Lagonda – fernab von E-Mobilität & Zeitenwende

Lagonda 3 1/2 litre t, 1933 – Foto copyright Marc Vorgers

Nun weiß man, daß Lagonda Automobile schon seit „Geburt“ Legende waren, bevor die Marke in Aston Martin aufging und da endgültig miss-managed und ruiniert wurde. Lagonda stand neben seinem Rennsportimage für Lifestyle, Mondänität in den 1930/1940er Jahren, als Flieger und Rennfahrer der Jet Set schlechthin waren. In weißen Overalls, mit Shawls, Ledermütze, geteilter Rennbrille und glänzenden Schnürstiefeln. Pfeife und Tabak gehörten vielfach dazu. Ob GL Pease gerade dieses längst vergangene Image andachte, als er seinen Lagonda in die Welt brachte, vermag ich nur zu vermuten. Tatsache allerdings – und das sei vorweg genommen – es ist ein Start-Ziel Sieg geworden.

 

Einen Sextanten braucht man natürlich nicht für eine Fahrt mit dem Lagonda, es muß lediglich die 2 Unzen (57g) Ring Pull Dose geöffnet werden …. und man ist in Old London. Der Lagonda ist Teil der Old London Reihe von GL Pease, zu der u.a. so illustre Tabake wie Sextant, Gaslight, Meridian, Chelsea Morning und Quiet Nights gehören. Sämtlich sind es kompositorische und damit geschmackliche high lights in der Tabakwelt. Warum der ausgezeichnete Westminster nicht in die Old London Reihe aufgenommen wurde und zur ominösen „Heirloom Collection“ gehört, erschliesst sich mir nicht. Vielleicht, um ein wenig Verwirrung zu stiften ….. oder wegen den hinlänglich bekannten geographischen Schwächen der meisten US Freunde, von denen Westminster vielleicht in Venezuela oder in der Schweiz verortet wird. Ja, das war jetzt richtig böse …. und wird dem Lagonda keinewegs gerecht.


Dieser ist eine bemerkenswerte Komposition aus *zypriotischem (türkischem) Latakia, reifen roten Virginias und feinem Oriental Blatt.


Broken Flake oder Ribbon Cut oder besser Broken Ribbon?

Die einzelnen Komponenten werden zu Cakes gepresst und dann zur Reifung gebracht, Aromen lösen und verteilen sich während des Fermentierungsprozesses. Die Cakes, anschliessend in Scheiben geschnitten und in einer Trommel aufgelöst, erhalten somit einen „Schnitt“ als Broken Flake, oder, wie im Falle des Lagonda, eher einen uneinheitlichen Ribbon Cut, wodurch ein stark strukturiertes, grobes Tabakbild entsteht. Und das ist einer der Gründe, warum sich der Lagonda trotz nahezu identischer Komponenten von anderen in der Old London Reihe unterscheidet. Gleicher Herstellungsprozess, andere Komponenten-Aufteilung und eine eigenständige Formatierung, die Auswirkung auf den Geschmack hat.

Und so unterscheidet sich die Verteilung der Komponenten beim Lagonda von anderen Old Londonern: der Latakia nimmt wesentlich mehr Raum ein, aber der gleichsam hohe Anteil an würzigem Oriental trägt dazu bei, daß keine reine Latakiabombe entsteht, sondern eine wundervoll abgerundete Mischung, ergänzt, aber keineswegs paritätisch, von den Virginias. Die Kunst des Blenders schafft eine angenehme Ausgewogenheit, trotz der kräftigen Note von Latakia und Oriental. Chapeau, Mr. Pease !

Für die uns namentlich bekannten Verweigerer von herausragenden Latakia-Mischungen führt allerdings weder Weg noch Steg zur Erfahrung eines besonderen Genusses, für die Anonymen selbstverständlich ebenfalls nicht.

Ring, pull und los geht`s. Der Tabak ist perfekt konditioniert, wohl auch, da er sich bereits seit mindestens 2018, dem Datum des Erwerbs, in der Vaku-Dose befindet. Ein sehr kräftiger Duft nach Latakia und Orient strömt förmlich durch die Raumluft, aber keineswegs aggressiv, sondern eher mild, samten. Das Füllen der Pfeife ist problemlos, ich empfehle, wegen der teils großen Flake Stücke (bloß nicht aufrebeln), eine Pfeife mit kleinem bis mittelgroßem Füllvermögen zu wählen und nicht zu fest zu stopfen. Ausgewählt habe ich für die mehrfachen Rauchtests wieder die Jerry Zenn Bamboo, Ihnen zuletzt bekannt durch den Sextant Artikel und eine meiner Favoriten, eine Jørgen Larsen Slim Volcano, eine Pfeife mit Geschichte.

