Leseliste

Als notorischer und leidenschaftlicher Frühaufsteher bin ich überzeugt davon, mehr vom Leben zu haben, als manch anderer Zeitgenosse. Zumal diese tägliche Routine einhergeht mit einem gleichsam langen Tag. Mitternacht sieht mich stets mit einem späten „nach Null Uhr“ Espresso und das letzte Buch des Tages nimmt mich dann auch noch eine gute halbe Stunde in Beschlag. Dieses lebenslange Gleichmaß hat zu einer inneren Uhr geführt, die den Tagesrhythmus bestimmt. Obwohl ich Uhren liebe und immer wieder von deren Mechanik fasziniert bin, bräuchte ich sie nicht.

Seit ich mich vor geraumer Zeit, nun im 8. Lebensjahrzehnt, in weiten Teilen geschäftlich zurückgenommen habe, bin ich endlich ganz „Herr meiner Zeit“. Abgesehen von einigen familiären Aufgaben – vorrangig strategischer Natur – kann ich mich ungestört der (gedruckten) Literatur und der Musik hingeben. Vom Frühjahr bis zum Spätherbst unterbrochen nur durch den Wind, der mich zu anderer Beschäftigung hin zu „meinen“ zwei Seen oder aufs Meer treibt.

Im vergangenen halben Jahr hat sich wieder einiges in meiner Leseliste angesammelt. Was mir besonders ansprechend, anregend oder vielleicht sogar als wichtiges Wissen erscheint, zeige ich in diesem Artikel in unregelmäßigen Abständen auf. Ich beginne mit dem abgelaufenen Jahr 2020.

 

2020, 2. Semester – gelesen oder wieder einmal gelesen

Alex Anfang

BuchtitelAutorKurztextLink
LalalalFalladasuperKiwi-verlag.de

Alex Ende

 

W. Somerset Maugham

Er gilt als meistgelesener britischer Autor im 20. Jahrhundert, schreibt in einer kultivierten Sprache und zählt für mich zur wahrhaft „schöngeistigen“ Literatur. Egal ob Gesellschaften beschrieben werden, ob sich allmählich eine Kriminalgeschichte entwickelt (Oben in der Villa) oder ob man in seinen Romanen, seinen Kurzgeschichten, in die Südsee oder an den „Sehnsuchts-Mediterran“ entschwindet, immer stellt sich ein vergnügliches Leseerlebnis ein. Ein Geschichtenerzähler – kurzweilig, spanned, anregend.

 

 

 

Oben in der Villa

Mrs. Mary Panton residiert seit dem Tod ihres Mannes in einer Villa in den Hügeln über Florenz, wo sie sich die Zeit damit vertreibt, über ihre unglückliche Ehe zu sinnieren und ihre Wünsche und ihr Begehren hinter den dicken Mauern des Anwesens zu verbergen. Doch eines schönen, gewohnt langweiligen Tages bekommt sie es mit gleich drei heiratswütigen Männern zu tun. Der erste, ein Freund aus Kindertagen, ist ihr zu sehr Gentleman, der zweite zu sehr das Gegenteil davon und der dritte, ein überaus untalentierter Violinist, ist leider oder zu ihrem Glück recht bald tot. Leichte, nicht seichte Kost, ein Martini oder ein Negroni vertieft noch das Vergnügen

 

WS Maugham: Weil ein ganzes Leben nicht ausreicht, um gut schreiben zu lernen, habe ich wenig Neigung verspürt, für andere Dinge Zeit zu opfern

 


 

 

 

Stefan Zweig

Die Schachnovelle, Ungeduld des Herzens und die Sternstunden der Menschheit kennen wohl die meisten Leser, dennoch sind seine übrigen Erzählungen und Romane häufig Schwergewichte aus grauenvoller Zeit. Der Wiener Zweig gehört zu den Autoren, die unter den nicht wirklich treffenden Begriff der Exilliteratur zu rechnen ist. Heimatlos, ruhelos und müde vom jahrelangen Exilantenleben, schied er 1942 in Brasilien durch Freitod aus dem Leben. Mit in den Tod folge ihm seine zweite Frau Charlotte.

