Angewohnheiten von früher: Toscani und die neue Master Aged Serie
Eigentlich ist das hier ja sowas wie ein Tabubruch: Ich rauche ja schon viel länger leidenschaftlich Zigarren als ich Pfeife rauche, aber schreibe hier nie etwas darüber. Gut, heißt ja auch Pfeifenblog hier. Warum sollte ich also hier was über Zigarren schreiben? Und wenn schon was über Zigarren, warum dann ausgerechnet über italienische und nicht über irgendwas aus der Karibik? Was, in Italien gibt’s Zigarren? Sogar mit italienischem Tabak? Lange Tradition? Und das schmeckt? Wirklich?
Früher, als ich noch in Rom gelebt habe, hatte ich einen Nachhauseweg vom Büro, der mich zu Fuß einmal quer durch die Altstadt geführt hat, von der Spanischen Treppe bis zu San Giovanni dei Fiorentini. Das waren etwa 20 bis 25 Minuten allerschönste Wegstrecke. Hatte ich noch Lust auf etwas Tabakgenuss vor dem Abendessen, war für eine Pfeife, auch für eine kleine, deutlich zu wenig Zeit. Und was (seriöses) raucht man, wenn man unterwegs ist und zu wenig Zeit hat? Einfach das, was die Italiener in einer solchen Situation auch rauchen: Toscanelli!
Das sind halbierte Toscano-Zigarren. Zigarren aus Kentucky-Tabak, kraftvoll, ein bisschen ungestüm rustikal, wenn’s einfachere sind, aber immer vollmundig und malzig süss, manchmal ein bisschen muffig, immer mit einem schönen vollen Zigarrengeschmack, der sehr eigen ist, weil hier relativ starke Röstaromen mitspielen. Und nachdem auch so ein leicht konisches Toscanello länger als 20 Minuten braucht, muß man noch irgendwo eine kleine Pause einlegen und irgendwo ist natürlich die Bar der Wahl, wo man entweder noch einen letzten Espresso nimmt (vielleicht mit etwas Anisschnaps oder Grappa) um den Tag ausklingen zu lassen oder gleich mit einem Aperitivo den Abend anfängt.
An dieser Schnittstelle des alltäglichen Lebens hat das Toscanello seinen Platz. Eher zuviel für zwischendurch tagsüber und zu wenig für nach dem Abendessen. Mit einem Espresso, gerade wenn er süditalienisch dunkel geröstet ist, also starke Röstnoten mit etwas Teer und Rauch zeigt, mit so einem Espresso geht das Toscanello die ultimative Liebesheirat ein. Gleich danach kommt der dunkle süsse Vermouth. Alles andere geht mehr oder weniger gut, bleibt aber geschmacklich zurück!
Aber bevor wir Toscanelli rauchen können, müssen wir Toscani kaufen! Gut, wir müssen nicht, wir können auch Toscanelli kaufen, aber ich persönlich finde die Qualität der bereits geschnittenen Zigarren in der Regel weniger überzeugend als die meiner „Lieblingstoscani“, die ich mir dann bei Bedarf selbst halbiere. So bleibt mir auch immer noch die Möglichkeit, eine Toscano im Ganzen zu rauchen, was gerade bei den hochwertigen großen Reiz hat.
Das Toscano-Angebot ist in Deutschland relativ überschaubar, vor allem natürlich im Vergleich zu Italien, aber auch hierzulande tut sich was und das, was sich da im April getan hat, ist der Auslöser für diesen Artikel. Da sind drei neue Zigarren dazugekommen, die im Prämium-Segment des deutschen Toscani-Marktes angesiedelt sind und die meines Erachtens eine wirkliche Bereicherung darstellen! Deshalb will ich dazu was schreiben.
