Dornröschen Boulevardier

Noch vor dem Text eine Schwarzweißfotografie, Querformat über die ganze Seite, rechts unten weiß beschriftet: „CHURCHWARDEN CLUB’S WEEKLY SESSION AT HARRY’S NEW-YORK BAR, I.B.F. HEADQUARTERS 5, RUE DAUNOU, PARIS“. Die Fotografie zeigt zehn Herren mittleren und gesetzten Alters, zeitgemäß elegant gekleidet, zumindest für den späten Nachmittag, in einem holzvertäfelten Gastraum um eine Reihe Tische sitzend. Ein Kellner steht dahinter. Sie alle haben lange weißtönerne Churchwardens im Mund oder auch in der Hand. Diese Fotografie der Pfeifenraucher ist der Einstieg in eine der Bibeln der Cocktailkultur, Harry McElhone’s „Barflies and Cocktails“, erschienen 1927 in Paris.

Die Geschichte

Harry’s New York Bar war nicht nur für die Verbreitung amerikanischer Barkultur in Europa von großer Bedeutung, sie war auch Treffpunkt der amerikanischen Kulturszene im Paris der zwanziger Jahre. Zu den Stammgästen zählten in dieser Zeit Ernest Hemingway, F. Scott Fitzgerald, Cole Porter, George Gershwin um nur einige zu nennen. In „Midnight in Paris“ fällt plötzlich einer aus unserer Zeit in deren Welt und wird von diesem Flair und seinen Protagonisten eingefangen.

 

War es bei vielen Bartendern die amerikanische Prohibition, die sie nach Europa verschlug, so zogen die günstigen Lebenshaltungskosten durch den starken Dollar und den schwachen Franc viele Amerikaner nach Paris, weil die sich dort einen luxuriöseren oder unbeschwerteren Lebensstil leisten konnten als in den USA – von den liberalen Sitten ganz zu schweigen.

Unter ihnen war auch ein gewisser Erskine Gwynne, der in Paris als Journalist, Schriftsteller und Herausgeber eines Magazins für amerikanische Expats sein Glück versuchte. Gwynne, New Yorker High Society, mit den Vanderbuilts verwandt, seine Schwester die Geliebte des Dukes of Kent, war genau von der Sorte Mensch, die man unter seriösen Charakteren vielleicht mit einem Hauch Neid gemeinhin als Lebemann bezeichnet. Sechs Jahre, von 1927 bis 1932, überdauerte sein Magazin, das er recht passend „Boulevardier“ nannte. Boulevardiers, das waren elegante Gentlemen, die in den feinen Vierteln flanierten oder in den Straßencafés sitzend angeregt und kultiviert die Zeit mit alkoholischen Getränken totschlugen.

„THE BOULEVARDIER the magazine that is read before, between and after cocktails“ so heißt es in der ganzseitigen Anzeige im „Barflies and Cocktails“ und just in diesem Buch, auf Seite 80 um genau zu sein, ist ein Cocktail zum ersten Mal erwähnt, der den Namen „Boulevardier“ trägt und als dessen Schöpfer Erskine Gwynne genannt wird, in einem Teil des Buches, in dem anekdotische Drinks „invented by these typical Men-About-Town“ vorgestellt werden. „Cocktails Round Town“ heißt das Kapitel und sein Autor war ein gewisser Arthur Moss, der, ganz wie es der Zufall so will, auch Redakteur bei Gwynnes „Boulevardier“ war. Nüchtern betrachtet läge nichts näher als hier eine ganz profane Marketingstrategie zum Vorteil aller Beteiligten anzunehmen. Aber es wäre langweilig angesichts unseres Sujets nüchtern zu bleiben und so trinken wir uns Erskine Gwynne als einen ebenso engagierten wie kreativen Trinker schön! Quasi als einen Bruder im Geiste des legendären Conte Negroni in Florenz, nach dem immerhin einer der klassischen Aperitiv-Cocktails benannt wurde.