Magellan

Der portugiesische Entdecker und erste Weltumsegler war ein wagemutiger Mann und unbezwingbarer Charakter. Sein abenteuerliches Leben und das tragische Ende beschreibt der Autor 1938 auf seine unnachahmliche Art, kenntnisreich, emotional und mit schöner Sprache. Magellan, eine Romanbiografie aus der Zeit der spanischen Konquistadoren, liest sich wie ein Krimi, in dem die Weltmeere eine der Hauptrollen einnehmen.


 

Marco Balzano,

geboren 1978 in Mailand, ist zurzeit einer der erfolgreichsten italienischen Autoren. Er schreibt, seit er denken kann: Gedichte und Essays, Erzählungen und Romane. Neben dem Schreiben arbeitet er als Lehrer für Literatur an einem Mailänder Gymnasium. Mit seinem letzten Roman, ›Das Leben wartet nicht‹, gewann er den Premio Campiello, mit ›Ich bleibe hier‹ war er nominiert für den Premio Strega.

Foto: Geri Krischker / Diogenes Verlag

Das Leben wartet nicht

Ninetto war noch ein Kind, als er allein von Sizilien nach Mailand kam, um Arbeit zu suchen. Ein furchtloser Junge mit der Sonne des Südens im Herzen. Obwohl er noch zu klein war für das Fahrrad, fand er sogleich eine Anstellung als Bote. Heute, über fünfzig Jahre später, erkennt sich Ninetto in den Neuankömmlingen aus China und Nordafrika wieder. Sie haben dieselben Träume wie er damals. Und setzen alles daran, sie zu verwirklichen.

Ich bleibe hier

Ein idyllisches Bergdorf in Südtirol – doch die Zeiten sind hart. Von 1939 bis 1943 werden die Leute vor die Wahl gestellt: entweder nach Deutschland auszuwandern oder als Bürger zweiter Klasse in Italien zu bleiben. Trina entscheidet sich für ihr Dorf, ihr Zuhause. Als die Faschisten ihr verbieten, als Lehrerin tätig zu sein, unterrichtet sie heimlich in Kellern und Scheunen. Und als ein Energiekonzern für einen Stausee Felder und Häuser überfluten will, leistet sie Widerstand – mit Leib und Seele. Wenn auch vergeblich. Südtirol-Reisende kennen die Ansicht des versunkenenen Dorfes im Reschensee, die auch als Titelbild zu sehen ist.


 

Jens Malte Fischer

geboren 1943 in Salzburg, war von 1989 bis 2009 Professor für Theaterwissenschaft an der Universität München. Seine vielfältigen Veröffentlichungen über Musik und Literatur, über Theater und Film, wie auch seine Tätigkeit als Kritiker und Rezensent des Merkur, der NZZ und der Süddeutschen Zeitung haben ihn zu einem der interessantesten Kulturpublizisten der Gegenwart gemacht. Seine vielgerühmte große Biographie „Gustav Mahler. Der fremde Vertraute“ (2003) und „Vom Wunderwerk der Oper“ (2007) gehören zu den bekanntesten seiner vielen musikhistorischen Veröffentlichungen.

Foto: privat

 

 

Karl Kraus – der Widersprecher

In einer Zeit, in der eine unübersehbare, täglich steigende Zahl von Schwachmaten die Bühnen und Studios von Fernsehen, Radio und Internet erobern und sich frech und überheblich Satiriker oder Comedians nennen, und, wenn es geringer peinlich wird, gerade mal so auf heute-Show Niveau herumalbern, war es dringend notwendig, den „fackelnden“ Karl Kraus (1874-1936) wieder neu zu beleuchten. Und das macht Fischer mit der mit dem Bayerischen Buchpreis 2020 ausgezeicneten Biografie. Kraus`glühende Anhänger hielten ihn für Gott, andere wiederum sahen in ihm den Beelzebub. Aber viel mehr ist heute kaum bekannt. Der Widersprecher wird das hoffentlich ändern. Eine der Biografen, die von des Autors lebenslanger Beschäftigung mit dem Satiriker kündet (Fischer wurde 1972 mit einer Arbeit über Karl Kraus promoviert) und die trotz des Umfangs von über 1000 Seiten immer spannend und erhellend bleibt. Danach unbedingt lesen: Die Letzten Tage der Menschheit und die Dritte Walpurgisnacht .


