Kian Soltani | … und ewig winkt das Cello
Seit Kindesbeinen hat mich das Cello neben dem Klavier in Bann genommen. Das Instrument war in unserer Familie irgendwie immer Teil des Musikgenusses (und der Musikbildung) und Pablo Casals, †2016) seit langem zum Streich-Establishment gehören, höre ich vermehrt die ganz junge und auch die bereits schon nicht mehr ganz so junge Cellisten-Riege unserer Zeit. Sol Gabetta, Gautier Capuçon, Maximilian Hornung und Sheku Kanneh-Mason begeistern mich genauso, wie seinerzeit die altvorderen Meister. Etwas ist heute anders. Waren z.B. Casals und Rostropowitsch Heroen ihrer Zeit, für den Zuhörer teils unnahbar und vergöttert, sind die „Heutigen“ mehr denn je Musiker zum anfassen. Wer einmal gesehen hat, wie faszinierend Sol Gabetta die Sendung KlickKlack moderiert, wie sie Musik nahebringt, versteht was ich meine.
hlten scheinbar „angeboren“ zu meinem musikalischen Alltag. Bis heute. Wobei ich weit davon entfernt bin, nur die nostalgische Welle zu reiten und nach dem Yo-Yo Ma, Mischa Maisky und Heinrich Schiff (Genug name dropping, denn jetzt berichtet dieser Beitrag über das neue Album des österreichischen Cellisten Kian Soltani (27), der -ähnlich dem noch jüngeren Briten Sheku Kanneh-Mason- bald zur Spitzenklasse gehören wird. Die Reife fehlt, aber wie soll das bei diesen Lebensaltern auch anders sein. Soltani veröffentlichte soeben sein zweites Album, Dvořáks Cello-Konzert, aufgenommen mit der Staatskapelle Berlin unter Leitung von Daniel Barenboim. Mit Barenboim (und seinem Sohn Michael, Violine) verbindet ihn einiges, seit er als Solist mit dem West-Eastern Divan Orchestra aufgetreten ist.
Das Album ist die Wiedergabe eines magisch erscheinenden live-Konzertes in der Berliner Philharmonie, das mit dem Cello-Konzert in h-Moll op.104 von Dvořák eine der wichtigsten Kompositionen der Cello-Literatur enthält. Kennt man die Entstehungsgeschichte des Stückes, so erklärt sich die stringente, sehnsuchtsgeprägte Melancholie, die Grundstimmung, und erst dann wird erhörbar, erfühlbar, wie sensationell die Darbietung in Berlin gewesen sein muß. Scheinbar mühelos gelingt es, den Farbenreichtum und die kompositorische Tiefe dieser Tondichtung wiederzugeben und Kian Soltani`s Cello hat „den Ton“. Warm, filigran, einfühlsam und auch markant und druckvoll bei den Passagen, bei denen es gefordert wird. Solist, Orchester und der Dirigent befanden sich auf einem „Höhenflug der besonderen Art“.
Viel Vergnügen und Entspannung bei diesen wundervollen 66 Minuten.
Interview mit dem jungen Künstlerduo Kian Soltani und Aaron Pilsan
Martin Stadtfeld und Kian Soltani im Gespräch
LINK: Privatkonzert bei Daniel Barenboim
Vielen Dank für diesen schönen Artikel! Ich habe selbst lange Zeit Cello gespielt, bis mir gesundheitliche Probleme das Spiel verleidet haben. Aber das hindert einen ja nicht, das Instrument und seinen warmen, vollen Klang weiterhin zu lieben. Kian Soltani hat das Zeug, einer der ganz großen Cellisten zu werden. Ich genieße sein Spiel in vollen Zügen. Erst kürzlich lief auf Arte ein Hauskonzert bei Daniel Barenboim. Neben ihm spielten auch sein Sohn und Soltani – es war ein Genuß! Hier der Link zu dem Hauskonzert https://www.arte.tv/de/videos/092162-000-A/privatkonzert-bei-daniel-barenboim/
Sehr schön, wenn Fernsehen doch mal mehr kann als Trash-TV. Es ist ein Hochgenuß, Soltani mit einer Peterson, gestopft mit Huber’s English Balkan und einem Glas Plantation Grenada von 1998 zu hören.
