieder einmal sehr guten) Review und weiter oben in den Kommentaren schreibt: Solche „Preziosen“ sind ja, da bei uns in Deutschland nur schwer zu bekommen, nicht wirklich ein „all-day-smoke“, sondern etwas für die besonderen Stunden…