Der Cocktail

Und jetzt sind wir nach dem ganzen historischen Trara endlich beim Kern des Themas angekommen, dem Cocktail! Oder besser: den Cocktails, denn den Boulevardier kann man eigentlich nicht für sich betrachten, man muss ihn in Beziehungen stellen, was schnell deutlich wird, wenn man sich das Rezept, wie es von Harry McElhone oder Arthur Moss überliefert wurde, anschaut: da ist von 1/3 Bourbon, 1/3 Campari und 1/3 rotem Vermouth die Rede.

Das klingt gut, das kann man sich leicht merken, das klingt wie ein Negroni, bei dem das Drittel Gin einfach durch Bourbon (oder Rye-Whiskey) ersetzt worden ist. Also wie ein raffinierter Winter-Negroni, in dem die kantige Frische des Gins der süßen Gebäck-Wärme des Bourbons weichen mußte. In der Tat wird der Boulevardier in vielen Artikeln wie auch in Zubereitungsanleitungen als eine Negroni-Variante behandelt, was diesem Drink aber in keinster Weise gerecht wird, auch wenn es hinsichtlich seiner Zubereitung natürlich vollkommen parallel zugeht. Der Negroni, zu Beginn der zwanziger Jahre in Florenz entstanden, wurde erst Anfang der fünfziger Jahre zum ersten Mal publiziert, hat sich aber sehr zügig zum Klassiker gemausert, während der Boulevardier nach seiner Publikation ebenso zügig in einen sehr tiefen Dornröschenschlaf verfiel. Der Prinz, der unser alkoholisches Dornröschen dann öffentlichkeitswirksam erweckte, hieß „The New York Times“, die über einige Artikel hinweg einen „neuen Cocktailklassiker“ aus Prohibitionszeiten wieder einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht hatte.

Ein Boom, geradezu ein Hype setzte ein, Bars wurden nach dem Cocktail benannt, hatten quasi aus dem Nichts ihren klassischen „Signature Drink“, über kaum einen anderen „neuen“ Cocktail wurde vergleichbar viel geschrieben. Klar: eine solche Gründungslegende ist zu verlockend, einen „Klassiker“ aus der Prohibitionszeit (wieder) zu entdecken ist für einen Mixologen so spannend, wie für einen Archäologen der Fund einer bislang unbekannten hellenistischen Aphrodite und für den philologisch ambitionierten Trinker ist es eh ein Stück Glückseligkeit! Aber ist das alles gerechtfertigt?

Nicht nur gerechtfertigt, es ist das mindeste, denn der Boulevardier ist in meinen Augen ein Weltklassecocktail, der sich hinsichtlich Raffinesse und Komplexität durchaus mit den großen Ikonen unter den Cocktails messen kann! Selbst mit dem Manhattan, von dessen Seite aus man sich dem Boulevardier ebenfalls nähern kann. Drinketymologisch und historisch gesehen sogar zwingend nähern muss: Alle am Boulevardier, an seiner Kreation wie Publikation, beteiligten Personen kamen aus der amerikanischen Cocktailtradition. Diese Tradition kann man vor dem Hintergrund des Manhattans auch schmecken, denn die Kombination von Bourbon oder Rye-Whiskey mit rotem Vermouth ist bei beiden Drinks essentiell. Das, was den Manhattan vom Boulevardier neben der Whiskey-Gewichtung unterscheidet, das ist das bittere Element: im Manhattan wird die Balance mit zwei Spritzern Angostura Bitter erreicht, hochprozentig und sehr konzentriert, im Boulevardier durch ein Drittel Campari, was dem Cocktail nicht nur zu mehr Fruchtigkeit verhilft, sondern der Bitterkeit geschmacklich eine süßere wie „cremigere“ Textur verleiht.

Das Rezept

Letztlich ist das alles, wie bei gut gemixten Cocktails generell, eine Frage der Balance und da ist man an dem Punkt angelangt, sich das Rezept, bzw. seine Varianten genauer anzuschauen! Befolgt man das Ur-Rezept des Boulevardiers mit seinen Dritteln, dann stellt man schnell fest, dass es überhaupt nur wirklich gut funktioniert, wenn man einen sehr hochwertigen und geschmacklich entsprechend komplexen Bourbon oder Rye-Whiskey verwendet, der auch bei einem Anteil von einem Drittel noch „genug lange Hosen anhat“. Nimmt man dagegen ein „einfacheres“ Qualitätsprodukt, dann gerät es schnell in den Hintergrund, weil Campari und Vermouth zusammen einen solchen Whiskey „bitterlich zukleistern“.

