Shuteen Erdenebaatar – Rising Sun
Ein Debütalbum, auf dem alle Stücke als highlights durchgehen? Bei Rising Sun, dem ersten Album der 24jährigen mongolischen Pianistin Shuteen Erdenebaatar und ihrem deutschen Quartett, ist das der Fall. Sie wuchs auf in einer von Kunst geprägten Umgebung, der Vater war 40 Jahre lang Direktor der National Oper der Mongolei. Sie absolvierte ihr Studium in klassischem Klavier und Komposition in Ulaanbaatar, durch das Goethe-Institut kam sie in Berührung mit dem Jazz. Ihr Studium schloß sie ab mit einem Master in München, seit 5 Jahren ihre Wahlheimat. Seitdem wurde sie mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, darunter in diesem Jahr den Deutschen Jazzpreis in der Kategorie „Ensemble des Jahres“.
Das Quartett, dem sie angehört und das ihren Namen trägt, besteht aus Studienkollegen, die sich mittlerweile in der deutschen Jazzszene etabliert haben. Zusammenspiel und Arrangement der Stücke des Quartetts sind bemerkenswert. Gerade so, als spielten Sie bereits seit ewigen Zeiten miteinander. Hier zahlen sich die zahlreichen Clubkonzerte aus. Bei der Verleihung des BMW Young Artist Jazz Award 2022 und ein Jahr späer hörte ich sie in der Unterfahrt in München und war jeweils begeistert. Besonders hervorzuheben, wie kongenial Anton Mangold (Saxophon und Flöte), Valentin Renner (Schlagzeug) und Nils Kugelmann (Bass), sich dem Piano stellen. Hier wirken gleichberechtigte Solisten an einem fantastischen Ganzen.
In den vergangenen 3 Monaten, die ich auf südlichen Gewässern verbrachte, läutete ich die tägliche, abendliche Ruhephase mit Rising Sun ein, so manches Mal bildeten die nächtlichen äolischen Inseln und die eine oder andere sizilianische Nacht eine perfekte Bühne. Ein Stimmungsbild, das ich jetzt, im beginnenden Münchner Herbst, bereits vermisse.
Das Album mit seinem Grundtenor von klassischem Piano Jazz, mongolischen Volksweisen, Folk und amerikanischem Blues, mit Rhythmen aus Jazz und Rock, ist mal energiegeladen, dann wieder melancholisch und verträumt, auch in den romantischen Phasen immer intensiv. Die Drumparts, der markante Bass und die oftmals lyrischen Saxophonimprovisation schaffen Spannung pur, ohne je anstrengend zu sein.
Shuteen Erdenebaatar hat das gesamte Repertoire komponiert, arrangiert und produziert. Die Titel sind maßgeschneidert auf die jeweiligen Stimmen. Nur wenn Musiker unabdingbar miteinander vertraut sind, schaffen sie solche kreativen Momente und eine Harmonie, die ein Spitzenquartett ausmachen können. Anton Mangold zieht mit seinem Spiel kontinuierlich die Aufmerksamkeit auf sich, während Valentin Renner und Nils Kugelmann mit Präzision und Ausdruckskraft die rhythmische Basis legen. Die Pianistin selbst nutzt ihre künstlerische Freiheit für eine mitreißende und leidenschaftliche Darbietung, die Sie, verehrte Leser und Hörer, ebenso empfinden werden, wenn Sie sich darauf einlassen.
Mittlerweile gibt es weitere hörenswerte Aktivitäten der Pianisten neben ihrem Quartett:
Lightville – mit Nils Kugelmann
Chamber Jazz Orchester
Plattenspieler
Shuteen Erdenebaatar – piano
Nils Kugelmann – upright bass
Valentin Renner – drums
Anton Mangold – soprano saxophone (tracks 1, 2); alto saxophone (tracks 4, 6, 7, 8); flute (track 5)
Von wegen, es gäbe nichts neues im Jazz.
Es lohnt sich den Werdegang und die musikalischen Wendungen junger Musikerinnen und Musiker zu verfolgen.
Da wären z.B. die 27jährige polnische Bassistin
Kinga Glyk, die zeitweise die hervorragende 34jährige, amerikanische Saxophonistin Hailey Niswanger in der Band hatte; da wäre der 26jährige deutsche Hammondorganist und Keyboarder Simon Oslender, von dem man den Eindruck hat er spiele die Orgel schon seit 50 Jahren, oder auch die 29jährige Sängerin Alma Naidu aus München.
Die habe ich alle auf dem Schirm.
Aber mindestens eine ging mir durch die Lappen……. und deshalb ganz herzlichen Dank, Bodo, für den Hinweis auf diese tolle Musikerin.