Obenauf ein paar Brösel und dann reichen die schon öfter erwähnten 2 Welthölzer für einen durchgehenden, ungetrübten Genuß. Der Tabak glimmt sofort und powert los, ohne Aufwärmzeit. Vollmundig durch Latakia und Oriental, dennoch keineswegs scharf. Eine pfeffrige Note liegt durchgängig unter der kräftigen natürlichen Aromaschicht.

Was mir als besonders auffällt und zwar während des gesamten Rauchvorgangs: die Geschmacksnoten der Komponenten sind keinesfalls homogen in die Mischung aufgegangen, sondern sie machen sich deutlich als Spieler in dieser Dreieinigkeit bemerkbar, wenn auch die Virginias vornehme, süßliche Zurückhaltung zeigen. Die orientalischen Aromen sind jederzeit deutlich zu spüren, beeinflussen die Mischung aber nie mit einer geschmacklichen Trockenheit, was manchmal ein Merkmal dieser Tabake ist.

Ruhiges Rauchen vorausgesetzt, zelebriert sich der Lagonda als eine tolle, schwankungslose, sehr delikate Mischung, die zur Top-Liga der Latakia / Oriental / English Blends gezählt werden muß und ein phantastisches, ergänzendes Pendant z.B. zu Fayyum Kake, Huber Balkan oder Paul Olsen MOB 800Ø abgibt.

Wie auch bei der Verköstigung 🙂 des Sextanten, habe ich neben der mittlerweile über 5 Jahre alten, bisher ungeöffneten Dose, die für diesen Artikel vollständig aufgeraucht wurde, einen „jungen“ Lagonda aus dem Jahre 2022 mehrfach geraucht. Und ebenfalls gilt, wie beim Sextanten, er braucht ein paar Jahre zusätzliche Lagerung. Gute drei bis besser fünf Jahre tun ihm gut und erst dann zählt er für mich zur Spitze, frei von jeglicher Beliebigkeit, die zunächst ein junger Lagonda schmecken läßt.


Lagonda beschert eine „leichte“ Leder und Stallgassen – Geschmacksexplosion, die natürlich gleich auffällig ist. Nicht wie ein Balkan Sobranie 759, Penzance  oder ein Huber Balkan, aber er ist deutlich zuvorderst eine gelungene Latakia Mischung. Also für die reinen Virginia-Perique Apologeten oder den Aroma-Club nicht geeignet. Er ist genau so würzig wie rauchig und dabei besonders komplex und meisterhaft ausbalanciert. Ein tolles Geschmackspaket im wahrsten Sinne der Bedeutung.

 


*zypriotischer Latakia ist ein Unikum, denn es gibt ihn nur als brand name. In Syrien und in Zypern wird seit langen Jahren kein Latakia mehr hergestellt. Es handelt sich um türkischen Orient, der in der Gegend um Izmir zu Latakia sonnengetrocknet, geräuchert und nach Zypern verschifft wird. Grossisten und Tabakhersteller kaufen ihn dort wie an einer Börse.


Brand: GL Pease
Blender: Gregory Pease
Hersteller: Cornell & Diehl, USA
Mischungstyp: English, Balkan
Komponenten: Latakia, Virginia, Oriental
Flavour: keines
Schnitt: Ribbon Cut / Teile von Broken Flake
Verpackung: Ring Pull Dosen mit 2 Unzen (57 g)
Produktion: seit 2012, aktuell und verfügbar
Bezug: USA und Schweiz


GL Pease aktuelle Gesamt – Produktliste: KLICK hier

GL Pease Importliste Deutschland: Cairo · Odyssey · Quiet Nights · Spark Plug · Union Square · Westminster · Windjammer

GL Pease Reviews in pfeifenblog.de: Westminster · Gaslight · Sextant · Lagonda · Drucquer · Drucquer The Devil`s Own · Druquer Blairgowrie


Bodo Falkenried

exemplarischer Niederrheiner, seit über 55 Jahren in München daheim, genauso lang Pfeifen- und Tabaksammler, versessen auf Musik, Literatur und andere Künste. Unternehmer, Segler, Reisender [..unser Mann in Asien]. Intensiver Marktgeher, immer an Feuer & Herd, sofern in der Nähe.  

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