Diesem Problem wird in vielen Boulevardier-Rezepten dadurch begegnet, den Whiskey-Anteil zu erhöhen, was zwar wunderbar funktioniert, was das Originalrezept aber verändert – und zwar deutlich in Richtung Manhattan mit seinen zwei Teilen Whiskey zu einem Teil Vermouth plus Angostura Bitter! Nun sind Cocktailrezepte ja keine in Stein gemeißelten Gebote, deren Modifizierung oder Nichtbeachtung mit ewigem Fegefeuer bestraft würden. Sie sind Bauanleitungen, die einen Rahmen vorgeben und die Breite des Rahmens hängt von den verfügbaren Produkten und ihren unzähligen Kombinationsmöglichkeiten ab.

Das Originalrezept des Boulevardiers schränkt hier allerdings ein, denn ein Drittel besteht aus einer festen Konstante, nämlich dem Campari! Haben wir mit den Dritteln Whiskey und Vermouth Alcoholica genannt mit jeweils einer weiten Auswahl an stilistisch zum Teil recht unterschiedlichen Produkten, so legt uns das Drittel Campari, ein bestimmtes Produkt mit seinem definierten Charakter, ein bisschen fest, denn die Auswahl an Whiskey und Vermouth muss so erfolgen, dass der Campari-Anteil eingebunden wird. Ein guter Boulevardier erfordert also nicht nur einen sehr charakterstarken vollen Whiskey (oder höheren Whiskey Anteil), sondern auch einen entsprechenden Vermouth.

Mit einem schlanken und besonders blumigen Vermouth oder einem ausgesprochen bitteren Vermouth kann man den Campari nicht so gut in Balance setzen. Entweder wird sich der Vermouth nicht richtig behaupten können oder der Drink gerät zu bitter. Versucht man mit einem leichten blumigen Vermouth das, was mit dem Whiskey Anteil funktioniert, nämlich ihn einfach etwas zu erhöhen, dann bekommt man einen Drink, der übersüsst wirkt. Als Geheimtipp kann man meine Wahl jetzt nicht gerade bezeichnen, aber ein Spitzenvermouth, der auch im Boulevardier sehr gut harmoniert, ist Carpano Antica Formula! Auf der Basis von Campari und Antica Formula hier zwei Rezepte:

1 Teil Michter’s Small Batch Bourbon Whiskey

1 Teil Campari Bitter

1 Teil Carpano Antica Formula

oder

1,5 Teile Bulleit 95 Rye Whiskey

1 Teil Campari Bitter

1 Teil Carpano Antica Formula

Der Michter’s Bourbon macht schon beim ersten Schluck deutlich, dass er sich nicht unterkriegen lässt: kraftvoll mit allen süßen Noten, die man von einem Bourbon erwartet, sind es vor allem eine schöne leichte Rauchigkeit, pfeffrige Noten und dezent Trockenfrüchte, wie getrocknete Aprikosen und kandierte Orangenschalen, die sich wunderbar mit dem Campari und dem Vermouth ergänzen. Trotz der süßen Aromen ist dieser Bourbon im Finish geschmacklich relativ trocken, was verhindert, dass der Boulevardier zu süß gerät. Der Bulleit 95 Rye Whiskey hat dagegen ganz andere Qualitäten: weniger komplex, dafür sehr rund und würzig, rollt er den beiden anderen Protagonisten den roten Teppich aus. Und damit er das nicht allzu leise und verhuscht macht, nimmt man ein bisschen mehr! Der Boulevardier mit dem Michter’s Bourbon ist eher eine akzentuierte kantige Version, die mit dem Bulleit Rye die gefälligere und rundere Interpretation eines Bouevardiers.