 

Martín Caparrós

1957 in Buenos Aires geboren, ist einer der bedeutendsten politischen Journalisten, Schriftsteller und Essayisten der spanischsprachigen Welt. Martin Caparros wurde 1957 in Argentinien geboren. Zwischen 1976 und 1983 lebte er im Exil, zunächst in Paris, wo er an der Sorbonne Geschichte studierte, dann in Madrid. Er kehrte nach Buenos Aires zurück, wo er heute als Schriftsteller und Journalist arbeitet.

(Foto: Hector Guerrero/AFP)

 

 

Väterland

Die 1930er Jahre in Argentinien, Militärputsch. Scheindemokratie, Konservative und dumpfe Reaktionäre haben die volksferne Macht. Der rätselhafte Tod einer Politiker­tochter, eine mächtige Clique rücksichtsloser Patrioten und eine Stadt unter Hochspannung: Ein atmosphärischer, spannender Roman aus dem flirrenden Buenos Aires der dreißiger Jahre – mit einem sympathischen Antihelden, der noch einiges lernen muss. Der Autor lässt das Buenos Aires der dreißiger Jahre lebendig werden: halbseidene Bars, verqualmte Zeitungsredaktionen, skurrile Nebenfiguren, Dichtercafés, faschistische Aufmärsche, dampfende Schlachthöfe – ein Tango am Abgrund.

 

 

Die Ewigen

Juan Domingo Remondo, genannt Nito, erblickt genau an jenem Tag das Licht der Welt, an dem sich ganz Argentinien nur für eines interessiert: den Tod seines Namensvetters Juan Domingo Perón. Ein bloßer Zufall? Als Nito herausfindet, dass sein verschwunden geglaubter Vater bei einem Autounfall starb, sinnt er auf Rache. Er schreibt dem verantwortlichen Fahrer einen anonymen Brief – und erläutert ihm darin, wann und auf welche Weise er ums Leben kommen wird. Ein einzigartiges Talent zeigt sich: Nito kann vom Sterben erzählen wie kein Zweiter. Seine Fähigkeit bleibt nicht lange unentdeckt. Wieder spannend erzählt und mit zahlreichen Blickwendungen auf einen weitverbreiteten Opportunismus, der schräge politische Systeme am Leben hält.

 

Valfierno – die sechs Gesichter der Gioconda

Mit seinem Leben als Sohn einer einfachen Hausangestellten in Argentinien will sich Juan Maria Perrone nicht zufrieden geben. Als er einen französischen Gemäldekopisten kennen lernt, kommt ihm die Idee, sich völlig neu zu erfinden. In der Gestalt des Marquis de Valfierno mischt er sich unter die feine Gesellschaft der Belle Epoque und verkauft Kopien des begabten Fälschers als Originale, um schließlich seinen spektakulärsten Coup zu planen: Leonardo da Vincis Mona Lisa aus dem Louvre zu stehlen …


 

Jill Lepore

ist Professorin für amerikanische Geschichte an der Harvard Universität und Staff writer des Magazins „The New Yorker“. Sie hat mehr als ein halbes Dutzend Preise für ihre Bücher erhalten und war Finalistin für den National Book Award und den Pulitzer-Preis. Ihr Opus magnum „Diese Wahrheiten“ stand wochenlang auf den amerikanischen Bestsellerlisten.

Fotos: Stephanie Mitchell/Harvard Staff

 

Diese Wahrheiten

Die Amerikaner stammen von Eroberern und Eroberten ab, von Menschen die als Sklaven gehalten wurden, und von Menschen die Sklaven hielten, von der Union und von der Konföderation, von Protestanten und von Juden, von Muslimen und von Katholiken. In der amerikanischen Geschichte ist manchmal – wie in fast allen Nationalgeschichten – der Schurke des einen der Held des anderen. Aber dieses Argument bezieht sich auf die Fragen der Ideologie: Die Vereinigten Staaten sind auf Basis eines Grundbestands von Ideen und Vorstellungen gegründet worden, aber die Amerikaner sind inzwischen so gespalten, dass sie sich nicht mehr darin einig sind, wenn sie es denn jemals waren, welche Ideen und Vorstellungen das sind und waren. Die jüngsten Ereignisse um den Aufruf zum Aufruhr durch den abgewählten Präsidenten Trump werden nicht überraschen, wenn man Diese Wahrheiten gelesen hat.