Servus Wolfgang, herzlichen Dank für Ihren tollen Hinweis auf das Arte-Hauskonzert von Daniel Barenboim, wundervoll. Ich werde den Link direkt in den o.a. Beitrag einfügen.
Liebe Grüße, Bodo
Vielen Dank für diese Vorstellung einer Neueinspielung, die mir hinsichtlich des Solisten sehr sehr gut gefällt und ich finde auch nicht, dass es Soltani an Reife fehlt! Was aber ein absolutes Geheimnis bleibt, ist die Frage, warum Barenboim dieses Konzert dirigiert bzw. einspielt? Er buchstabiert schon in den du Pré-Aufnahmen mit dem London Symphony bzw. Chicago Symphony das Stück etwas ratlos herunter und daran hat sich auch 50 Jahre später bemerkenswerterweise nichts geändert. Die Faszination der böhmischen Klangwelt ist ihm – im Gegensatz zu Soltani – wie ein unentdeckter fremder Kontinent! Für mich ist das ein Totalausfall und der schmerzt hier genauso wie vor 50 Jahren. Wenn man den Kontrast hören möchte, seien alle Aufnahmen mit der Tschechischen Philharmonie oder Raphael Kubeliks Einspielung mit Fournier und dem BR Symphonieorchester empfohlen! Trotzdem lohnt sich die Aufnahme allein wegen Soltani!
Obwohl ich in der klassischen Konzertliteratur ziemlich firm bin, ist dieses Cello Concerto bisher leider an mir vorbeigegangen. Natürlich habe ich mir das Konzert gleich über Spotify hineingezogen und feststellen müssen, daß es für mich noch viele musikalische Schätze zu entdecken gibt. Zu der Aufnahme ist zu sagen, daß sich der Solist und das Orchester einander sehr harmonisch begegnen. Für mich ist da keine Kluft, was die böhmische Klangwelt betrifft, festzustellen. Es wird hier auf höchstem musikalischem Niveau konzertiert. Natürlich muß ich sagen, daß mich die Interpretationen von Barenboim sehr überzeugen, ja, daß ich eigentlich ein Fan von Barenboim bin. Deshalb bin ich wahrscheinlich, was dieses Konzert betrifft, ein bisschen voreingenommen. Daher werde ich mir auf jeden Fall die von Peter Hemmer vorgeschlagenen Aufnahmen auch noch anhören.
Ich besitze über 30 Einspielungen von op 104 und diese hier ist die derzeit für mich spannendste und eine besonders gelungene Interpretation, auch gerade durch Barenboim. Ohne seinen Mentor wäre Kian Soltani wohl kaum zu dieser Höchstform aufgelaufen, was für alle Musiker dieser Aufnahme gelten kann.
Die 1971er Aufnahme mit Jacqueline du Pré, Chicago SO und Daniel Barenboim gilt als eine DER Referenzen, natürlich in erster Linie wegen der Cellistin. Aber auch das in weiten Teilen sehr zurückgenommene Orchester unter Barenboim läßt dem Cello uneingeschränkten Raum und damit den Mittelpunkt. Das ist genau das Konzept dieses Konzertes, dem die Cellistin auch verdankt, daß ihre unfassbare, emotionale Darbietung zu einer solchen wird. Nur wenn sich Orchester und Dirigent so zurücknehmen, sich komplett in den Dienst einer überragenden, ja magisch darbietenden Solistin stellen, wie es in diesem Fall geschehen ist, kann ein Jahrhundertwerk entstehen. Fantastisch die Harmonie zwischen Holz und Blech des für seine Bläsersektion gerühmten Orchesters. Einfach nur ein Genuß, wenn man die gelegentlichen akustischen Probleme der Konzerthalle ausblendet.
Übrigens: höre Dir den Dvorak auch mal von Maximilian Hornung mit den Bambergern an, auch auf ganz hohem Niveau.