Das Glas

Alle Zutaten werden nun zusammen auf Eis kaltgerührt und dann in ein Glas abgegossen. Aber in welches? Jetzt stehen wir wieder vor der Entscheidung, von welcher Seite wir uns dem Boulevardier nähern wollen: von der Negroni Seite, also in einem Tumbler mit Eis, oder von der Manhattan Seite, also in einem gekühlten Cocktailglas ohne Eis. Beides geht gut, ich persönlich bevorzuge das Cocktailglas, nicht nur, weil ich mich eh schon lange auf die Manhattan-Seite geschlagen habe, sondern weil mir die geschmackliche und olfaktorische Entwicklung, die ein so komplexer Drink nimmt, wenn er langsam wärmer wird, viel interessanter erscheint als ein Drink, der konstant kalt langsam vor sich hin verwässert. Das kleine Maß an Schmelzwasser, das alkoholreichere Cocktails brauchen, um ihre Aromen aufzuschließen, haben wir ja bereits mit dem Rühren erzeugt.

Aber ganz egal, für welches der beiden Gläser wir uns nun entschieden haben, den Abschluss bildet in beiden Versionen etwas absolut essentielles: Man presst zum Schluss das ätherische Öl einer knackigen sowie unbehandelten Orangenzeste über den Drink und streicht den Glasrand mit dieser Zeste ab bevor man sie in den Drink gibt. Diese frischen Orangennoten, die sich in Form von Ölschlieren sichtbar auf der Oberfläche des Boulevardiers bilden, sind für die Balance des Cocktails fundamental, weil sie ihm die nötige Frische verleihen. Eine fruchtige Zitrusfrische, welche die reife gedeckte Fruchtigkeit des Vermouths und des Camparis ausgleicht und ergänzt! That’s it! Cheers!

Boulevardier und Tabak

Aber warum schreibe ich jetzt eigentlich diesen ganzen abgefahrenen Sermon und mache mir über so ein Zeugs meine Gedanken? Das ist ja ein Pfeifenblog, oder? Eben! Drum! Denn jetzt schließen wir den Kreis und kehren wieder zu unserem Pfeifenraucherstammtisch vom Anfang des Artikels zurück: Dieser hier von mir vorgestellte Cocktail, der Boulevardier, ist in meinen Augen DER perfekte Cocktail zu einer Pfeife, vor allem, wenn sie mit englischen Mischungen gefüllt ist. Der Boulevardier ist süß, sodass er die Tabakaromen wundervoll zur Geltung kommen lässt und unterstützt, er ist kraftvoll wärmend obwohl er erfrischend kalt ist, er ist sehr fruchtig ohne die den Tabak störende Säure, er ist anregend bitter und hat genug feine Kanten um das Gegenteil von gefälliger Langeweile zu sein. Die Komplexität des Boulevardiers steht der Komplexität eines guten Tabaks nicht nach, diese Gefahr besteht eher anders herum, aber der Drink erschlägt den Tabak auch nicht, denn dazu ist er viel zu raffiniert. Gerade die Rauchigkeit von Latakia-Mischungen kann gut neben dem Boulevardier bestehen. Auch natursüsse Virginia- oder Virginia/Perique Tabake gehen sehr gut, allerdings fehlt der Reiz des Kontrastes, den der Latakia hier bietet. Die Kombination Boulevardier und Pfeife ist Genuss pur. Schlicht unanständig gut und das wollte ich euch nicht vorenthalten!

Falls jetzt noch jemand Lust hat, im „Barflies and Cocktails“ von 1927 zu blättern und sich anregen lassen möchte: der Link und da findet ihr auch die anfangs beschriebene Fotografie… und hier die passende Musik dazu, die im Filmclip schon kurz zu hören war! Viel Vergnügen bei der Zeitreise!