Die Serie heißt Master Aged und besteht aus drei handgerollten Longfiller Zigarren, schnöde durchnummeriert 123. Hier wäre vielleicht mit ein bisschen Phantasie noch Luft nach oben gewesen…? In Italien ist man da sonst weniger zurückhaltend. Aber auf der anderen Seite muss man sich so auch keine neuen Namen merken. Im Vergleich zu den Standardqualitäten haben die drei Master Aged Zigarren mit 10,5mm alle ein etwas größeres Ringmaß, was sich geschmacklich bemerkbar macht. Gemeinsam ist allen drei Zigarren nach dem Rollen ein langsamer klimatisch kontrollierter Reifeprozess von etwa einem Jahr! Wie beim Pfeifentabak auch sind solche kontrollierten Reifeprozesse für ein weicheres Geschmacksbild verantwortlich und damit sind wir auch schon bei der großen Gemeinsamkeit der drei Zigarren: es handelt sich um extrem weiche Toscani, bei denen alle Aromenvielfalt, die Röstaromen, die Erdigkeit, die Malzsüsse, das leicht holzige, das alles wird abgerundet und zwar zum Vorteil eines Produkts, dessen Grundcharakter mitunter auch kantig sein kann! Die Master Aged Serie gewinnt einerseits an Intensität, andererseits an Komplexität, weil die Primäraromen nicht mehr so deutlich nebeneinanderstehen, wie es bei den Standardqualitäten der Fall ist. Ob einem dann das alles so gut gefällt, dass man den höheren Preis in Kauf nimmt, das muß jeder für sich entscheiden. Mir persönlich haben sie gut gefallen und vor allem eine hat mir so gut gefallen, dass ich sie eigentlich immer vorrätig halte und auch regelmäßig rauche!
Wie unterscheiden sich nun die Zigarren? Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, weil die Unterschiede zwischen den drei Master Aged Zigarren unterschiedlich stark ausfallen und dann auch noch jeweils unterschiedlich sind abhängig vom gewählten Format, heisst: es macht einen Unterschied, ob ich die Zigarre halbiert als Toscanello rauche oder im ganzen als Sigaro Toscano!
Die Master Aged Uno (1)
Sie ist stilistisch der Übergang von der klassischen Toscano und schmeckt erst einmal recht vertraut. Das Blattgut stammt aus der Toscana, aus Tennessee und aus Kentucky. Ihre Raffinesse entwickelt sie vor allem gegen das Ende hin, denn da, wo einfachere Qualitäten sehr an Kraft und auch leicht bitteren Noten zunehmen, da wartet die Uno mit einer sehr runden feinen Süsse bis zum Ende auf! Zwar ist das Rauchen zweier Hälften wegen der zwei anfallenden Stumpen etwas kostspieliger als bei einer ganzen Zigarre, aber die Master Aged 1 hat mir persönlich als kurze Toscanello besser gefallen, weil sie so ihre Stilistik im Vergleich besser ausspielt.
Die Master Aged Due (2)
Mit der Due habe ich zugegebenermaßen meine größten Schwierigkeiten. Nicht dass sie mir nicht gefallen würde, aber ich persönlich finde den Unterschied zur Uno relativ überschaubar und die Stärke des Kentuckys kommt hier ähnlich zur Geltung: mit schöner Süsse und einer schönen Portion Gewürze, die die eher cremigere Uno so nicht hat. Allerdings hat mir persönlich die Master Aged Due hier im ganzen geraucht besser gefallen als in der Toscanello-Version, weil sie da kein so schön süsses Finish wie die abgeschnittene Uno bieten kann!
