Bill Frisell Trio | …. gewohnt knapp vor kurz
Vielleicht ist es Ihnen auch schon einige Male so gegangen: das lang erwartete Album ist eingetroffen, Sie wollen sich Zeit und Ruhe nehmen. Am Abend, in angenehmer Umgebung. Drink und Pfeife, respektive Zigarre, stehen bereit, das Licht ist gedämpft. Und dann dämmern Sie hinweg, so wenig aufregend ist die Musik. Gestern Abend dachte ich, mal wieder der unaufgeregte, typische Bill Frisell. Aber – und das kenne ich bei ihm – plötzlich gräbt sich etwas in die Sinne, unbewußt und unterbewußt. Ein, zwei Tonfolgen, Melodiefetzen, ein präziser Schlagzeugakzent, ein Glockenklang von der G-Saite – und Du bist hellwach. Das neue Album vom Gitarristen Bill Frisell im Trio Format ist wieder so eines, das sich einschleicht ins Gemüt.
Bill Frisells Karriere als Gitarrist und Komponist umfasst tatsächlich mehr als 40 Jahre und viele gefeierte Aufnahmen für Labels wie z.b. ECM. Sein Album Harmony aus dem Jahre 2019 war sein Debüt bei Blue Note Records. Frisells Verbindung zu Blue Note aber reicht fast drei Jahrzehnte zurück bis zu seiner Mitwirkung auf John Scofields Album Grace Under Pressure (1992) – und er hat unschätzbare Beiträge zu den Blue Note-Alben von Don Byron (Romance With The Unseen) und Ron Carter (Orfeu), Norah Jones (Come Away With Me) und zahlreichen anderen geleistet.
Und nun erschien gestern sein zweites Album bei Blue Note, Valentine. Ein Werk mit 13 Liedern, das neue und alte Frisell-Originale, Jazz-Standards, traditionelle Lieder und Covers mischt. Valentine erforscht die kreative Freiheit des Trio-Formats und die tiefe Beziehung, die zwischen diesen drei Musikern nach Jahren der Tourneen besteht: Thomas Morgan, Bass und Rudy Royston, Drums, sind auf Frisell eingespielt, sie touren gemeinsam seit über 5 Jahren. Eine praxiserprobte Band, die sich im Studio von ihrer besten Seite zeigt.
Frisell ist einer der lyrischsten Gitarristen im kontemplativen Jazz und ein Grenzgänger (Album Nashville, 2000). Und das genau ist die Grundstimmung auf diesem wunderbaren Album ….. nehmen Sie sich Zeit und seien Sie zu Beginn ein wenig geduldig mit sich selbst, wenn Sie nicht längst ein Bill Frisell Anhänger sind.
https://open.spotify.com/playlist/2GeNGQA5eD2TtTFR75pE1g?si=4a2c33308b2347ef
Gleich das erste Stück, das allseits bekannte House of the rising sun, schafft Gänsehaut …..
Eine wunderbar transparente Trio Aufnahme. Ein räumliches Klangerlebnis erster Güte. Man meint, mitten drin zu sitzen. Bill Frisell ist ein Virtuose, der es nicht mehr nötig hat, seine Virtuosität zu beweisen. Deshalb ist hier ein entspanntes Alterswerk entstanden, wo die einzelnen Töne in ihrer Strahlkraft und Klangfarbe den Vorrang vor technischer Brillanz haben. Die unaufdringlich agierenden Mitstreiter unterstützen den Meister bei diesem Vorhaben. Ein wirklich gelungenes Album.
Wieder mal aus dem „Spinnennetz“ der musikalischen Verbindungen:
Von Bill Frisell und John Scofield war ja schon die Rede.
Während ich bei Brit-ähnlicher Nässe im überdachten Freisitz den Isle of Thanet genieße höre ich Mike Stern, von dem hier noch nicht die Rede war (der übrigens immer auch hervorragende Saxophonisten in seinen Bands hat) und zwar sein Album Play:
https://m.youtube.com/watch?v=DfJOG8ftqCo&list=OLAK5uy_lrzopUZPCMUTsZ1VZLAE4sCbNxVhPBfQY
Und hier kommt die Verknüpfung:
Man achte auf die musikalischen Gäste:
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Play_(Mike_Stern_album)#:~:text=Play%20is%20an%20album%20by,in%201999%20through%20Atlantic%20Records.&text=The%20album%20peaked%20at%20No,s%20Traditional%20Jazz%20Albums%20chart.
Viel Spaß, mir macht das Hören gerade viel Freude.
W.K.
Live ist es nochmal anders…….. oder auch nicht…..
Bei den Leverkusener Jazztagen 2023 also nach John Scofield Bill Frisell mit seinem Trio.
Er betritt die Bühne, mit kurzem Dank an John Scofield (wohl weil der ihn als letztes spielen ließ), und dann geht es, nach minutenlanger Einstellarbeit an seinen „Bodentretern“ los.
Und jetzt lese man bitte das erste Kapitel des oben stehenden Reviews.
Und dies aus dem vorletzten Kapitel dazu:
„….. erforscht die kreative Freiheit des Trio-Formats und die tiefe Beziehung, die zwischen diesen drei Musikern nach Jahren der Tourneen besteht: Thomas Morgan, Bass und Rudy Royston, Drums, sind auf Frisell eingespielt, sie touren gemeinsam seit über 5 Jahren.“
Das zusammen beschreibt genau was im Konzert passierte (leider ist wieder der Filmmittschitt des. WDR nicht mehr aufrufbar).
Hier war es kein extrovertiertes Musizieren wie bei Scofield, sondern ein introvertiertes, eigentlich nur auf „das Innere“ des Trios bezogen.
Frisell setzte dabei immer wieder Synthesizer ein und spielte gerade eingespielte Phrasen per Looper ab, über die er dann improvisiert.
Fast entstand der Eindruck einer „Musiksekte“ die ganz in ihrem inneren Zirkel bleiben will.
Erst am Schluss gab es nochmal Zuwendung zu Publikum um für den Applaus zu danken.
https://www1.wdr.de/fernsehen/rockpalast/events/besetzung-setlist-bill-frisell-trio-100.html
https://www1.wdr.de/fernsehen/rockpalast/events/bill-frisell-trio-leverkusener-jazztage-dreiundzwanzig-100.html
W.K.