Heiko Holste

promovierter Jurist und Verfassungshistoriker, ist in leitender Funktion im Bundespräsidialamt tätig.

Foto: Thomas Imo/photothek.net

Warum Weimar?

Weimar – die Stadt, in der 1919 die Verfassungsgebende Nationalversammlung tagte, ist zu dem Synonym für die Jahre 1918 bis 1933 geworden und als politischer Erinnerungsort in das kollektive Gedächtnis der Deutschen eingegangen. Doch warum wurde die erste deutsche Republik ausgerechnet in einer Kleinstadt in Thüringen gegründet? Auf der Grundlage zahlreicher Quellen zeichnet Heiko Holste die abenteuerliche Suche nach einem Geburtsort für Deutschlands erste Republik nach und räumt mit zählebigen Legenden auf: Der Grund für den Fortgang aus Berlin war nicht etwa revolutionäre Unruhe in der Hauptstadt, sondern eine »Los-von-Berlin!«-Stimmung im Reich, die Deutschland an den Rand des Zerfalls brachte.


Michael Sommer

einer der führenden Spezialisten für den östlichen Mittelmeerraum, hat Alte Geschichte, Klassische Philologie, Wissenschaftliche Politik, Neuere und Neueste Geschichte sowie Vorderasiatische Archäologie an den Universitäten Freiburg im Breisgau, Basel, Bremen und Perugia studiert. Zu seinen Forschungsthemen gehören die Wirtschafts-, Sozial-, Mentalitäts- und Institutionengeschichte des römischen Kaiserreichs sowie, epochenübergreifend, die Geschichte der Levante. Damit ist er ausgewiesener Experte für die Geschichte von Palmyra.

Palmyra – Biografie einer verlorenen Stadt

Als Karawanenstadt an der Handelsroute zwischen östlichem Mittelmeer und dem Arabischen Meer gelegen, nahm das syrische Palmyra während seiner Blütezeit vom 1. bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. eine überragende politische und kulturelle Stellung ein. Dann verlor die Stadt an Bedeutung und geriet schließlich fast in Vergessenheit, bis sie im 17. Jahrhundert von einem italienischen Reisenden wiederentdeckt wurde. Schon im 18. Jahrhundert waren die Ruinen von Palmyra zu einem der am häufigsten gemalten Motive des Nahen Ostens geworden. Bis heute begeistert die Wüstenstadt Geschichtsinteressierte und Wissenschaftler gleichermaßen. Die geistlosen irren Terroristen des sogenannten „IS“ haben Palmyra in weiten Teilen zerstört, eine unfassbare Barbarei.

Der IS hatte Palmyra bereits von Mai 2015 bis März 2016 beherrscht. In dieser Zeit zerstörten sie die beiden größten Tempel im Ort: den Baalschamin-Tempel und den Baal-Tempel. Zudem sprengten sie das Hadrianstor. Khalesd Assad, der Chef-Archäologe von Palmyra, wurde von den Terroristen enthauptet. Der Ort zählt zum Unesco-Weltkulturerbe.

Wer sich zum Thema vertiefen möchte, dem sei die Akademische Arbeit Palmyra und der IS. Chronologie einer Tragödie von Katja Aksenenka empfohlen.

VR Präsentation ZDF Mediathek – digitale Rekonstruktion von Palmyra


Geoffrey Parker

Geoffrey Parker ist einer der renommiertesten Altmeister zur Geschichte der Frühen Neuzeit. Er lehrte in Cambridge, dann in den USA an der Yale University und der Ohio State University. Für seine Forschungen wurden Parker zahlreiche wissenschaftliche Ehrungen und Mitgliedschaften zugesprochen: Er ist Fellow der British Academy, Mitglied der Real Academia de la Historia, der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften und Mitglied des Ordens von Alfonso X. Im Jahr 2012 gewann er den A.H.-Heineken-Preis für Geschichte, der alle zwei Jahre dem Wissenschaftler verliehen wird, der als einflussreichster Vertreter seines Fachs gilt.