 

11 Antworten

  1. Lieber Peter,
    vielen Dank für diesen wunderbaren Einblick in die Geschichte des Boulevardiers. In der Tat hatte ich ihn gedanklich immer als einen weiteren Negroni eingeordnet, aber bei näherem Hinsehen, ist er tatsächlich eher eine Art Manhattan. Vermutlich ist das der Tatsache geschuldet, dass ein Bartender einfache Kategorien braucht, um sich so viele Rezepturen merken zu können. „Negroni mit Bourbon“ speichert man schneller ab, als „Manhattan mit etwas mehr Vermouth und dafür den gleichen Teil Campari statt der Bitters.“

    Deine Beschreibung ist wieder mal sowohl opulent als auch treffend, wie immer, mit viel Genuss habe ich diesen Beitrag gelesen. Danke. Leider muss ich noch ein paar Stunden arbeiten, aber dann kannst du dir gewiss sein, dass ich einen Boulevardier auf dein Wohl trinken werde.

    Was sagt das eigentlich über mich aus, dass ich für die meisten Drinks wie selbstverständlich alle Zutaten im Haus habe. Alle bis auf die Orange? Ich esse zu wenig Obst und trinke zu viel? Oder dass ich ein Banause bin, der heute Abend auf die Zeste verzichtet?. Ich werden einen Tropfen Orangenbitter zugeben und hoffen, dass es trotzdem funktioniert.

    Freitag Nacht im Wolf werden wir uns sicher ein paar wirklich perfekte Boulevardiers zubereiten lassen, darauf freue ich mich schon.

  2. Bodo Mauk sagt:

    Lieber Peter,
    ein toller Artikel, der nicht nur hervorragend recherchiert ist, sondern wirklich dazu anregt diesen Cocktail zu probieren. Leider habe ich nicht wie Alexander , die Zutaten zu Hause um gleich mal den Test zu machen. Wir haben allerdings die Kongressbar in der Nähe und da ja das Wetter die nächste Woche recht schön wird, werde ich das dann sicherlich nachholen.
    Was den Tabak betrifft muß ich mal überlegen zu was ich mich endschließe. Entweder steige ich wirklich in die Latakia Schiene ein, oder entscheide mich für eine Kentucky Variation. Einen Virginia Perique wohl eher nicht, obwohl es meine Lieblingsmischung ist.
    Über das Ergebnis werde ich dann in 2 Wochen berichten.

  3. (Kostbarer) teuerer Artikel, hat mich gleich mal den Einsatz für den Michters Bourbon und den Carpano Antica Formula gekostet. Bevor die bei mir eingetroffen sind – heute ist Feiertag- wird am Freitag der Wolf geprüft. Aber dann ……

    Wäre der Artikel nicht so profund und anregend geschrieben, käme der Boulevardier wohl nie auf meinen Tisch …. again what learned.

    Und anders wie bei Anderen habe ICH Zitronen, Orangen und Limetten IMMER im Haus!

  4. Andi sagt:

    Hallo Peter,

    auch von mir einen ganz lieben Dank für den wirklich tollen Artikel (mehr davon! ;-)). Du weisst ja, dass auch ich die höhere Schule des Manhattens besuche und daher war es mich höchst willkommen, mich von der Seite nochmals dem Thema „Campari“ zu nähern. Jagd mir der Negroni Schauer über den Rücken, ist ein süsser Whisky offenbar genau der richtige Partner, so dass ich schon mehrere der köstlichen Drinks in den letzten heissen Tagen geniessen musste. Einzig eine Abweichung/Meinung meinerseits: Ich beveorzuge diesen hier (ganz im Gegensatz zum Manhatten!) auf Eis im Glas (ich rühr ihn gleich da). Da er für mich ein Drink für die heisssen Tage und von Haus aus etwas leichter als Manhatten (oder Martini Cocktail) ist, verträgt er meiner Meinung nach etwas mehr Verdünnung, so dass man ihn etwas ausgedehnter geniessen kann (es spricht unabhängig davon natürlich gar nichts dagegen sich noch einen Zweiten zu machen).

    Also nochmal: ganz lieben Dank und Prost!

    Andi

    PS: Arbeit und Urlaub halten mich im Wechsel vom Stammtisch fern, ich hoffe in zwei Wochen mal wieder meine Nase ins rauchschwangere Zimmer stecken zu können.

