Tabak backen | … das Altern überlistet ?
Der Amerikaner Fred Hanna hat augenscheinlich als erster das Thema Tabak Backen beschrieben. Darunter ist nichts anderes zu verstehen, als die bei vielen Tabaksorten bei jahrelanger Lagerung zu erzielende Veränderung von Konsistenz, Geschmack und Duft durch einen künstlichen Prozeß zu erzeugen.
Tabak wird – noch vakuumiert oder auch geöffnet – in den Dosen oder in wiederverschließbaren Behältnissen (z.B. Schnappdeckelgläser) für die Dauer von mindestens 5 Stunden einer Backofenhitze von mindestens 85 – höchstens 90 Grad C ausgesetzt. Danach muß er abkühlen, in der Regel verschließen sich Dosen ohne Vakuum auch wieder. Bei allen Tabakarten, die ich gebacken habe, hat sich eine deutliche Verbesserung ergeben, teilweise sogar sensationell (Escudo, Marlin Flake, Epikur (alternativ Full Virginia Flake), Orlik Golden Sliced). Allerdings habe ich nur Flakes und Plugs dieser Prozedur ausgesetzt und keinerlei Erfahrung mit losen Mischungen.
Mittlerweile gehört der Backvorgang bei den o.a. Sorten für mich zum Standard. Unverzichtbares Werkzeug: ein professionelles Backofenthermometer, da auch hochwertige Öfen in der Regel ungenau heizen.
Gebackener Tabak dunkelt erheblich nach, so wie auch ein 20jähriger Oldie sich farblich verändert hat. In der Regel verliert er alle geschmacklichen Spitzen und Unebenheiten, das Aroma wird voller, weicher und vielfach kräftiger. Natürliche Virginias z.B. profitieren im besonderen davon. Ein gebackener Escudo hat (fast) nichts mehr mit dem gemeinen Escudo zu tun, obwohl das bereits einer der besten Curlies ist. Tobacco Oldies wie ich, die noch lange Zeit den Cope`s Escudo rauchen konnten, werden ihn wiederauferstanden wähnen. Rattray`s Marlin Flake macht eine ähnliche Verwandlung durch, während der aus gleichem Hause (K & K) stammende Hal o` the Wynd hier aber kläglich versagt. Der Orlik Golden Sliced, früher ein Cumarin-Tiger, ist nun völlig cumarinfrei und ein ebensolcher Back-König. Er verändert sich gleichsam sensationell wie der Escudo.
Hervorragende Ergebnisse habe ich erzielt bei den Lakeland Plugs von Samuel Gawith, wobei ich mich da auf den Kendal Plug und den Full Virgina Plug beschränke. Während der „roh“ sehr naturrein schmeckende Kendal Plug eine Hinwendung zum FVA macht, dabei aber das geliebte leicht strohige Aroma behält, wird dieser zur Geschmacksgranate. Allerdings muß man das mögen. Nicht gewöhnen konnte ich mich an den RB Plug und den Cannon Plug sowie den Holker oder Oxenfisl-Twist, jeweils in der gebackenen Form. Die sind für mich „roh“ schon teilweise grenzwertig.
Die abgebildeten Behältnisse aus Glas werden benötigt für Plugs, Twists und Curlies, die nicht in Dosen geliefert werden. Pouches sind selbstverständlich untauglich und dürften dem Ofen kaum zuträglich sein. Es gibt Empfehlungen, die Gummiringe mit Öl zu bepinseln, damit ein leichteres öffnen möglich sei. Ich unterlasse das, da das Problem bei mir noch nicht aufgetreten ist und jedes Speiseöl beim Erwärmen Geschmack abgibt, selbst sogenanntes neutrales Öl wie Soja-, Erdnuss- oder Pflanzenöl. Am besten bleiben runde 50g oder 100 g Dosen verschlossen, während rechteckige ab und zu aufgehen, auch nicht tragisch. Schließlich will man ja nicht nur lagern, sondern auch ab und zu rauchen.
Vorstellbar ist, daß gebackener Tabak auch bessere Lagereigenschaften hat, allerdings sehe ich einen aussagekräftigen Zeitraum bei mir erst in den nächsten 5 Jahren gegeben. Mir reicht das heute erzielbare Ergebnis. Denn ich will gerade jetzt das tolle Geschmackserlebnis eines „ge-ageten“ Tabaks haben, aber eben nicht so lange warten. Deshalb sind mögliche Veränderungen beim lagern ohne Interesse für mich.
Eines bitte ich zu bedenken: Geschmack und Empfindung sind stets subjektiv und nur selten auf andere übertragbar. Während ich gerne gebratene mehlierte Grüne Heringe esse (unbedingt begleitet von König Pilsener), bedeuted das für meine Kinder eine Ausgeburt der Hölle. Insofern toleriere ich auch gegenteilige Meinungen zum Thema Backen, übernehme sie aber erfahrungsbedingt nicht.
Backliste (Empfehlungen)
Escudo-Navy Rolls
Marlin Flake – ACHTUNG! bei der 100g Dose den Plastik Deckel herunternehmen
Epikur – resp. Full Virgina Flake
Dunhill Flake
Robert McConnell Heritage Flake
Orlik Golden Sliced
Ich könnte mir vorstellen dass es auch super funktioniert den Tabak lose im Sous vide Beutel einzuschweißen und grad genau im Wasserbad zu backen. So mache ich das auch schonmal mit anderen Kräutern 🙂
Zum Beispiel mit einem Anova Sous vide. Werde das mal mit dem marlin flake testen!
Ich backe meinen Tabak immer mit von meinem Privatpiloten Michel du Remis aus dem Königreich Papalunga eingeflogenen Kasuareier, die ich im Gegensatz zu jenen aus Grönland zum Frühstück bevorzuge, da sie bei der selben Temperatur hart werden wie sie Clan und Amsterdamer zum Backen benötigen. Äh, necessieren.
Hallo
Toller Beitrag
Lassen sich auch mit Mixtures gute Ergebnisse erzielen?
Servus Holger, danke für Ihre Frage. Als ich den Artikel geschrieben habe (auch schon wieder 4 Jahre her!), erwähnte ich, daß sich meine Erfahrungen explizit nur auf gepresste Tabak bezogen. Zwischenzeitlich habe ich einige wenige Mischungen (Huber Balkan, MOB 800ø, einige HU-Tobacco Blends, McClelland Virginias) gebacken, für meinen Geschmack verlieren diese losen Formate ihren ursprünglichen Geschmack völlig, anders als bei den Flakes und Curlies, bei denen die Grundrichtung immer erkennbar bleibt. Kurze Antwort: ich rate davon ab.