Der Kaiser

Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und König von Spanien. In seinem Reich ging die Sonne niemals unter und kein Fürst vor oder nach ihm trug je wieder so viele Titel: Kaiser Karl V. war ein Herrscher der Superlative. Der Autor zeichnet in seinem Sachbuch mit umfangreichen Quellenmaterial das Leben und Wirken des Habsburger Kaisers und Luthers Gegenspielers nach. Von seiner Umgebung wurde er teils verehrt, teils zum unglücklichsten Herrscher seiner Zeit erklärt: während er bei öffentlichen Auftritten die Zuhörer in seinen Bann zog, konnte Karl V. sich seiner eigenen Familie gegenüber entsetzlich rücksichtslos verhalten. Eine umfassende und spannend erzählte Biografie, die ein eindrückliches Bild von den politischen Geschehnissen im Europa des 16. Jahrhunderts zeichnet. Liest sich bei aller Sachthemen-Vermittlung fast wie ein Roman.

Interview mit Geoffrey Parker zu Karl IV.


Frank Göse

lehrt Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Potsdam. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Brandenburgische Landesgeschichte der Frühen Neuzeit, Geschichte des frühneuzeitlichen Adels sowie Militärgeschichte. 2012 erschien von ihm die Biographie des Vaters des Soldatenkönigs „Friedrich I., Ein König in Preußen“. Frank Göse gehört zu den besten Spezialisten für die frühneuzeitliche preußische Geschichte.

© Foto: MZV/Euent

Friedrich Wilhelm I. von Preußen

König Friedrich Wilhelm I. (1688-1740), Wegbereiter für Preußens Vormachtstellung, war bereits zu Lebzeiten eine höchst kontroverse Herrscherfigur. Anders als sein Sohn Friedrich der Große, der ein begnadeter Fachmann in Sachen Selbstinszenierung war, oder sein Großvater, dem »Großen Kurfürsten«, nach dem er benannt ist, wurde er von Anfang an ambivalent beurteilt. Als Vater trat er despotisch auf und beschwor innerhalb der Familie schlimme Zerwürfnisse herauf. Als Herrscher ordnete er seinen »lieben blauen Kindern«, den Soldaten seines Königsregiments, alles unter. Mit cholerischen Charakterzügen, Geiz und Misstrauen ausgestattet weckte er beim Adel Ablehnung. Gleichzeitig stellten seine umfassenden Reformen im Bereich Bildung, Finanzen und Militär die Weichen für den oft deklarierten preußischen Sonderweg.

 

 


Norman Davies

Norman Davies ist emeritierter Professor für Geschichte an den Universitäten London, Harvard, Stanford und Columbia. Er wurde mit umfangreichen Werken und Bestsellern zur Geschichte Europas international bekannt. Sein Buch „Verschwundene Reiche. Die Geschichte des vergessenen Europa“ (2013) wurde zu einem weltweiten Erfolg.

 

© Foto: Stuart McClymont/ The Times

Ins Unbekannte

Eine seltene Weltreise in die Geschichte, ein wundervolles Lesebuch. Ob in Baku, Singapur oder Cornwall, auf Haiti oder Neuseeland: Jeder Ort hat seine Geschichte, oft unerwartet, ungewöhnlich oder völlig unbekannt. Der renommierte Historiker hat sich auf die Suche nach diesen Geschichten gemacht. Sein Buch ist ein Reisebericht der besonderen Art: eine Weltreise in die Vergangenheit, eine historische Spurensuche. Im Alter von 73 Jahren reist Davies von der südlichsten Spitze der Südseeinseln bis zum Nordkap einmal rund um den Globus. Das sehr persönliche Reisetagebuch ist auch ein Füllhorn an historischem Wissen und überraschenden Fakten. Für mich eine richtige Mitternachtslektüre, ein delikater Port gehört unbedingt dazu.


