HU-Tobacco | Moroccan Bazzaar
Der Geruch, der einer Dose Moroccan Bazzaar entströmt, ist einfach nur überwältigend.
Was ich an dem Wort „überwältigend“ mag, ist dass es ein sehr starkes Adjektiv ist, das jedoch keinerlei Wertung enthält. Es beschreibt lediglich die Stärke der Wirkung auf den/die Riecher:in.
In einer Welt in der jeder zu erst wertet und dann nachdenkt, finde ich das beruhigend. Was hat Sie jetzt eigentlich mehr zu einer Bewertung veranlasst? Dass es zwar ein Wort für „Zuschauer“ gibt und auch für „Hörer“, aber das Wort „Riecher“ nicht? Oder war es die Tatsache, dass ich das Wort gegendert habe? Keines von beidem, ich weiß. Wir Pfeifenraucher:innen sind alle kreative, weltoffene Menschen, so etwas regt uns nicht auf.
Am allermeisten hat Sie verstört, dass mein Eingangssatz erahnen, ja sogar befürchten lässt …
… dass es sich bei dem Tabak um einen „Aromaten“ handelt. Und genau das ist der Moroccan Bazzaar, der gerade im neuen Gewand von Kopp Tobaccos und HU Tobaccos wieder aufgelegt wurde.
Hätte man mich um die Marketing-Prosa für diesen Tabak gebeten, hätte ich getextet:
Er riecht gut. Er schmeckt gut. Er schmeckt nicht wie er riecht und das ist gut so!
Hat man – aus gutem Grund – nicht getan, sondern mich lediglich gebeten das Etikett zu gestalten. Und das habe ich mit großem Vergnügen gemacht.
Direkt nachdem ich die Tabakdose zum ersten Mal geöffnet hatte, war ich – wie bereits ausführlich erörtert – überwältigt. Auf alle weiteren Male trifft das übrigens auch zu, man gewöhnt sich niemals an diese Aroma-Welle, die einem dort entgegen schlägt. Das Tabakbild hingegen, scheint die Nase Lügen strafen zu wollen. Der Tabak sieht überhaupt nicht aus wie ein Aromat. Er wirkt wie ein broken Virginia Flake, Virginia Broken-Flake? durchmischt mit Curly-Cuts. Kein gesoßter und kleingehäckselter Black Cavendish. Das ist richtiger Tabak.
Mit einer gesunden Portion Skepsis, habe ich ihn erst einmal nur in eine meiner günstigeren Dunhill Jahrespfeifen gefüllt, die ich für solche Tabakexperimente zu Dutzenden hier im Atelier herumliegen habe. Man will sich ja keine wertvolle Pfeife mit einem unbekannten Hocharomaten versauen. zwinker 😉
Der Tabak zündet eher gemütlich, mit etwas mehr Einsatz von Flüssiggas, wie das von einem Broken Flake nicht anders zu erwarten ist. Wenn er einmal glimmt, stopfe ich ihn kurz glatt, zünde erneut und muss mich danach überhaupt nicht mehr um die Pfeife kümmern. Der Tabak brennt gleichmäßig bis zum Ende durch – ausser man zieht zu hektisch, lässt die Pfeife aus dem Mund fallen, verschmiert sie mit Ölfarbe, putzt sie notdürftig mit einem Terpentin-Lappen und vergisst sie ein paar Stunden auf der Staffelei. Aber das sind ja nur ein paar sehr weit hergeholte Widrigkeiten, die weder Hans Wiedemann noch Kopp Tobacco zu verantworten hätten.
Sagen wir also: Der Tabak brennt fantastisch gleichmäßig und sehr lange, bis auf einen kleinen grauen Ascherest herunter.
Aber kommen wir zum Geschmack. Die ersten Züge lassen erahnen, dass man tatsächlich den selben Moroccan Bazzaar in der Pfeife hat, dessen Geruch vorher aus der Dose geströmt war. Aber sehr, sehr viel dezenter. In erster Linie schmecke ich Tabak, genauer gesagt Virginia. Nach ein paar Minuten pegelt sich das Verhältnis Aroma zu Tabak wohltuend weiter in Richtung Tabak ein und es entsteht wirklicher Rauchgenuß.
Aber nach was schmeckt jetzt eigentlich dieser Tabak?
Als ob Sie – lieber Leser, liebe Leserin – sich das nicht schon denken konnten.
Auf dem Label sehen Sie eine orientalische Stadt – es handelt sich dabei übrigens um Aït-Ben-Haddou – und der Name des Tabaks ist Moroccan Bazzaar.
Auch ohne sich durch besonderen Spürsinn eine Peterson Sherlock Holmes Pfeife verdient zu haben, kombiniert man sofort richtig: Orientalische Gewürze und Früchte.
Pfeffer, Zimt, Sternanis, Weihrauch, Gewürznelke, Koriander, Ingwer, Jasmin, Honig, Feige … Das sind die Herstellerangeben, ich erlaube mir noch folgende Aromen dazu zu fantasieren: Datteln, Kardamom und Marillen (aber vielleicht kommen letztere auch von der Schnapsbegleitung).