Ich erlaube mir nochmal, zu widersprechen: das, was du als einen Vorteil beschreibst, sehe ich in Wahrheit als große Schwäche! Bei solchen Solistenkonzerten geht es eben nicht darum, dass ein solider Kapellmeister einen schön und seriös gewebten Teppich für einen Zauberer oder eine Zauberin auslegt, sondern dass Zauberer miteinander musizieren – auf Augenhöhe!
Es gibt einen Mitschnitt eines Stockholmer Konzerts mit der Du Pré und Celibidache, ich glaube aus den frühen 70er Jahren, der früher nur auf dem Graumarkt zu kriegen war inzwischen aber wohl „offiziell“ erschienen ist. Allein wenn Du das Adagio vergleichst, hörst du sofort, was den Barenboim Aufnahmen fehlt! Und zwar nicht nur, was den Orchesterpart angeht, auch die Du Pré ist ein gutes Stück eindrucksvoller, weil viel spontaner und „geforderter“! Und das mit einem Orchester, das sicherlich von sich aus nicht die Klasse des London Symphony oder des Chicago Symphony hatte, dafür von Celi in vermutlich unendlichen Proben zu einer solchen musikalischen Leistung gebracht wurde. Und da ist auf der anderen Seite für mich einfach wahnsinnig viel verschenkt! Genauso wie bei der Neueinspielung, bei der Soltani deutlich über dem Niveau des Dirigenten und des Orchesters musiziert! Für mich wirkt das wie ein Deja vu!
Meine persönliche Referenzeinspielung ist übrigens Rostropovich mit der Tschechischen Philharmonie unter Vaclav Talich von 1952! Da trifft ein ganz junger Genie-Cellist auf DAS Dvorak-Orchester schlechthin und einen grandiosen Dirigenten, der wie kein anderer die Interpretationsgeschichte der Musik Dvoraks geprägt hat. Rostropovich selbst hielt diese Einpielung für seine beste!
Servus Peter,
wenn wir aufhören, unsere (hoffentlich) weiterhin teils kontroversen Auffassungen und Empfindungen auszutauschen, wird es öde und langweilig. Ich bin überzeugt, dass nicht nur wir, sondern auch unsere Leser davon profitieren. Letztlich streiten wir ja nicht, sondern betreiben gepflegte Konversation.
Allerdings ist ab einer gewissen Tiefe der Diskussion ein verbaler Austausch um Längen sinnvoller und Patolli und der Rindermarkt- Sega, auch die neue 11-1345, geeigneter.
Die CD Celi / du Pré Stockholm (Live Aufnahme 1967) habe ich natürlich, aber auch da liegen wir beide auseinander. Auf die Gefahr hin, Deinen Blutdruck (nicht wirklich) hoch zu treiben 😊:
Für mich gehen Jacqueline Du Pré und Celibidache einfach nicht zusammen, das hört man auch sehr deutlich bei der Aufnahme. Sie spielt hart und aggressiv, nahezu perkussiv und Titan Celibidache, mit seinem ausgefeilten, intelligenten Vorsatz, gelingt es zu keiner Zeit, die im Laufe des Konzertes ausufernde Emotionalität der ebenso titanischen Cellistin, in Einklang zu bringen. Insgesamt sehe ich das Konzert als extrem mit im wahrsten Sinne der Bedeutung ausgespielten Egos aufgeladen und für mich deshalb im Vergleich zu vielen anderen Aufnahmen wenig überzeugend.
Soll es denn eine „klassische“ Interpretation sein, so ziehe ich u.a. Rostropowitsch mit Karajan und den Berlinern aus 1986 vor oder die von Dir angeführte Rostropowitsch/ Czech PHO / Vaclav Talich. Und einige, sehr gefällige, mit Pierre Fournier.
Als nicht allzu vehementer Parteigänger des Ehepaars Dupré/Barenboim (bzw. ihres Tons und seines Dirigats), erlaube ich mir auf drei jüngere, m. E. ungleich gelungenere Einspielungen hinzuweisen:
Jean-Guihen Queyras/Jiři Bělohlávek (Harmonia Mundi), Christian Poltéra/Thomas Dausgaard (BIS) und
Steven Isserlis/Daniel Harding.
