Pesse Canoe Latakia 20 – das Bessere ist …..
Aristophanes wollte keine Eulen nach Athen tragen, da es dorten um 414 v.Chr. genügend dieser Vögel und damit ausreichend Weisheit gegeben hatte. Das lassen wir jetzt mal so stehen, allerdings möchte ich im Lichte dieser deutschen Redewendung trotzdem erwähnen, daß eine Anzahl, Menge oder sonst wie geartete Größe von 40 prinzipiell mehr ist als 20. Sollte man meinen, müßte eigentlich auch nicht hervorgehoben werden, wie eben diese ominösen Athener Eulen als Mitbringsel.
Nun beweist aber ein kleinasiatischer Tabakhersteller, daß 20 sehr wohl mehr sein kann als 40. Und keineswegs nur theoretisch, sondern geschmacklich nachweisbar. Wer`s wieder mal nicht glaubt, kann aufhören, weiter zu lesen und im Alltag von Kohorten anderer Tabake verharren.
Wie bereits erwähnt, sind Kopp Tobaccos (auch ohne Athener Eule, aber mit erkennbarer Weisheit) eine Partnerschaft mit dem türkischen Tabakproduzenten Gladora eingegangen. Was ausgeprägt feinsinnigen Takakenthusiasten zu einigen sensorischen Höhenflügen verhilft. Von den zunächst 3 Tabaken der Pesse Canoe Flake Reihe sind hier im pfeifenblog.de bereits der Oriental Flake und der Latakia 40 Flake beschrieben. Ein weiterer Flake, der Latakia 20, stand noch aus.
Einige tobacconistische Mitstreiter vermuteten mit mir, es handele sich einfach um die abgespeckte Version des Latakia 40, also um eine mit um die Hälfte verringerten Latakiaanteil. Und da lande ich doch wieder bei den Athener Eulen, denn diese Annahme war grundfalsch.
Um es vorwegzunehmen: war der Latakia Flake 40 schon ein in jeder Hinsicht außergewöhnlicher „Schmackofatz“, so setzt der 20er noch ein paar Lagen Wohlgeschmack und Bekömmlichkeit obenauf. Letzteres nicht nur, weil er im gut sortierten deutschen Fachhandel problemlos verfügbar ist.
Über die schöne Verpackung in einer (zwar nicht langzeitlagerfähigen) Scharnierdeckeldose haben wir uns bereits ausgelassen, sie ist für alle 3 Flakes gleich und unterscheidet sich nur durch die Bedruckung. Auch ist der Schnitt der Flakescheiben identisch. Die wichtige Empfehlung für eine sorgfältige Vorbereitung der Füllung gilt auch beim 20er.
[ZITAT] Die Flakescheiben liegen ordentlich angeordnet und gleichmäßig dick geschnitten in der Dose, wenn auch die Stärke der Flakescheiben geringfügig höher ist als z.B. beim Duhill Flake. Die Kondition ist perfekt. Allerdings empfehle ich, ausnahmsweise auf die Befüllung der Pfeife mittels Knick&Falt wegen der Scheibenstärke zu verzichten. Optimal glimmt der Tabak erst dann, wenn er sehr fein geschnitten und ebenso sehr sorgfältig aufgerebelt wird.[ZITATENDE]
Das Tabakbild ist zum 40er sehr ähnlich und erscheint lediglich ein wenig heller. Das war es dann mit den Gemeinsamkeiten, wenn man von den Komponenten absieht. Und damit beginnt das kleine osmanische Mysterium. Denn wie ein Flake nur durch Veränderung der Anteile in der Mischung zu etwas gänzlich anderem geraten kann, ist erstaunlich. Schlichtweg gelungen, so daß mir der 20er wesentlich mehr taugt als der vermeintlich größere Bruder.
Es ist für uns eine völlig neue (alte!) Latakia-Art, dieser Yayladağ-Tabak, der nach Räucherung als authentischer türkischer Latakia entsteht. Vermutlich ist er die türkische Variante der syrischen Latakia-Sorte Shek el Bint, die seinerzeit in vielen Mischungen sogar ungeräuchert verwendet wurde. Der Latakia von Gladora wird seit den 1930er Jahren aus der ägäischen Sorte Izmir hergestellt und unterscheidet sich somit von der „zypriotischen“ und syrischen Sorte. Es gibt zahlreiche lokale Einflußfaktoren, wie z.B. die (See-) Luft, das verwendete Räucherholz und natürlich die Pflanze selbst. Am Rande interessant, dass Yayladağ ein Ort an der gleichen antiochenischen Küste ist, an der auch die syrische Stadt Latakia liegt und dass dieses Gebiet jahrhundertelang zum osmanischen Syrien und nicht zur Türkei gehörte, heute aber der südlichste Teil des Landes ist.