Es riecht aber überhaupt nicht nach Advent und Lebkuchen, es ist orientalisch aber nicht im geringsten weihnachtlich. Eher sommerlich fruchtig und exotisch, wie ein Cocktail, etwas bizarr und sehr vielschichtig. Habe ich schon erwähnt, dass ich von den Aromen überwältigt wurde?
Beim Rauchen bleibt das Aroma wirklich nur ganz leicht im Hintergrund. Das liegt vermutlich daran, dass der Tabak eben ein Virginia ist, der die zugesetzten Aromen nicht aufnimmt wie ein Black Cavendish-Schwamm, sondern nur einen Hauch mit in die Pfeife trägt.
Deswegen ist dieser Tabak eine Empfehlung für alle, die manchmal etwas Exotisches in der Pfeife mögen, denen aber ein Dänischer Aromat zu heftig ist. Meiner Probier-Pfeife ist der Besuch aus Marokko übrigens sehr gut bekommen. Eine Balkanmischung, dann ist das Cross-Over wieder weg.
Aber kommen wir endlich mal zum Wesentlichen. Für das Etikett habe ich eine mit Aquarell kolorierte Tuschezeichnung angefertigt. Als Vorlage/Inspiration nahm ich dazu ein paar Fotos aus Aït-Ben-Haddou zu Hilfe. Diese kleine marokkanische Stadt hat schon für so gut wie jeden Säbel- und Sandalen-Blockbuster – von „Lawrence of Arabia“, über „Gladiator“ bis „Game of Thrones“ – als Kulisse herhalten müssen. Warum jetzt nicht auch für diesen Tabak. Wunderbar malerisch liegt sie mitten in der Wüste und schmiegt sich an einen riesigen Felsen. Die Häuser sind aus gestampftem Lehm und zum Teil schon fast 1000 Jahre alt. Die Kombination aus Klimawandel und Übertourismus – zu wenig Wasser, zu viele Besucher – macht aus der ehemaligen Siedlung der Berber vom Ben-Haddou-Stamm, langsam ein Freilichtmuseum. Immer weniger Menschen leben dort, obwohl es laut Wikipedia inzwischen sogar Strom in der Altstadt gibt. (Vermutlich hat den die letzte Filmcrew dort liegen gelassen).
Die Farben der Stadt in der Abendsonne erinnern an die Gewürze, die in den Basaren aufgehäuft und feilgeboten werden. Verschiedene Braun-, Orange- und Gelbtöne vor einem wolkenlosen Himmel über der Wüste. („Himmel über der Wüste“ wurde übrigens auch dort gedreht.)
Gemalt habe ich das Bild auf einem groben Aquarellkarton und auf genau so einem rauen Papier hat Kopp auch die Etiketten drucken lassen. Damit wirkt jedes Etikett wie ein Original; sowohl optisch, als auch haptisch. Das ist ganz großartig gelungen. An solchen Kleinigkeiten sieht man, mit wieviel Sorgfalt bei Kopp gearbeitet wird.
An der hier abgebildeten Originalarbeit kann man sehr gut erkennen, was den wahren Künstler ausmacht: Seine Faulheit. Warum sollte man auch den unteren Teil eines Bildes malen, wenn er sowieso von einem Warnhinweis verdeckt wird?
Als es Ende letzten Jahres hieß, daß dieser HU Tabak eingestellt würde, habe ich mich „eingedeckt“. Jetzt habe ich diesen tollen Tabak – aber in diesen ollen, alten Dosen! Vielleicht liest Hans Wiedemann diesen Post, hat Erbarmen mit mir und schickt mir (unentgeltlich) eine von den neuen, sodass ich zukünftig etwas zum Umfüllen und Anschauen habe!
Ansonsten Kompliment an Alexander Broy für dieses gelungene Dosen-Design!
Vielen Dank.
Noch interessanter wäre, wenn du mal überprüfen würdest, ob sich auch am Tabak etwas geändert hat. Beim Wechsel zu Kopp … Ich kenne den „alten“ Marocco nicht.
LG, Alexander
Nach konservativer Schätzung wird es … Jahre (!) dauern, bis ich meinen Bestand aufgebraucht habe und vielleicht in Versuchung kommen werde, das K&K-Derivat zu probieren. Bis dahin möchte ich eigentlich von niemandem hören, daß der „Neue“ den „Alten“ geschmacklich um längen schlägt!