Und da man – wie Bodo Falkenried zu Recht anmerkt – mit zwei (oder drei, oder zehn …) Aufnahmen nicht auskommt, könnte und sollte man auch auf die hier noch nicht genannten „großen Alten“ ein Ohr werfen:
Emanuel Feuermann, Pablo Casals, Maurice Gendron, Paul Tortelier, János Starker … – an großartigen „Konserven“ mangelt es hier keinsfalls!
… genau, Miguel … und Piatigorsky, Milos Sadlo und und und, es gibt so viel zu entdecken, wenn man Lust und Zeit hat.
Im Zuge dieser Werksexegese (hat schon fast religiösen Charakter), habe ich mir verschiedene Aufnahmen angehört, unter anderem die Aufnahme von Vaclav Neumann mit dem Cech PHO und dem Celisten Webber (Vornamen ist mir entfallen). Und ja, auch diese Einspielung hat ihren Reiz. Neumann schlägt hier ein schnelleres Tempo an, was das Stück beschwingter, tänzerischer und vielleicht böhmischer erscheinen lässt. Sehr interessant und musikalisch auf höchstem Niveau. Der Solist konnte mich im Gegensatz zu Soltani nicht so sehr überzeugen. Sollte ich mich zwischen den Aufnahmen entscheiden, würde ich beide nehmen und dem Barenboim einen klitzekleinen Vorsprung geben.
Also vehementer Einspruch: bei einer solch bedeutsamen Komposition reichen 2 unterschiedliche Versionen überhaupt nicht aus ……. das ist für Deinen Musik-Wissen-Datapool grob fahrlässig gehandelt. :))
Ich leihe Dir (auf dem üblichen Weg) bei Gelegenheit ein paar …..
@ Bernd: das ist Julian-Lloyd Webber, der jüngere Bruder des Musical-Komponisten, die Aufnahme habe ich, ist so lala.
Seit wann heißt Du Bern und nicht Bernd?
Wenn dir Neumann zusagt, was ich keine schlechte Wahl finde, dann gibt es da eine in meinen Ohren interessantere Aufnahme (er hat das Dvorak Konzert ja auch mehrere Male eingespielt), nämlich die auf Supraphon erschienene von 1976 mit dem heute fast vergessenen Milos Sadlo, dem bedeutendsten tschechischen Cellisten des 20. Jahrhunderts, den man heute fast nur noch als Trio-Partner von Shostakovich und Oistrakh oder zusammen mit Rostropovich als Herausgeber des Haydn-Konzerts kennt. Vielleicht nicht der allergrößte Virtuose, aber ein eminenter Musiker! Und höre dir Talich/Rostropovich an!
Ich muß gestehen, daß die Aufnahme von Rostropowitsch mit dem Cech PHO alles übertrifft, was ich bisher gehört habe. Jetzt ist aber erstmal genug, ich pfeife schon im Badezimmer das Eingangsthema aus dem ersten Satz. Ich werde mich ab jetzt wieder mehr der Erkundung der Wagnerischen Werke widmen können.
Na ja, Du hast ja noch nicht soooo Vieles gehört …. aber mit Rostro/Talich sind wir schon mal auf gleicher Länge :))
Czech PHO + Vaclav Talich bietet aber noch eine ganze Reihe anderer, toller Alben, ich stell Dir mal was zusammen … für die baldigen Winterstürme …..
….Und ewig winkt das Cello……
Wenden wir uns mal vom eigentlichen Thema dieses Beitrags ab und dem Titelzusatz sowie den einleitenden Worten des Verfassers zu.
Der Zusatz alleine ist dann schon mal Anstoß in der eigenen Sammlung zu graben.
Und dann trifft man auf Musik die man lange nicht gehört aber früher sehr genossen hat.
Von „alten Recken“, so nenne ich sie mal, war in der Einführung die Rede.
Hier sind zwei, die mit diesem Programm zu genießen ein bis zwei Pfeifenlängen dauert, (je nach Größe und Füllvolumen):
Gruß
W.K.
…. geniessen trifft in diesen Fällen aber auch „so etrwas von zu“ (Neusprech 🙂 )