  5. Also – der Wolf war ein Volltreffer und somit auch der Boulevardier. Allerdings muß ich meiner Frau Recht geben, die nur einen Versuch wagte, den Boulevardier rigoros als Männergetränk abgetan hat und sich durch die profunde Beratung des beeindruckenden Barkeepers Vince mit anschliessender Empfehlung für einen vermeintlich subtileren Drink aus der Affaire gezogen hat. Dennoch gestaltete sich der späte Heimweg etwas unsicher, zumindest was die gangliche Fortbewegung betraf. Ich allerdings bleibe FAN und bin froh, dass ich für die heimische Bar zum Michters noch den Bulleit dazubestellt habe. Der Carpano hat nur mit Tonic aufgespritzt zusätzlich Einzug gehalten …. was ein so anregender Artikel alles bewirkt.

  6. Eddy sagt:

    Hallo Peter!

    Ja Mensch – wie kann es bitteschön passieren, dass mir dieser wie immer geschliffene Artikel erst heute, mit knappen drei Monaten Verspätung, unterkommt? Danke in jedem Fall! Eine schöne Lektüre für den Sonntag Nachmittag, die mir vor allem richtig Lust macht, die Beschäftigung mit Cocktails mal wieder zu intensivieren. In letzter Zeit war das Thema mit Ausnahme einiger weniger erfrischender Sours und noch selteneren Sazeracs ziemlich untergegangen. Warum eigentlich?

    Ich meine den Boulevardier sogar einmal ausprobiert zu haben, kann mich an die Erfahrung aber nicht mehr erinnern – aus irgend welchen Gründen habe ich den Drink nicht weiter verfolgt. Für mich schwer verständlich, denn als Manhattan-Liebhaber dürfte er ziemlich genau meinen Geschmack treffen. Im Gegensatz zu Alexander sehe ich nur gerade, dass ich mich nicht gleich heute Abend an’s Ausprobieren machen kann – es ist kein Vermouth im Haus! Den „Spitzenvermouth“ Antica Formula hatte ich zwar oft schon auf der Liste, gekauft hatte ich ihn dann tatsächlich aber noch nie – jetzt ist der Anreiz da, das endlich mal nachzuholen. Den von dir ins Spiel gebrachten Mitcher’s hatte ich auch noch nicht in der Bar stehen, wohl aber den Bulleit Rye. Meist ist hier aber eine Flasche Rittenhouse Rye offen, den ich im Manhattan und im Sazerac besonders mag. Vielleicht auch ein passendes Versuchskaninchen für einen „Dreiteiler-Boulevardier“ mit seiner Fülle und den satten 50% Alkohol?

    Dass du hier verschiedene Varianten des Cocktails präsentierst, gefällt mir besonders. Ich war vor Längerem schon über diese ganz kurze Bauanleitung für sechs verschiedene Manhattans gestolpert, von denen ich auch zwei ausprobiert hatte. Der Sydney Poitier gefiel mir besonders:

    https://www.youtube.com/watch?v=BGTgN-sx_FE

    Sind denn weitere Artikel in der Kategorie Cocktailkultur geplant? Das würde mich sehr freuen!