 

Harald Lesch

Der Professor für Theoretische Astrophysik u.a. Disziplinen an der Ludwig-Maximilians-Universität München ist der wissenschaftliche Influenzer der Nation. So meldet sich der vielfach ausgezeichnete Professor für Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und Lehrbeauftragte für Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie immer wieder auch politisch zu Wort, etwa als Mitglied des Bayerischen Klimarates. Vor einigen Jahren nahm Lesch das Wahlprogramm der AfD auseinander, die eine menschengemachte Erderwärmung infrage stellt. Als er dann Hassmails bekam, konterte er mit einer Analyse zur Psychologie des Hasses. Lesch erklärt so, daß ihn die Menschen verstehen

Wissenschaft ist eine Sache der Polis, sie gehört auf den Marktplatz. Sie sollte sich keinesfalls in Laboratorien verstecken. Sie hat sogar die Verpflichtung, sich so zu zeigen. Dafür zahlt die Gesellschaft die Wissenschaft ja, so Lesch zur Deutschen Presse-Agentur.

Wie Bildung gelingt

Zusammen mit den Philosophen Ursula Forstner und Wilhelm Vossenkuhl entwickelt Lesch neue Ideen und überraschende Impulse für ein Umdenken in Schulen und Universitäten.„Wir müssen uns bilden und nicht ausbilden lassen!“ – „Wir sollten Menschen und nicht Fächer unterrichten!“ Harald Lesch brennt für das Thema Bildung. Der Physiker, Wissenschaftsjournalist und Fernsehmoderator deckt in diesem Diskussionsbuch die Ursachen der seit fast zwei Jahrzehnten bestehenden Bildungskrise auf. Das geht uns alle an und wer seinen Wissenshorizont nicht begrenzen will und offen für philosophische und praxisorientierte Gedankengänge ist, findet in diesen Gesprächen viele Anregungen und Ideen.

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Kenah Cusanit

geboren in Blankenburg im Harz, wie auch der Archäologe Robert Kaldewey, um den es in ihrem Debüt-Roman geht. Die Autorin lebt in Berlin. Für ihre Essays und Gedichte wurde die Altorientalistin und Ethnologin bereits mehrfach ausgezeichnet.

Foto: © Peter-Andreas Hassiepen

 

Babel

1913, unweit von Bagdad. Den Archäologen Robert Koldewey quält eine Blinddarmentzündung. Die Probleme sind menschlich, doch seine Aufgabe ist biblisch: die Ausgrabung Babylons. Zwischen Orient und Okzident bahnt sich gerade ein Umbruch an, der die Welt bis in unsere Gegenwart hinein erschüttern wird. Wie ein Getriebener dokumentiert Koldewey deshalb die mesopotamischen Schätze am Euphrat; Stein für Stein legt er die Wiege der Zivilisation frei – und das Fundament des Abendlandes. Babel ist Abenteuer- und Zeitgeschichte zugleich – spannend, zeigt viel Wissen der Autorin und macht einfach nur riesigen Lesespaß. Die Geschichte ist so aufregend, daß ich mir zu später Stunde ein bis zwei schlanke Gläser Prickelndes gegönnt habe. Beides zur dualen Nachahmung empfohlen – damit es in der Wüste nicht zu staubtrocken wird, aber im Roman besteht da eh keine Gefahr.


Hubert Wolf

ist ein deutscher Kirchenhistoriker, bedeutender Religionswissenschaftler und Autor zahlreicher Sachbücher, aber auch eines bemerkenswerten Romans , der im Pfeifenblog besprochen wurde. Er lehrt an der Universität Münster. Ich muß zugeben: ich bin ein Wolf-Fan und habe womöglich (?) fast alle seine Publikationen gelesen, eigentlich verschlungen.

