Aaron Parks – nur kein Ballast
Ballast – in der Schiffahrt und z.b. bei Regattaseglern – ist ein wichtiges, technisch vielfach entscheidendes Hilfsmittel, im „restlichen“ Leben aber ein negativ besetzter Begriff. Von Ballast befreit man sich, Ballast wird tunlichst vermieden. Ballast will kein Mensch mit sich herumschleppen. Fehlender Ballast ist das wesentliche Merkmal der Musik des amerikanischen Jazz Pianisten und Multiinstrumentalisten Aaron Parks. Es ist gewissermaßen eine neue Musik, mit der Parks und seine Band seit einigen Jahren die Kultivierung einer Musiksprache fortsetzt, die kreativ improvisierte Musik mit Melodien verbindet, die sich immer um einen Groove als Zentrum bewegen. Es ist ein sehr erstaunlicher Groove, um den sich romantische Melodien und innovative, multiple Rhythmen gruppieren. Die Musiker sind nicht nur perfekte Instrumentalisten, sie verstehen sich symbiotisch. Einfach faszinierend.
Eine gewisse Ähnlichkeit zum frühen Pat Metheny macht sich zu Beginn vermeintlich, das liegt wohl am ausgezeichneten Gitarristen Greg Tuohey, aber sobald man den Zugang zur Band gefunden hat, verflüchtigt sich dieser Eindruck sofort und die Eigenständigkeit der Darbietungen beweist sich von Note zu Note, von Ton zu Ton.
Während „das Maß aller Dinge“ im zeitgenössischen Piano Jazz, Keith Jarrett, gigantische Improvisationen streng mathematisch entwickelt, deren Zentrum im Laufe des Vortrags fließen kann, Brad Mehldau und Marcus Roberts ihren Jazz schlichtweg klassisch spielen und Herbie Hancock durch zahlreiche Ausflüge in Popgefilde kaum mehr richtig bestimmbar ist, hat sich Aaron Parks gänzlich anders entwickelt: Indie-Rock, Hip-Hop, Elektro Jazz und Psychedelia – aber ohne eine Spur angestrengt bemühter Hinwendung zum „Fusion-Jazz“, alles wirkt aus einem Guß und die vielfachen Stile integrieren sich vollkommen in das Gesamtkonzept der Kompositionen. Ich beobachte seine Veröffentlichungen seit einigen Jahren. Das am 08. Mai 2020 erschienene neue Album Dreams of a Mechanical Man ist wieder “ eins draufgesetzt“ zum 2018er Little Big und rundum wunderschön, romantisch und doch aufregend gelungen.
Das Einfache kompliziert zu machen ist gang und gäbe. Das Komplizierte einfach, unglaublich einfach zu machen, das ist Kreativität.
Charles Mingus, legendärer, einflußreicher Bassist, Komponist
Line up
Aaron Parks
piano, synthesizers, Wurlitzer, Rhodes, celeste, vibraphone, glockenspiel, chimes, voice
Greg Tuohey – guitar
David Ginyard, Jr – bass
Tommy Crane – drums, percussion
Viel gäbe es zu bemerken bei der Durchsicht der Alben des Monats.
Ähnlich eines Spinnennetzes ergeben sich Verbindungen hier vorgestellter Musiker, die manchmal nur zu erkennen sind, wenn man sich Besetzungen einzelner Projekte anschaut, häufig sind sie aber auch offensichtlich.
Da wäre z.B. der hier vorgestellte Aaron Parks im Quartett James Farm mit dem mehrfach vorgestellten Joshua Redman
https://www.youtube.com/watch?v=AokCirClNt4&list=PLWfB7VeEXCukFv0XLbLJeQAGCw0uDGGKZ
In diesem Quartett wiederum der famose Drummer Eric Harland, den man bei Charles Lloyd wiederfindet:
https://pfeifenblog.de/charles-lloyd-tone-poem-t-mit-82/
Dort wiederum Bill Frisell
https://pfeifenblog.de/bill-frisell-trio-gewohnt-knapp-vor-kurz/
Und so weiter …….
Mehrere Pfeifen und Abende lang könnte man solche Verbindungen aufspüren und die Ergebnisse anhören ohne dass es langweilig würde.
Viel Vergnügen denen, die so etwas mögen.
W.K.
Danke Winfried, für diese Anmerkungen. So soll es sein und der Hörer sich auf diesem „Spinnennetz“ fliessend bewegen – wenn er Muße hat.