Die Master Aged Tre (3)
Die Zigarre habe ich ohne Zellophan fotografiert. Weil sie einerseits eine wunderschöne Farbe hat und weil sie meine Favoritin unter den drei Master Aged Zigarren ist und zwar in diesem Fall unabhängig davon, ob sie im Ganzen geraucht wird oder als Toscanello! Als ganzes Sigaro Toscano finde ich sie aber wirklich beeindruckend, denn sie hat etwas, was den anderen fehlt, und das ist eine ausgeprägte wundervolle Rauchigkeit, die prägnant, aber doch rund und harmonisch erscheint. Nun bin ich ja auch Pfeifenraucher und liebe Latakia-Mischungen über die Maßen, heißt, ich liebe rauchigen Tabak! Vielleicht ist das der Grund, warum mir die Master Aged Tre so gut gefällt? Nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht: wir sprechen hier ausschließlich von Fire Cured Kentucky Tabak, aber einem, der seine starken Röstaromen und seine Rauchigkeit wie ein Bodybuilder vorführt und dabei doch eine ganz weiche Seele hat! Im Ganzen geraucht liefert sie locker zwei Stunden Genuss bei vollem Körper und geschmacklicher Tiefe!
Aber sag‘ mal, Toscani, die sind doch stark wia z’Sau? Kann man die überhaupt rauchen? So ohne kalten Schweiß, ohne Schluckauf, ohne Durchfa…? Ja klar, ich habe da gar keine Probleme damit! Wenn man sich ein bisschen konzentriert, auf die Zigarre einläßt und ein bisschen darauf achtet, sie nicht zu schnell zu rauchen, ist das gar kein Problem!
Scherz beiseite: Aber dann wird man belohnt mit absolut entspannenden Stunden langsamen Genusses, einem großen Stück europäischer Zigarrentradition und der Gewissheit, dass es für großen Genuß nicht zwangsweise auch ein großes Vermögen braucht! Mir taugt das sehr und ich kann nur empfehlen, es auszuprobieren! Und den Espresso nicht vergessen!
P.S.: Der Alex meinte vor Wochen mal: lockere den Artikel über Zigarren doch mit einem Selfie oder sowas ähnlichem auf! Gut, Selfies sind’s nicht, aber ich hoffe, das ist locker genug!
Viel Vergnügen!
Hallo Peter,
die Toscani mag ich auch hin und wieder sehr. Ich hab die Master Aged Serie wahrgenommen aber noch nicht geraucht. Das werde ich demnächst nachholen. Klingt alles sehr lecker.
Grüße Jürgen
Hallo Jürgen,
ich kann’s nur empfehlen! 6,50 ist jetzt nicht geschenkt, aber so eine 3 im ganzen geraucht ist eine seriöse Zigarre, die zwei Stunden Genuß bietet, und da sind die 6,50 dann wieder recht zivil!
Grüße
Peter
Nun habe ich in meinem bisherigen Leben weder eine Zigarette noch eine Zigarre probiert und werde das sicherlich auch in der Restzeit nicht tun. Aber allein die kurzen „römischen Skizzen“ des Autors wären Verführung genug, einmal einen Versuch zu starten. Der müße dann allerdings ebenfalls in der Altstadt von Rom stattfinden, vielleicht gemeinsam – al posto dell’espresso da Patolli a Monaco.
Natürlich sind mir die Toscani / Toscanelli schon öfters im Münchner Pfeifenclub begegnet, vor allem in der Toscanelli Version und immer wieder habe ich Fragen dazu gestellt, die Antworten aber nie so richtig vermerkt. Wahrscheinlich, weil sie für mich nur komische Dinger waren, sehen nicht aus wie gestandene Bombast-Zigarren oder Erhardsche Torpedos. Aber nun -und das gelesene Wort wirkt wie stets besonders – weiß ich mehr darüber und kann endlich verstehen, warum es Liebhaber derselben gibt und warum sie wann sogar Sinn machen können.
Danke für die schöne „Erhellung“.
Danke für den Kommentar! Gegenfrage: Was antwortest du denn jemandem, der dir sagt: „Nun habe ich in meinem bisherigen Leben nie eine Auster probiert und werde das sicherlich auch in der Restzeit nicht tun.“? Klar, ein Leben ohne Austern ist möglich, aber…. Du weißt, wenn wir uns das nächste Mal auf einen Espresso treffen, dass die Dose mit den Toscanelli wie immer neben meiner Espressotasse liegt!
