Cornell & Diehl | Billy Budd
Endlich mal wieder ein Segelschiff! Diesmal aber nicht irgend ein Segelschiff, sondern eines, das wir benennen können: es ist das britische Linienschiff H.M.S. Domitable, auf dem der junge Matrose Billy Budd 1797, zwangsrekrutiert, seinen Dienst verrichtet. Ich als Opernfreak habe mich gefreut, als ich die Dosen dieses Tabaks, der mir völlig neu war, bei Pfeifen Diehl im Regal gesehen habe. Billy Budd nämlich ist eine berühmte Oper von Benjamin Britten nach der vielleicht noch berühmteren gleichnamigen Novelle von Herman Melville.
Diese Oper wartet mit zwei Besonderheiten auf, es sind nämlich erstens, gut irgendwie logisch, ausschließlich Männerstimmen „an Bord“ der H.M.S. Domitable und sie hat zweitens mit Billy Budd einen Stotterer in tragender Rolle. Während in der anderen berühmten Oper mit Stotterer, Smetanas Verkaufter Braut, der stotternde Großbauernsohn Wenzel als verhinderter Bräutigam am Schluss frisch verliebt die junge hübsche Zirkusprinzessin Esmeralda kriegt, muß Billy Budd die tragische Folge seines Stotterns, von einem Kriegsgericht verurteilt, mit dem Leben bezahlen: er wird vor den Augen der Mannschaft am Großmast der H.M.S. Domitable gehängt. So kann’s gehen.
Warum jetzt ausgerechnet ein Tabak nach dem tragischen Billy Budd benannt wurde, weiß ich nicht, aber ich vermute mal, es ist die Seefahrerromantik im Allgemeinen, die hier Pate gestanden hat, denn weder bei Melville noch in der Oper spielt das Pfeiferauchen irgendeine nennenswerte Rolle.
Billy Budd ist erstmal kein alltäglicher Blend. Es handelt sich um eine Ribbon Cut Mixture aus Latakia, Burleys, Virginias und Zigarrenblattgut. Der Virginia soll ein Ready Rubbed sein, was offenbar sehr gründlich passierte, denn in meiner Dose sind keinerlei Flake-Fetzen auszumachen. Das aber nur als Anmerkung am Rande, es tut der Qualität des Tabaks natürlich keinen Abbruch.
Wenn wir uns das Tabakbild anschauen, dann haben wir eine recht ausgewogene, teilweise recht grob geschnittene Mixture mit einem stattlichen Latakia-Anteil. Das riecht man auch sofort und diese kraftvolle Rauchigkeit bestimmt auch den Geschmack des Tabaks vom Anzünden bis zum Ende der Füllung. Dabei präsentiert sich der Billy Budd aber deutlich anders als die anderen Latakia-Blends der C&D und Pease Blends mit hohem Latakia-Anteil!
Abgesehen von seiner Latakia-Rauchigkeit ist der Billy Budd ein Burley-Blend. Und ein Zigarren-Blend! Burleys und Cigar Leaves halten sich geschmacklich die Waage und rocken den Blend hinter seiner Rauchigkeit. Die Virginias liefern Süsse und sorgen für Tiefe und Komplexität, aber sie spielen geschmacklich nie die erste Geige in diesem Quartett.
Stopfen und entzünden geht völlig problemlos. Ich würde nur dazu raten, für den Billy Budd keine allzu kleinen Pfeifen zu nehmen, also 19-20mm Brennkammerdurchmesser sollten es schon mindestens sein, denn das Zigarrenblattgut ist teilweise recht grob geschnitten und das kann bei ganz kleinen Pfeifen Zugprobleme bereiten, wenn man beim Stopfen nicht aufpasst. Ansonsten glimmt der Billy Budd langsam und kühl bis zum Ende der Füllung.
Wie nicht anders zu erwarten haben wir geschmacklich erstmal die Latakia-Rauchigkeit. Auch wenn der Latakia-Anteil recht hoch ist, wird diese Rauchigkeit nicht demonstrativ ausgestellt sondern gut unterlegt und „eingefangen“: die Burleys liefern sofort einen ziemlich schönen, tief nussigen und ganz leicht schokoladigen Teppich. Durchaus auch ein bisschen cremig und an Gebäck erinnernd. Trotzdem hat der Billy Budd nichts von einer Praline mit geräucherter Schokolade, denn mit dem Burley macht sich sofort auch das Zigarrenblattgut bemerkbar und lenkt den Geschmack in eine Richtung, die Zigarrenrauchern wohlbekannt ist, nämlich Richtung Maduro-Zigarre. Zu unserer rauchigen Nussigkeit gesellen sich Holz, holzige beintrockene Vanille, etwas Leder und schließlich erdige Noten. Es ist schon beeindruckend, wie gut dieser Stil in einem Pfeifentabak getroffen ist! Und bemerkenswert, wie gut die Burleys diesen Geschmack unterstützen!