Foto: © Catrin Moritz

Der Unfehlbare – Pius der IX. und die Erfindung des Katholizismus

Hubert Wolf schildert den erstaunlichen Weg eines kränkelnden jungen Adligen aus der Provinz zum mächtigsten und am längsten amtierenden Papst der Geschichte (1846 – 1878), der den Katholizismus neu erfand. Das fesselnd und anschaulich geschriebene Buch ist eine kalte Dusche für alle, die im Papst den Repräsentanten uralter Traditionen sehen. Der Autor beschreibt, wie der Katholizismus nach der französischen Revolution im Namen erfundener Traditionen ganz auf Rom ausgerichtet wurde. Im Bewusstsein eigener Machtvollkommenheit verkündete Pius IX. das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens und ließ sich auf dem Ersten Vatikanischen Konzil für unfehlbar erklären.

Wie immer bei Hubert Wolf, ist das Sachthema so spannend in eine Quasi-Erzählung eingewoben, bei der Anlesen und Zuendelesen ein Vorgang ist.


Lea Singer

Die einen kennen sie unter dem Namen Lea Singer, die anderen als Eva Gesine Baur – erfolgreich ist sie unter beiden. Die vielseitige Schriftstellerin hat sich als Sachbuchautorin gleichermaßen einen Namen gemacht wie als Romanschriftstellerin. Die gebürtige Münchnerin hat Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft und Musikwissenschaft studiert. Musik nimmt einen großen Stellenwert in ihrem literarischen Oeuvre ein, das stets von intensiven historischen Recherchen geprägt ist, ein: In ihren Sachbiografien beschäftigte sich Lea Singer nicht nur mit bekannten Namen wie Mozart und Chopin, sondern auch mit dem Librettisten der Zauberflöte, Emanuel Schikaneder. In ihrem Künstlerroman Konzert für die linke Hand (2008) steht der einarmige Pianist Paul Wittgenstein im Vordergrund, in ihrem zuletzt erschienenen Sachbuch Der Klavierschüler der 1989 verstorbene Klaviervirtuose Vladimir Horowitz.

Foto: © Martina Müller

 

La Fenice

Eine Geschichte, die anderen nützt, vielleicht noch in ferner Zukunft, mehr soll ihr Bericht gar nicht sein, sagt Angela del Moro am Schluss. Da ist sie dreiundzwanzig und hat mehr hinter sich als andere im doppelten Alter. Schon mit sechzehn hat sie es zu etwas gebracht, als Kurtisane, der einzige Beruf, in dem sie Geld verdienen, ein selbstbestimmtes Leben führen kann. Der Absturz beginnt mit einem Nein: Sie wagt es, einen Stammkunden wegzuschicken, und die Rache des Abgewiesenen ist mörderisch. Andere überleben so etwas nicht, aber Angela will kein Opfer sein. Ihr Wiederaufstieg ist eine Sensation. Das kann nicht nur gut gehen. Lea Singer erzählt die historisch verbürgten Erlebnisse einer jungen Frau, La Zaffetta genannt, im Venedig der Renaissance, und offenbart, wie nebenbei, die Abgründe der Serenissima in der Zeit eines Tizian oder Aretino.

 

 

 

 

 

 

 

Sie spricht durch die Person einer jungen Frau, die einen Skandal auslöste, weil sie sich das Recht nahm, ihre Wünsche zu leben. Und die zum Kult wurde auf einem der berühmtesten Bilder der Welt: Tizians Venus von Urbino.

 


Das nächste literarische Halbjahr hat schon begonnen und leider ist ein Stöbern in den Münchner Buchhandlungen derzeit nicht möglich. Aber die Bestellungen funktionieren gut und so sind schon die ersten Druckerzeugnisse bei mir gelandet. Vielleicht finden Sie das eine oder andere interessante Thema in meiner Leseliste, sie haben ein gutes halbes Jahr Zeit. Erst dann gibt es die nächste.

Bodo Falkenried

exemplarischer Niederrheiner, seit über 55 Jahren in München daheim, genauso lang Pfeifen- und Tabaksammler, versessen auf Musik, Literatur und andere Künste. Unternehmer, Segler, Reisender [..unser Mann in Asien]. Intensiver Marktgeher, immer an Feuer & Herd, sofern in der Nähe.  

1 Antwort

  1. Tobias Schneider sagt:

    „Wie Bildung gelingt“- das MUSS ich ja dann wohl fast lesen! Die Einführung klingt spannend.

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