Ich bin zu alt, um mich noch zu solchen Experimenten verführen zu lassen …..
Auch wenn, oder besser, gerade weil ich kein Zigarrenraucher mehr bin, freut mich dieser erhellende, in ein römisches Stimmungsbild gehüllte Bericht über die wahre Natur der Toscano Zigarre, die ich nicht kannte. Im Augenwinkel ist mir dieser Name in den Tabacchis schon aufgefallen, aber weiter nichts.
Danke recht herzlich.
Die Toscano gibt sogar in Österreich, das ja ein traditionelles Zigarrenraucherland zu sein scheint. Vielleicht kauf ich mir einmal eine der meistergealterten. Dazu würde ich wieder einmal in meinem ersten Rom Reiseführer schmökern wollen, jener mit dem von zarter Hand leichthin gezeichneten Pfeil -> Albergo Sole am Campo de Fiori. Aber ich find das verflixte Büchl nicht.
… und weiter, weiter? Wie lange hat Dich die Zarte Hand begleitet, was ist im Albergo Sole alles passiert? Habt Ihr Euch nach Rom aus den Augen verloren? Hat sie vielleicht das verflixte Büchl seinerzeit heimlich an sich genommen (und blättert immer noch regelmäßig darin!) Fragen über Fragen ….. einer Erzählung von Somerset M. würdig.
Tja, Bodo :-), die Zarte Hand erscheint, wenn der trakelsche dunkle Wohllaut die Seele heimsucht, noch immer, jetzt, in späten Jahren, immer öfter auch in Gestalt eines Zeigefingers. Ermahnend, aber immer noch in die selbe Richtung zu unserem persönlichen Campo de‘ Fiori weisend. Niemals hinaus. Glück. Das sich auf meinem Antlitz gerade wieder breit machende Lächeln verpatz ich mir nicht durch Beschreibung der real erlebten typisch römischen Touristenfalle. Bruchbude Hilfsausdruck. Aber der berühmte Zauber ließ uns das nicht bemerken. Schon allein diese Vorläufer der click-baits, Sole und Fiori… Wenn ich den geradezu hechelnd vorgebrachten Wunsch nach Details so zusammenfassen darf.
Lieber Karl, ich hätte meine impertinenten, investigatorischen Fragen keineswegs gestellt, wenn ich geahnt hätte, wie sehr ich Dich damit in die traklschen Abgründe treibe. Oder zumindest Deine Erinnerungen darauf richte. Immerhin – vielleicht findet das ja auch als Abbitte Akzeptanz-(wiewohl das schon wieder als Impertinenz betrachtet werden könnte), habe ich mal wieder den träumenden Sebastian gelesen.
Kein Grund für Reue. Peter Hemmers Toscanoartikel, zu welchem mein einziger fachrelevanter Beitrag die ungeheuer wichtige Bemerkung war, daß ich diese Marke nicht kannte, hat mich an das Rom erinnert, als es (außerhalb der heiligen Jahre) noch bereisbar war, in der Folge an den Reiseführer, die zarte Hand usw usf.. Das Trakl Zitat zielt dabei auf keinen Abgrund hin, sondern auf einen noch immer anhaltenden Wohlklang der Seele. Eines jener schönen Gedichte des Meisters, welche ohne mond’ne Kühle und silbern zerklirrendes kindlich Gerippe auskommen.
nun bin ich erleichtert!
Servus Peter, sehr schöner und, wie immer, fundierter Bericht über die Toscani/Toscanelli. Ich persönlich bevorzuge von den dreien die „Numero Due“ im Ganzen geraucht. Auch wenn ich gerne kräftige Tabake rauche, ist mir die „Tre“ doch „un po di piu“ was die Stärke anbelangt.