Nun bin ich auch leidenschaftlicher Zigarrenraucher und mir gefällt dieser Tabak ausgesprochen gut, aber ich kann mir vorstellen, wenn man mit diesem Tabakstil nicht vertraut ist, dass das „Zigarrige“, das hier keine Nebenrolle spielt, erstmal irritiert.
Billy Budd ist aber auf der anderen Seite aber auch ein seriöser Pfeifentabak, der über das Geschmacksbild einer „nachgebauten Zigarre“ hinausgeht, denn Virginias und Latakia lassen keine Zweifel aufkommen. Trotzdem wirkt der Billy Budd wie eine raffinierte Gratwanderung, bei der man von der Pfeife einen weiten Ausblick auf die Zigarrenwelt geniessen kann.
Die Raffinesse des Billy Budd liegt dabei in seiner vordergründigen „Einfachheit“: nichts wirkt spektakulär wie ein Feuerwerk, ganz im Gegenteil scheint dieser Tabak so völlig normal und selbsverständlich, wie der perfekte Alldays-Smoke nur sein kann. Dabei ist der Billy Budd hochgradig raffiniert, denn seine Balance ist herausragend und das schmeckt man in jedem Zug. Er wird niemals langweilig.
Gute Blends mit Zigarrenblattgut gibt es nicht allzu viele und es gibt einige, auch von renommierten Blendern, die meiner Meinung nach nicht besonders gelungen sind. Es ist nicht ganz einfach, einen guten Blend mit Zigarrenblatt zu mischen. Ich weiß, wovon ich rede. Umso beeindruckender finde ich den Billy Budd, der so „einfach“ daherkommt… Stärke? Gehobenes „medium“. Nichts für nach einem kleinen Frühstück aber ansonsten kein Problem!
Ob nun auch Zigarrenraucher oder nur Pfeifenraucher – ich rate zum Probieren!
Dieses für mich äußerst animierende Review hat meine Neugierde in zweierlei Hinsicht geweckt.
Als ebenfalls Zigarrenraucher habe ich bisher keinen Pfeifentabak mit Zigarren-Blattgut geraucht.
Zum zweiten ist hier von hochgradiger Raffinesse und herausragender Balance die Rede.
Und diese Eigenschaften hatten mich schon beim C&D Bayou Night begeistert, wenngleich dieser ein völlig anderer Tabak ist.
Also die Frage ob das ein ebensolcher Volltreffer wird, nur eben mit anderer Ausrichtung?
Gerade recht kam das Review um schnell der Bestellung zweier Wunschpfeifen noch die des Billy Budd anzuhängen.
Und natürlich ist die Neugierde zu groß, also geht gleich nach dem Eintreffen die Dose auf.
Erster Geruchseindruck: Latakia-Rauchigkeit.
Dann mal rein in die Pfeife…. und Überraschung: diese Latakia-Rauchigkeit, die beim Riechen an der Dose im Vordergrund stand, stellt sich hinten an, agiert sozusagen aus dem Hintergrund. Im Vordergrund steht der Burley, nussig, diskret schokoladig, mit einem leichten Karamelton und da ist noch ein anderes Aroma.
Wer es vom Zigarre rauchen nicht kennt wird Maduro nicht erkennen, sondern als eine delikate, neue Aroma-Nuance wahrnehmen.
Also in keiner Weise Nachbau einer Zigarre, halt aus einer Pfeife, sondern gestandener Pfeifentabak, dem eine zwar ungewohnte, aber sehr delikate Aroma-Note hinzugefügt wurde. Und das bleibt durchgehend so, in einer unaufgeregten Harmonie die beeindruckt.
Mir gefällt das sehr!
Wen vielleicht im Vorfeld schon die Erwähnung des Wortes Zigarrenblattgut abgeschreckt hat dem sei die Sorge, es handle sich um den Nachbau einer Zigarre für die Pfeife, genommen.
Es lohnt sich diesen Tabak zu probieren!
Wer zu diesem Tabak, entsprechend seines Namens, die stilechte musikalische Begleitung sucht: die eingangs des Reviews erwähnte Oper Billy Budd von Benjamin Britten gibt es in voller Länge auf youtube.com.
Und natürlich sind das meine persönlichen Eindrücke zu diesem Tabak.