Ich habe mich jetzt zunächst mal durch alles durchgehört was es auf YouTube von ihr gibt.
Alles großartig, sowohl von 2022 in Quintett-Besetzung mit anderen Bläsern, wie auch in der aktuellen Quartett-Besetzung, wobei da besonders die Expressivität des Saxophonisten Anton Mangold hervorsticht, eingebettet in ein toll eingespieltes Kollektiv.
Auf die komplette CD bin ich dann nochmal gespannt, wenn sie eintrifft.
Wermutstropfen: die kommenden Live-Auftritte sind für mich zu weit entfernt….. aber irgendwann wird es schon passen.
…. kein Weg ist zu weit ……. 🙂 … und wo ein Wille, da ein Weg …..
Stimmt schon, aber es muss auch die Zeit dafür passen und der Preis…..
München wäre das Nächstliegende, aber zu Prä-Oktoberfest- und Post-Oktoberfest-Zeiten, was Hotelpreise betrifft indiskutabel.🤷♂️
…..und außerdem habe ich von Anfang Oktober bis Mitte November das enjoy Jazz Festival fast vor der Haustür. Inzwischen das größte Jazzfestival in Deutschland.
https://enjoyjazz.de/veranstaltungen/
Aber vllt. wird es ja was in Burghausen Ende November.😊
Auch mir geht es so mit diesem Album: seit ich es besitze muss ich es immer wieder hören, heute mit einer Füllung G.L.Pease Odyssey begleitet, großer Genuss.
Und immer wieder ist neues zu entdecken, sei es in der Anschlagskunst von Shuteen Erdenebaater oder im Spiel des Saxophonisten Anton Mangold.
Der letzte Titel des Albums „I‘m glad I got to know you“ ist gleichzeitig auch Motto des Hörers bezüglich des Albums.
Mal sehen, wann sich ein Konzertbesuch live ergibt.
Apropos live:
Ich kann nicht umhin auf eine weitere junge Musikerin aufmerksam zu machen, die ich bisher auch nicht kannte.
Vor ein paar Tagen lieferte die 22jährige englische Saxophonistin Emma Rawicz mit ihrer Band aus gestandenen Musikern: Ivo Neame (p), Kevin Glasgow (elec-b), Asaf Sirkis (dr, perc) beim enjoy jazz festival ein furioses Konzert ab.
Sie kann eigentlich alles, von expressiver Improvisation bis zur Ballade.
Alle Kompositionen und Arrangements sind von ihr.
Beeindruckend wie sicher sie in ihrer Jugend als Bandleader agiert, ohne sich als Mittelpunkt zu inszenieren. Immer wieder verschwindet sie an den Bühnenrand um den Soli ihrer Mitmusiker die volle Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und freut sich sichtlich wie die ihre Musik umsetzen.
Spannung gab es in diesem fast 2 stündigen Konzert vom ersten bis zum letzten Ton!
Aufschlussreich bezüglich ihrer Zielstrebigkeit ist dieses Interview:
https://m.youtube.com/watch?v=_ulqHBh1I-s&pp=ygUVRW1tYSByYXdpY3ogaW50ZXJ2aWV3
Musikalische Beispiele auf youtube.com gibt es zuhauf.
Ihr neues Album bei ACT heißt Chroma.
Wer die Gelegenheit hat, sollte ein Konzert von ihr nicht verpassen.
Mit Spannung darf man erwarten wie all diese jungen Musikerinnen und Musiker sich weiter entwickeln.
…nicht nur Chroma, auch das 2022er Incantation ist hervorragend.
Ich weiß, Bodo. Auch das ist auf dem Weg zu mir.
Es beeindruckt wie routiniert sie beim live-Auftritt ist.
Beim Gang auf die Bühne, während des Anfangs-Applauses: sie hatte ein Mikro auf dem Saxophon, den Funksender in der Hosentasche und das lang durchhängende Kabel blieb an der Flügelbank hängen und riss den Sender aus der Tasche zu Boden.
Fast alle jungen Künstler wären bei einem solchen Auftakt auf einem der großen Festivals in Panik geraten.
In Ruhe samnelte sie alles auf und das Konzert begann.
Später: Wechsel aufs Sopransaxophon, das sie über Ständermikro vor ihr spielt.
Beim nächsten Stück, es hat schon mit den anderen begonnen, will sie das Tenorsax aufnehmen und das Funkmikro fällt ab….. völlig unbeeindruckt baut sie es schnell ab und spielt weiter über das Mikro am Stativ.
Diese coole Routine einer 22Jährigen und die Art wie sie die Band leitet haben mich schwer beeindruckt!!