Sextant an Bord – bei kräftiger Brise
Jahrelang habe ich nautische Instrumente gesammelt, bevorzugt ältere, die schon einige Seemeilen hinter sich gebracht hatten. Aber irgendwie vertrug sich die Budget-Beanspruchung aus diesem „Segment“ nicht mehr mit der für Pfeife und Tabak und DGPS und ECDIS machten Koppeln ohnehin überflüssig. So habe ich dieses Sammeln aufgegeben. Aber GL Pease hat mit seinem Sextanten wieder einige Erinnerungen an mein nautisches Faible geweckt, so daß ich glaube, Sie sollten sich ebenfalls damit beschäftigen. Mit dem Tabak, meine ich natürlich.
GL Pease zählt ähnlich Russ Ouelette (Hearth & Home-Ten to Midnight, White Knight) zu den großen Namen in der Tabakwelt, die prägende und teils ikonische Tabake geschaffen haben. Sie sind vielfach an traditionellen Geschmäckern ausgerichtet und bestehen allesamt aus ausgesuchten, hochqualitativen Komponenten. Tabake wie Haddo`s Delight, Odyssee, Mephisto, Caravan, Abingdon und Barbary Coast oder die aus Heirloom Reihe sind jedem ambitionierten Raucher ein Begriff. Ich versuche stets, verständliche Begriffe bei der Beschreibung von Tabaken zu verwenden und für nahezu alle GL Pease Kreationen gibt es ein gemeinsames Verdikt: durch die Bank köstlich, delikat.
Das Erfreuliche vorweg: GL Pease Tabake wurden in D bisher nicht angeboten, der Bezug erfolgte über die USA und war dementsprechend umständlich und mit Zoll- und Frachtkosten belastet, der durch das heutige Einfuhrgebaren nahezu unmöglich geworden sind. Nun aber werden nach der Aufnahme der Distribution von Cornell & Diehl durch Kopp Tobaccos auch einige GL Pease Tabake bei uns erhältlich sein, denn Cornell & Diehl fertigt für GL Pease, einschliesslich der wiederbelebten tollen Drucquer Serie.
Der Sextant gehört zur Old London Reihe, die bisher aus 10 Mischungen besteht, darunter Gaslight und Lagonda. Der Name ist Programm und so ist der Sextant dann auch zunächst einmal ein getunter Engländer, zunächst! Er wird in der typischen Cornell & Diehl 2 Unzen Dose mit Ring Pull Deckel geliefert und hat dadurch ein perfektes Vakuum, ich komme später darauf zurück. Mein „Test“- Sextant stammt aus dem Jahre 2018 und ich habe im Anschluß noch einen aus 2022 geöffnet und das war interessant.
Der Broken Flake besteht aus den vier Basistabaken Virginia, Zypriotischer Latakia, Orientals und Kentucky (statt immer nur Perique), die zu einem Flake gepresst werden und als Clou einen Schuß dunklen Rum obenauf erhalten und sodann, nur leicht gepreßt, reifen können. Anschliessend werden sie in Flakes geschnitten und dann zum Broken Flake zerrupft.
Das ergibt ein sehr stark strukturiertes Tabakbild, mit teilweise groben Flakestücken, appetitlich anzuschauen. Zum stopfen der Pfeife aber ideal. Eigenartig allerdings erst einmal der sehr bemerkbare Rumgeruch, eher ein wenig muffig, denn süß.
Also hinein in die Pfeife, ich habe mich für eine Jerry Zenn Bamboo entschieden, die optisch zwar sehr groß aussieht, aber nur ein mittelgroßes Füllvermögen aufweist und das ist auch meine empfohlene Kopfraumgröße für diesen Tabak. Der Sextant läßt sich sehr einfach in den Kopf füllen, leichte Drehungen, sanfter Druck, eine ¾ Füllung, denn er quillt ein wenig nach dem Zünden. Ich mag es nicht, wenn Kopfränder schwarz werden oder am Ende gar Brandspuren zeigen.
Das Zündeln ist eine Freude. Mit nur einem ungewachsten Vintage Zündholz glimmt die Oberfläche vollständig, nach dem ersten Andrücken reicht ein zweites. Als erstes schmecke ich vordergründig den Dark Fired Kentucky, das Rum-Aroma, das nach wenigen Zügen sofort in den Hintergrund tritt. Und dann kommen die Virginias und Orientals hervor, die eine sich ständig entwickelnde Reihe von komplexen würzigen Noten liefern und den kaum spürbaren Latakia lediglich als Stabilisator spielen lassen, der die Spur zur englischen Charakteristik halten muß. Blumig, dennoch ein wenig rauchig, herbe und spritzige Zitrusfrucht, reifes, dunkles Obst. Der dunkel gebrannte Kentucky gibt eine milde Nussigkeit ab, Kräuter und Erde schmecken durch. Überhaupt sind „satte Reife“ und „Erdigkeit“ passende Attribute für diesen gelungenen Broken Flake.