    Liebe Grüße aus Hamburg,
    Eddy

  7. Peter Hemmer sagt:

    Hallo Eddy,
    ja, der Manhattan ist eigentlich „mein“ Cocktail, weswegen ich auch auf den Boulevardier gekommen bin. Zum Rittenhouse kann ich nicht viel sagen, außer dass er in Cocktails meist recht gut funktioniert, aber ich habe ihn noch nie pur getrunken, immer in Bars im Manhattan oder Sazerac. Man müsste es ausprobieren, wobei ich nicht finde, dass der Alkoholgehalt hilft, es ist die Komplexität, auf die es ankommt und die den Geschmack ausmacht. Und das immer in einer entsprechenden Kombination. Aber das muss ich dir nicht sagen.
    Es ist ja auch so, dass man zu Hause keine sieben oder acht verschiedenen Vermouths und noch mehr Whiskeys standardmässig zeitgleich offen hat wie das in einer Bar der Fall ist. Der Antica Formula ist sehr hochwertig und vielseitig, weshalb ich eben diesen zu Hause habe. Der Punt e Mes gefällt mir im Negroni viel besser, im Manhattan gar nicht. So kommen solche Entscheidungen zustande. Man kanns natürlich auch noch raffinierter machen und mal den Vermouth aufteilen, etwa Cocchi und Antica Formula mischen (gibt einen phantastischen Manhattan) oder auch den Campari mit einem anderen Bitteraperitif mischen… es sind keine Grenzen gesetzt.
    Im Moment gibt es zwei Dinge, die mich beschäftigen: das eine ist der Versuch, Vermouth selber zu machen, ich habe zu diesem Zweck im Frühjahr mehrere verschiedene Artemisia-Kräuter ausgesäht und die sind jetzt zum ernten, mal schauen, ob das was wird und das zweite ist der Greenpoint an dem ich mich versuche und den ich in Bars im Moment probiere, also im Prinzip ein Manhattan mit gelbem Chartreuse. Ich habe wenig Erfahrung mit diesem recht süssen Kräuterlikör und nähere mich da gerade dem Ausbalancieren an. Vielleicht schreibe ich da mal was drüber, wenn es interessiert und anregt?!

    Grüsse zurück – natürlich auch an die anderen „Rückmelder“! Die Kommentare haben mich sehr gefreut!
    Peter

  8. Eddy sagt:

    Hallo Peter,

    und ob das interessiert und anregt! Greenpoint – da klingelt es doch sofort. „Ein Klassiker“, denke ich mir. Schnell in meinen Büchern nachgeschlagen – huch, doch sehr jung, der Drink. Bei Milk & Honey klingelt es wieder. „Regarding Cocktails“ von Sasha Petraske hatte ich schon einmal auf der Liste und werde es mir nun kaufen. Ich bin sehr gespannt auf diesen floraleren, herbalen Manhattan! Und gelben Chartreuse habe ich sogar hier. Ich werde heute Abend einen ersten Versuch starten.

    Ich bin sehr gespannt auf deine ausbalancierten Ergebnisse (und auch auf die ersten Erfahrungen in der Vermouth-Herstellung – klasse!). Viele Grüße,
    Eddy

  9. Eddy sagt:

    Eine schnelle Notiz: ja, meinem ersten Eindruck und persönlichen Geschmack zufolge müsste man den Greenpoint tatsächlich noch etwas ausbalancieren. Mit 6cl Rittenhouse, 1,5cl Chartreuse jaune und 1,5cl Martini Rosso, je zwei Spritzern Angostura und Bitter Truth Orange Bitters und der Zitronenzeste als Garnitur ist er mir im Gesamteindruck etwas zu süß-klebrig am Gaumen. Es entsteht kein rechter Trinkfluss auch wenn ich meine, der dahinter stehenden Idee etwas abgewinnen zu können. Erster spontaner Gedanke: den Chartreuse noch etwas herunterschrauben und auf einen „trockeneren“ sweet Vermouth setzen?

    Klebrige, aber inspirierte Grüße, Eddy

  10. Peter Hemmer sagt:

    Hallo Eddy,

    also ich lasse den Anteil Chartreuse und Vermouth bei 1:1, allerdings ist der Antica Formula auch sehr voll und komplex. Was ich inzwischen mache, ist den Whiskey-Anteil auf 2,5 Teile zu erhöhen und etwas mehr Orange Bitters als Angostura zu nehmen und spritze den Cocktail auch mit einer Orangenzeste ab. Die Orangennote balanciert den Chartreuse recht schön! Aber Ricola sollte man schon mögen… Aber probiere mal den Antica Formula!
    Grüße Peter

  11. Martin sagt:

    Hallo Peter,

    Jetzt weiß ich endlich wie du das mit den langen Hosen meintest. Seit Monaten trinke ich jetzt die 1/3 Methode und die wurde hier und da geschmacklich öfter mal anders. Heute mal wirklich 1,5 teile
    Bulleit rey verwendet und siehe da alles ganz runder ja angenehmer.
    Können wir in näherer Zukunft mal mit einem neun Rezept rechnen ?
    Gruß Martin

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