Und was haben wir jetzt von diesem Kommentar? 🙂
Das liegt doch auf der Hand: die neue Version ist so unglaublich besser, schmackhafter und geradezu aberwitzig delikat, so daß man die Vorversion nicht mehr anrühren, geschweige denn öffnen will. Sie ist nun einfach für die Katz. Aber was soll´s. Der wahre Feinschmecker (-raucher) wird sie umgehend im nächsten Wertstoffhof entsorgen ….:(Sarkasmus, Ironie)
Lieber Alexander Broy, obwohl ich auch Bodos Berichte gerne lesen, hat mir noch selten eine Tabak-Rezension zu lesen soviel Freude gemacht und mich so neugierig werden lassen. Keine Ahnung, wo ich diesen Tabak hier in der Gegend herbekomme, aber es wird mir schon gelingen! Und wenn er dann nicht mein Fall sein sollte, werde ich mich doch noch an dem Bild erfreuen. Langer rede kurzer Sinn: Vielen Dank! Christian
„Karl Hirsch
12. Juli 2024 um 17:45 Uhr
Und was haben wir jetzt von diesem Kommentar? 🙂“
Diese Frage kommt mir hier gerade ebenfalls in den Sinn …
Ich kenne nur die alte Version, und da fand ich auch die Intensität der Aromen (nicht ganz wertfrei) „überwältigend“. Von Virginia oder anderen Tabaksorten war da für mich nicht viel zu schmecken. Aber interessant fand ich ihn zunächst schon, habe ihn dann jedoch tatsächlich als „Weihnachtstabak“ geraucht, bis ich die letzten zwei Drittel der Dose (längst in ein Glas umgefüllt) an einen Pfeifenraucher-Kollegen weitergegeben habe. Vielleicht wurde mit dem Wechsel des Herstellers auch die Aromtisierung verfeinert?
Jetzt werde ich ihn rauchen.
Hallo liebe Pfeifen,-Tabak-und Zigarrenfreunde,
mit viel Freude und lLachen habe ich den Beitrag über den ,,Moroccan Bazzaar“ genossen.
Bei einem Pfeifentreff konnte ich eine ,,Nase“ aus der Dose nehmen-nichts für mich-was in der Nase nicht taugt,darf auch nicht in die Pfeife.
Voreingenommen-vielleicht-zumindest jedoch aus Jugendjahren ,,hocharomatengeschädigt“.
Die Zutaten gerne in die Küche-wer kocht mit Weihrauch?
Ansonsten schätze ich die nordafrikanische und asiatische Küche ob der Aromen sehr.
Wer den Tabak mag-lasst ihn Euch schmecken-von der Qualität und Machart bestimmt äußerst fein.
HU und Kopp möchte ich inzwischen bei den einheimischen Blendern und Herstellern als Meßlatte bzw.Referenz ansehen-ist subjektiv,lasse mich gerne von etwas anderem überraschen.
Doch geht es mir um etwas ganz einen andereren Aspekt-den ,,neugestalteten Dosendeckel“.
Entgegen dem seitherigen Motiv ,finde ich kann man sich in die Bazzaratmosphäre regelrecht hineindenken.
Die Motivwahl und Ausführung,nicht zuletzt durch Firma Kopp -Chapeau-Vielen Dank.
Eine weitere Option wäre für mich ein Etikettenaufkleber,wie beim ,,Kurt Eisner“ oder natürlich als absolutes Topping des Themas ein Aquarelll oder kleines Ölgemälde auf einem Tabaksdosendeckel-
selbstverständlich ohne Warnhinweis-allemal eine Überlegung wert,wie ich finde.
Und zur ,,Faulheit des Künstlers“eine kleine Metapher-,,ein gutes Pferd weiß wie hoch es springen oder wie schnell oder wie weit es laufen muss(kann)-dies musste ich loswerden.
Bis bald
Herzliche Grüße
Klaus
Servus Alex, ich habe die Vorgängerversion wirklich mal versucht und war doch sehr überrascht, da ich ja normalerweise keine Aromaten anfasse (Enerdale ausgenommen), ich kann deiner Empfehlung nur zustimmen, für mich persönlich gibt es jedoch andere Favoriten, einzigst die von Dir neu entworfene Dose wäre eine Überlegung wert den Tabak noch mal zu ordern!
Gruß Thomas
Wieso sollte sich nach der Übernahme durch K&K, das ja eigentlich nur noch K heißen müsste, die Rezeptur verändern? Hans hat ja nun auch nicht jede Dose bei Vollmond im heimischen Keller gemischt…Kopp hat ja vorher schon die Finger drin gehabt und jetzt einfach nur das drumherum auch mit übernommen.
… das Unternehmen heißt auch nur Kopp (Tobaccos)
Vielen Dank, Alexander für die tolle Vorstellung! Habe ihn mir gestern gekauft, übrigens mein erster Wiedemann, nach dem Kurt Eisner, der mir so gar nicht gefallen hat. Der Marrokanische Bazar indes hat das Zeug mein neuer All-day zu werden. Sehr schöner Tabak, kein Kondensat, angenehm leicht und ein wirklich interessantes Aroma!
Nachtrag:
Nach anfänglicher Euphorie, ist nach einer Woche meine Sympathie für diesen Tabak völlig verflogen, wie das bei mir bei deutschen und dänischen Tabaken regelmäßig ist. Ich finde ihn inzwischen nur noch langweilig süß. Die Dose ist fast leer, eine zweite werde ich vielleicht für die nächste Weihnachtszeit zurücklegen oder bei Gelegenheit verschenken. Ansonsten werde ich bei meinen bewährten Amis bleiben. Wiedemann und Kopp sind es für meinem Gusto weiterhin nicht!