Cornell & Diehl | The Haunted Bookshop Cake

Was wohl Roger Mifflin, Inhaber des Buchantiquariats „Parnassus at Home“ geraucht haben mag? Des Antiquariats, in dem die Geister der großen Literatur ihr Wesen und Unwesen treiben. Oder zumindest 1919 getrieben haben, denn in dem Jahr ist der Roman „The Haunted Bookshop“ (dt.: Das Haus der vergessenen Bücher) von Christopher Morley erschienen.

Dass Morley selbst ein leidenschaftlicher Pfeifenraucher war, versteht sich von selbst, kaum eine Fotografie zeigt ihn ohne eine elegante klassische Pfeife im Mund oder in der Hand. Und natürlich war er ein Mann der Literatur. Nicht nur als Schriftsteller, auch als Literaturredakteur und Literaturwissenschaftler: er hatte maßgeblichen Anteil an der Aufarbeitung des Doyle’schen Sherlock Holmes Kosmos! Womit wir wieder beim Rauchen wären. Wie gewitzt er die Kombination Literatur und Rauchen zu verbinden wußte, wird klar, wenn wir uns den Text im Eingangsbereich dieses „Haunted Bookshop’s“ anschauen

THIS SHOP IS HAUNTED by the ghosts

Of all great literature, in hosts;

We sell no fakes or trashes.

Lovers of books are welcome here,

No clerks will babble in your ear,

Please smoke–but don’t drop ashes!

—-

Browse as long as you like.

Prices of all books plainly marked.

If you want to ask questions, you’ll find the proprietor

where the tobacco smoke is thickest.

We pay cash for books.

We have what you want, though you may not know you want it.

Malnutrition of the reading faculty is a serious thing.

Let us prescribe for you.

By R. & H. MIFFLIN, Proprs.

Cornell & Diehl Haunted Bookshop Cake

Der Roman ist eine große Ode an die Bibliophilie, ein Fantasy-Roman, ein bisschen Horror, ein bisschen Krimi, ein bisschen Liebe und er war den Machern von Cornell & Diehl wert, einen Tabak als Hommage nach ihm zu benennen. Streng genommen den Vorgänger danach zu benennen, denn den „Haunted Bookshop“ als Mixture gibt es schon viel länger als den „Haunted Bookshop Cake“, um den es hier geht und der im Gegensatz zur Mixture hier in Deutschland erhältlich ist. Der Haunted Bookshop Cake ist ein klassischer Krumble Cake, also eine gepresse Mischung. Ob sie vollkommen deckungsgleich im Vergleich zur Mixture ist, weiß ich nicht, aber ich würde es vermuten.

Cornell & Diehl Haunted Bookshop Cake

Öffnen wir die Dose, dann haben wir nach dem nervigen „Entblättern“ des Papierinlays einen ziemlich hellen bis mittelbraunen, farblich vollkommen einheitlichen Quader gepressten Tabaks, der malzig und leicht nussig riecht mit dezenten Anklängen an säuerlich fruchtige Noten und Pfeffer. Trotzdem ist das kein Feuerwerk sondern alles in allem gedeckt und wunderbar ausgeglichen. Diesen Eindruck, den der Tabak bereits aus der Dose olfaktorisch preisgibt, behält er bis zum Ende der gerauchten Füllung auch geschmacklich. Kein Feuerwerk sondern rundes ausgeglichenes Understatement.

Das Aufbereiten dieses Krumble Cakes ist denkbar einfach: man kann den Tabak von den Kanten wegbrechen oder wegrubbeln und dann stopfen oder (und so bevorzuge ich es) mit einem scharfen Messer Scheiben abschneiden, die man beim Einfüllen etwas zerfallen lässt. Nur auf eines sollte man achten: man sollte den Haunted Bookshop Cake nicht allzu fest stopfen und auch beim Nachstopfen nur leicht verdichten, denn festes Stopfen verträgt der Tabak im Vergleich zu mancher Ribbon Cut Mixture nicht. Das mag auch der für Cornell & Diehl’sche Verhältnisse relativ hohen Feuchtigkeit geschuldet sein, obwohl der Tabak weit davon entfernt ist „zu feucht“ zu sein. Stopft man ihn locker, hat man keinerlei Probleme: dann glimmt der Haunted Bookshop Cake extrem langsam ab und erweist sich als recht ergiebig.

Cornell & Diehl Haunted Bookshop Cake

Eine „originale“ Barling’s Make Bent Army Mount von 1912 wie sie Mr. Mifflin 1919 im hintersten Eck des „Parnassus“ geraucht haben mag…