Also: fein geschnitten und ein wenig zerrieben, sodann für ein, zwei Stunden auf einem Küchenpapier ausgebreitet. So ist er optimal vorbereitet, um in eine 1977er Former Rhodesian gefüllt zu werden. Obenauf habe ich ganz, ganz feine Brösel „gelegt“, die das Zünden einfacher machen.
Von Anfang an steht eine blumige Milde im Vordergrund, sehr cremig. Der Latakia stützt die Orientals und überlagert sie nicht. Ist das wirklich ein Latakia Flake? Natürlich, aber so sanft, wie ich es bisher nicht angetroffen habe. Trotzdem verfügt er über eine Fülle, die den türkischen Virginia und die türkischen Orientals in den Vordergrund stellen. Der Latakia rundet ab durch eine leichte Rauhheit, die im Gegensatz zum 40er nicht gleichberechtigt aufspielt, sondern begleitet. Sie ist das i-Tüpfelchen auf dieser Komposition. Haarscharf, bevor sie zu lieblich werden würde. Süffig ist wohl ein treffender Eindruck, ganz leicht zitrisch, nur wenig Pfeffer, alles gestützt durch einen komplexen Rauch. Niemals wird der Tabak spitz oder bissig.
Ein kühles Rauchvergnügen vom Anfang bis zum Ende. Ich denke, auch Raucher, die wenig mit Latakia anfangen können, sollten diesen 20er Flake unbedingt probieren.
FAZIT: Die Vielfalt der Aromen, die der Latakia 20 Flake bietet, ist gleichsam wie beim 40er faszinierend. Die Kombination aus süßem Virginia, würzigen orientalischen Noten und dem einzigartigen türkischen Latakia verleiht dem Tabak eine unverwechselbare und originelle Geschmacksrichtung. Durch eine rauchige Qualität mit einem Hauch von Trockenfrüchten und Pflaumen schafft der 20er seine besondere Note. Gladora wiederbelebt seine traditionellen Rezepturen aus den 1930er Jahren wie des Yayladağ (Latakia Flake, YD) und das trägt sicherlich zur Authentizität und Qualität der Gladora-Mischungen bei. Die historischen und geografischen Hintergründe der Mischungen fügen eine zusätzliche Dimension hinzu und machen das Erlebnis noch interessanter. Natürlich nur für den Raucher, der sich gerne ein umfassendes Bild über sein „Genußmittel“ bereiten will. Die Tatsache, dass der türkische Latakia aus der ägäischen Sorte Izmir stammt, einen eigenen und unverwechselbaren Charakter hat im Vergleich zum früheren syrischen und dem heute zypriotisch genannten, macht ihn zu einer einzigartigen Ergänzung meiner persönlichen Latakia Riege.
Pesse Canoe
Turkish Oriental Pipe Tobacco
Latakia Flake 20
Hersteller: Gladora, Türkei
Importeur: Kopp Tobaccos, Deutschland
Kleine Scharnier-Rechteckdose 50g – ohne Vakuum – 13,40€
alle abgebildeten Pfeifen im Besitz des Autors
Pfeifenmacher: Former (Hans Nielsen)
- Rhodesian Freehand 1977
- Bulldog 1983
Herzlichen Dank für dieses umfangreiche, ausführliche Review!
Jetzt treibt mich doch die Neugier die beiden Latakia Flakes früher zu öffnen als geplant (ob der zu vielen geöffneten Dosen bei mir).
Zwei Anmerkungen:
1. Zitat oben: „… weil er im gut sortierten deutschen Fachhandel problemlos verfügbar ist“.
Verfügbar schon, aber nicht immer problemlos zu haben.
Mir wurde in einem renommierten Fachgeschäft fast schon nahegelegt mir die Schubladen zu merken in denen der Tabak aufbewahrt wird, da „das Personal nicht immer alles wissen könne“.🙄
Sollte sich jemand echauffieren, dass es von den beiden Mitautoren zu diesem Tabak kein Statement gibt ( was ja überhaupt nicht notwendig ist),
von Peter Hemmer gibt es bereits eines in den Kommentaren zum Latakia Flake 40. 👋
Heute noch mit einer anderen Latakia Mischung beschäftigt, gehen demnächst die beiden Pesse Canoe Latakia Flakes auf (diese Namen seien für Fachgeschäftsbarbeiter auch schwer zu merken……)😳
Ich bin gespannt!