Jetzt, nachdem die Hälfte der Füllung geraucht ist, zeigt der Tabak seine ganze Komplexität. Er hat sich unter Temperatur stark und doch milde entwickelt, der Rum spielt womöglich nur noch als unterstützender Teil der Mischung eine Rolle, ist aber als einzelne Komponente nicht mehr erspürbar. Der Latakia, wie bereits erwähnt, zeigt nicht das erwartete Pferdestall- oder Lagerfeuer Gehabe und formt ein wenig Kühle, etwas Eleganz und ganz sanfte Röstnoten in den Flake. Tja, und Nikotin gibt es natürlich auch. Bemerkbar, aber nicht zu stark, so ist mein Empfinden.
Latakia-Abholde, wie z.B. der Hausherr des Clubs der Münchner Runde, können den Sextanten furcht- und folgenlos geniessen. Virginia-Liebhaber werden die leicht blumig-holzigen, trockenen Orientals zur Abrundung der mit etwas herber Zitrus-Säure, ein wenig Heu und Gras aufwartenden, süßlichen Virginias schätzen. Das Herausragende der Komponenten wird aber erst als Überflieger erkennbar durch die Gesamtkomposition. Reichhaltig! Köstlich!
All dieses Erfahrene trifft auf den während einer nun fast fünfjährigen weiteren Reifezeit durch Lagerung scheinbar optimierten Sextanten zu, die man ihm unbedingt einräumen sollte. Der Sextant ist ein Lager-Tabak par excellence. Der Vergleich mit einem 2022er ließ diesen zwar wohlschmeckend, aber schmalbrüstig erscheinen. Mir fehlte die Tiefe und die Reichhaltigkeit, er war noch nicht rund im Gesamten. Also kaufen und lagern.
Brand: GL Pease
Blender: Gregory Pease
Hersteller: Cornell & Diehl, USA
Mischungstyp: English
Komponenten: Kentucky, Latakia, Orient, Virginia
Flavour: dark Rum
Schnitt: Broken Flake
Verpackung: Ring Pull Dosen mit 2,8,16 Unzen (57, 228 + 456 g)
Production: seit 2012, aktuell und verfügbar
Bezug: Deutschland (Importer Kopp Tobacco)
GL Pease aktuelle Gesamt – Produktliste: KLICK hier
GL Pease Importliste Deutschland: Cairo · Odyssey · Quiet Nights · Spark Plug · Union Square · Westminster · Windjammer
GL Pease Reviews in pfeifenblog.de: Westminster · Gaslight · Sextant · Lagonda · Drucquer · Drucquer The Devil`s Own · Druquer Blairgowrie
Utensil
Bamboo Jerry Zenn, Taiwan, 2019
Aéro Watch Stop- unf Mondphasen Chronograph, Cal. Landeron 48, Neuchâtel, Schweiz, 1986
Sextant CASSENS & PLATH – Marine Sextant CPsailing, 1984
Leica M10, Summilux-M 1:1,4/50 mm ASPH, 2017
Zündung: Welthölzer, Deutsche Zündholz Monopolgesellschaft, 1955
Besteck: Original „Tscheche“ – vyrobeno vČeskoslovensku, 1972
Atemluft: München Süd – Freiluft, ab Abenddämmerung, 2023
Amuse Gueule (nach der dritten Test Pfeife): Rosé Champagner-Trüffel“ Dallmayr, 2023
Lebenserhaltung: Krohn, Colheita Port 2003, bottled 2021 · Münchner Leitungswasser / Sylvensteinspeicher, 2023 ·
Stimmung & Gefühl: Claude Debussy, César Franck – Sinfonien, Sinfonische Dichtungen
Wann kommen denn die GL Pease auf den deutschen Markt. Ich habe mir vorige Woche einen Vorrat an Tabaken bestellt, der mir ein halbes Jahr reichen wird, natürlich ohne GL Pease. Hätte ich noch warten sollen?
….werden täglich erwartet, sind schon im Lager bei K&K, Problem scheinen die Etiketten zu sein, die bei uns durch die ach so effiziente Bürokratie strengen Regeln unterliegen.
Hallo Bodo,
schön, wieder von Dir zu hören.
U.a.bei cigarworld.de (Tabak-Benden, Düsseldorf) kann man G.L.Pease und Cornell & Diehl bestellen. Zwei Dosen habe ich geordert, dazu eine Mastro de Paja. Die Tabake werden wahrscheinlich schnell ausverkauft sein… Herzliche Grüße nach München !
Sicher eine Bereicherung für das ohnehin schon vielfältige Angebot hier in Deutschland. Bleibt zu hoffen, daß das Angebot auch auf eine kaufbereite Kundschaft trifft, die ja zahlenmäßig eher im Abnehmen befindlich ist …
Der Preis mag ja angesichts von Distribution und Zoll angemessen sein – ob sich das Angebot aber so dauerhaft am Markt halten wird – ich denke nicht. Immerhin Gelegenheit, mal den ein- oder anderen Übersee-Klassiker zu testen 😉