Entzündet man den Haunted Bookshop Cake, merkt man sofort, dass wir es mit einem Burley Blend zu tun haben, der mit einem kleineren Anteil Virginias kombiniert ist und dem eine recht dezente Portion Perique als „Salz in der Suppe“ beigegeben ist. Geschmacklich dominieren die gedeckt nussigen Noten des Burleys, die aber nie „laut“ im Sinne von besonders nussig oder schokoladig wirken. Dazu gesellen sich Noten von Brotkruste, Röstaromen, Bauernbrot, etwas Heu, dezent kräutrig grün und leicht zitrisch. Das alles aber nur leicht unterstützend, im Orchester des Haunted Bookshop Cakes sind Solos verpönt. Der Perique liefert leicht säuerliche Trockenfruchtnoten und vor allem eine kleine aber ganz spannende würzige Pfeffernote. Auch hier gilt aber: alles perfekt harmonisch eingebunden, keine Solos – wir sprechen von Nuancen! Der Haunted Bookshop Cake ist kein Tabak, der mit vielen Primäraromen aufwartet und ein Gala-Feuerwerk abbrennt, aber der so fein und ausgewogen balanciert ist, dass er mit seinem Understatement – zumindest mir – immer Spass macht. Das mag auch daran liegen, dass der Haunted Bookshop Cake kein Bruder Leichtfuss ist, sondern schon eher in die kräftige Richtung ausschlägt, was seine Komplexität zusätzlich unterstreicht.

Das ist auch der Grund, warum ich den Tabak nicht für einen Allday-Smoke halte, obwohl er geschmacklich diese unaufgeregte Richtung einschlägt. Für Raucher, die Burleys mögen, ist der Haunted Bookshop Cake aber auf jeden Fall eine Empfehlung wert! Für Anfänger vielleicht eher weniger?

4 Antworten

  1. Vergangenen Freitag konnte ich im Club der Münchner Runde den Haunted Bookshop ausprobieren. Für mich war zunächst das wichtigste Moment Peter Hemmers Hinweis auf den Roman von Morley, der mittlerweile auf meinem Tisch liegt und bereits zur Hälfte verschlungen ist.
    Anders wie der Tabak. Denn so toll der Kake, die Komponenten, Geruch und Anmutung auch sind, ich bin über ein „gedämpftes“ Raucherlebnis nicht hinausgekommen.
    Wir haben das auch in der Runde besprochen und Peter konnte mir noch einmal erklären, warum das gerade bei mir der Fall ist. Eigentlich hatte er ja im Artikel sehr deutlich darauf hingwiesen: “ … ist kein Tabak, der mit vielen Primäraromen aufwartet und ein Gala-Feuerwerk abbrennt, aber der so fein und ausgewogen balanciert ist, dass er mit seinem Understatement – zumindest mir – immer Spass macht.“

    Ich rauche fast ausschliesslich Tabake, die meisten eine oder zwei dominante Komponenten haben, mit fein ausgewogenen Mischungen tue ich mich immer dann schwer, wenn ich zuvor ein solches „Kaliber“ genossen habe.
    Nun bin ich mit Peters Herangehen an zu beurteilende Tabake bestens vertraut und weiß um die Akribie und Sorgfalt und die vielen Blickwinkel, mit denen er zu sehr verständlichen und trefflichen Beschreibungen gelangt, die außerdem ein Lesevergnügen par excellence sind.
    Morgen im Club werde ich in „tabak-nüchternem“ Zustand einen erneuten Versuch mit dem Bookshop starten und mir dazu das Review noch einmal zu Gemüte führen. Oder ein paar Seiten aus Morleys Roman dazu lesen und die anderen Freunde reden lassen.

  2. Don Perique sagt:

    Ich finde den säuerlichen, oder besser bäuerlichen Geschmack/Geruch recht eigenwillig, auch wenn er in der Tat nicht sehr vielschichtig ist. Mit welchem anderen liesse er sich vergleichen? Mir bekannte Burley-Mischungen sind eher auf der herb-nussigen Seite. Nach anfänglichem fremdeln habe ich nun einen gewissen Gefallen an diesem Übersee-Klassiker gefunden.

    • Peter Hemmer sagt:

      Hallo Don Perique, entschuldige die späte Antwort, aber ich war im Urlaub und habe den Blog einfach Blog sein lassen über die Zeit. Mir fällt, um ehrlich zu sein, spontan kein vergleichbarer Tabak ein außer der gleichnamigen Mixture, wobei die gepresste Version sicherlich geschmacklich „tiefer“ ist. Auch im Vergleich zu den anderen Burley-Blends von C&D, die jetzt bei uns zu kriegen sind, unterscheidet er sich hinsichtlich seiner unaufgeregten Komplexität. Zumindest soweit ich sie bisher geraucht habe. Und auch das „gewisse Gefallen“ kann ich gut nachvollziehen: ich rauche ihn zwischen meinen bevorzugten Latakia-Blends als Abwechsung immer gerne (übrigens auch gerne aus einer Latakia-Pfeife, denn das leicht rauchige Crossover kommt beim Haunted Bookshop Cake ganz gut wie ich finde)! Nicht im Geschmack, wirklich nicht im Geschmack, aber mit seinem ruhigen ausgewogenen Charakter ähnelt er vielleicht ein bisschen der Dunhillschen Elizabethan Mixture?
      Beste Grüße
      Peter

  3. Don Perique sagt:

    Ein „Digital Native“ hätte die Frage sicherlich auch im Urlaub beantwortet – mir wäre es aber als „Digital Immigrant“ auch wichtiger, den Urlaub zu genießen 😉 Umso mehr freue ich mich über das Feedback!

    Sieht so aus, als müsse ich mir noch die ein- oder andere Dose des „Bookshops“ zur Seite legen, da er geschmacklich wohl doch recht „unique“ ist und gefällt!

    Liebe Grüße,

    Gerrit

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