Lagerort im FH-Shop und Namen des Tabaks merken? Gute Idee dieses Händlers, gewährt er dann auch einen entsprechenden Rabatt oder interessante Dreingaben? Schließlich spart er ja immens an Gehältern, wenn er keine Fachkräfte beschäfttigt. Für den Kunden ist es natürlich ärgerlich, da er sich mit Dilettanten abgeben muß. Aber zum Glück gibt es in Düsseldorf, Köln, München, Verona, Bologna, Wien und Kopenhagen nicht nur einen Händler. Gaborone in Botswana scheidet aus, wegen der allgegenwärtigen Elefantengefahr
Die Dreingabe war der Satz: „Das sind unsere 500€ Kräfte, das ist eben so.“
Als ob man die nicht einweisen könnte.
Wo kein Wille ist, da ……
Das Bessere ist …………anderswo…..
Um das mit Wortspielchen abzuschließen.
Übrigens, wen es interessiert, das Vorspiel des ganzen ist in meinem ersten Kommentar zum Pesse Canoe oriental beschrieben.
Jetzt damit endgültig genug.
Oh Sihdi einen solchen Tabak habe ich noch nie geraucht!“ sagte Hadschi Halef Omar als er aus Kara Ben Nemsis Tabakdose probieren durfte.
(Frei zitiert aus der Erinnerung an jugendliche Karl May Lesezeit)
Dieses Zitat ist allerdings auf alle bisher erhältlichen Gladora Flakes anwendbar!
Nun ging bei mir „…..der Feind des Guten“ auf, um das Zitat aus der Titelzeile des so wunderbar aufschlussreichen obigen Reviews zu vollenden.
Der Pesse Canoe Latakia 20.
Meine erste Geruchsassoziation beim Riechen an der frisch geöffneten Dose ist irgendwie einfacher Lebkuchen ( nicht Elisen-L.) und leichte Süße.
Ein Hauch von Rauchigkeit und Latakia kommt erst nach Entnehmen einer Flakescheibe und deren „Aufarbeitung“ wie empfohlen.
Aber erstens nur aus dem Hintergrund den Geruch der Virginias und Orientals nur abrundend und zweitens: was für ein Latakia-Duft. Völlig anders als bei gängigen englischen Mischungen.
Bodo hat ja oben und in den anderen Gladora Reviews eindrücklich beschrieben, warum diese Gladora-Tabake so anders sind.
Nach 3-4 Stunden Trocknung dann rein in die Pfeife mit dem 20er.
Der Pesse Canoe Latakia 40 unterscheidet sich ja, was das Mischungsverhältnis der Grundtabake betrifft, nicht sehr von vielen herkömmlichen englischen Mischungen, nur eben mit völlig anderem Geschmack dieser türkischen Tabake.
Den Unterschied des Latakia 20 zum Latakia 40 hat Bodo oben im Review so trefflich beschrieben, das braucht keine Ergänzung.
Für mich besonders ist, dass ich jetzt innerhalb weniger Tage zwei völlig gegensätzliche Latakia-Erlebnisse hatte. Besonders aufgrund der exzellenten Qualität der jeweiligen, sehr unterschiedlichen Grundtabake und der Kunst der jeweiligen Blender.
Auf der einen Seite der Pesse Canoe Latakia 20, bei dem der türkische Latakia nur ganz dezent, mit „leichter Rauheit“ wie Bodo schreibt, die Orientals und Virginia stützt.
Auf der anderen Seite der Odyssey von GL Pease, bei dem die Orientals und Virginias nur ganz dezent die großartige Rauchigkeit des cypriotischen Latakia stützen.
Spannend im Vergleich und wunderbare Rauchvergnügen.
„Früher war alles besser“ überlassen wir mal vereinzelt nostalgischen Rückfällen und Erinnerungslücken.
Unbedingt besser als früher natürlich auch, dass diese Tabake, zwar mit manchem Lieferengpass, nicht mehr kompliziert aus dem Ausland erworben werden müssen.
Ich hänge hier mal ein Bild des großartigen Fotografen Thomas Höpker, das er einst in China machte, an.
Entspanntes Rauchvergnügen kann man kaum besser festhalten:
http://ic.pics.livejournal.com/visual_archive/77503764/839056/839056_original.jpg
Hoffnung keimt auf für die diejenigen, die sich aufgrund gelebter Erfahrung zu Liebhabern der Gladora Tabake entwickelt haben – wie ich! Aus zuverlässiger Quelle haben wir erfahren, das der Lieferengpass Ende Juli beseitigt ist und der gut sortierte Fachhandel ab da wieder liefern kann.
Wer nun -ebenfalls wieder ich – größere Lagerbestände aufbauen will 🙂 , sollte unbedingt auf das in allen drei Reviews hingewiesene fehlende Vakuum der Dosen beachten und in Schraubdeckelgläser oder was auch immer umverpacken.