Khatia Buniatishvili | Mozart – fantastique
Foto: © copyright Forbes
In der Tat ist festzustellen, daß in der klassischen Musik die optische Exhaltiertheit und medienwirksame Exponiertheit – fast ausnahmslos bei Solo-Künstlerinnen – sehr zugenommen hat. Das mag man bekritteln, es als angenehm empfinden oder völlig außer acht lassen.
Ob die Pianistinen Yuya Wang oder Khatia Buniatishvili vermutete körperliche Reize oder besonders ausgefallene Kleider und Stilettos kamerawirksam mit in den Vordergrund rücken oder nicht, schmälert allerdings nicht ihre herausragenden künstlerischen Fähigkeiten. Natürlich – soviel Chauvinismus nehme ich mir heraus – höre ich einem mausgrauen Kartoffelsack weniger gerne zu, aber die gibt es heutzutage eh kaum noch.
Ich erinnere mich an eine kürzlich in der freitäglichen Münchner Runde geführte Unterhaltung, in der die oftmals freizügige „Darbietung“ körperlicher Ausstattung bei der Pianistin Khatia Buniatishvili zu einer vernichtenden Kritik ihrer musikalischen Befähigung geführt hat.
Vergleicht man nun das öffentliche Bild, das uns von früheren Pianostars wie z.B. Clara Haskil (1895-1960, meine Allzeit Favoritin) oder Ingrid Haebler (1929-2023) vorliegt, so ist von Glamour oder Schickeria wenig zu spüren, es zählt das Werk. Und auch die nun 84 jährige Klavier-Urgewalt Martha Argerich ist mittlerweile nur noch durch ihre unverändert fantastische künstlerische Leistung ein „Haupt Act“ und nicht mehr durch ihr früher vordergründig an 7 ¼ Oktaven bei 88 Tasten eingebettes Dekolleté.
Zurück zu Khatia Buniatishvili, der mittlerweile in Paris lebenden Cosmopolitin, geboren 1987 in Georgien. Ich verfolge ihren Werdegang seit vielen Jahren und ihr Œuvre nimmt zu, aber nicht flutartig, wie man aufgrund der steigenden Beliebtheit vermuten mag.
Warum ich das neue Album mit den Mozart Klavierkonzerten Nos. 20 und 23 als Album des Monats ausgewählt habe, liegt vor allen an der eher versteckt aufgeführten C-dur Klaviersonate No. 16, der Sonata facile. Das Khatia Buniatishvili aus der „kleinen Klavier Sonate für Anfänger„, wie Mozart sie im Sinn hatte, ein perfektes, wundervoll leichtes und doch so komplexes Tonstück zaubert, das ich immer 2 bis 3 Mal hintereinander hören muß und bei dem immer neue Nuancen entdeckt werden können, ist das außergewöhnliche Verdienst der Pianistin.
Ich hoffe, Ihnen gefällt es ebenso und das Ohr ist dann eh geschärft für die zwei Klavierkonzerte, nicht minder einnehmende Interpretationen der Künstlerin.
Khatia Buniatishvili hat bisher vor allem romantische Werke von Schubert, Liszt, Chopin und Rachmaninow gespielt. Mit dem dramatischen d-Moll Klavierkonzert No. 20 beginnt das Album mit einem der zwei Moll Konzerte, die sich unter den 27 Klavierkonzerten von Mozart finden und das Sie vielleicht als Teil der Oper „Don Giovanni“ erkennen werden. (das 2. ist das Klavierkonzert No. 24 KV 491 in c-Moll). Die Academy of St. Martin in the Fields, in einer Doppelrolle dirigiert von der Pianistin, eröffnet den ersten Satz wundervoll leise und baut eine gelinde Spannung auf, der sich ab 2:14 das Klavier ebenso sanft und melancholich, ja romantisch einfügt.
Und dann die altehrwürdige Academy of St. Martin in the Fields. sie spielt so wunderbar kammermusikalisch, hinschmelzende Streicher und warme, in feinste Nuancen aufgelöste Holzbläser, was für ein Orchester.
Der zweite Satz, eine Romanze, überrascht, wiederum ab dem Mittelteil. Das Klavier gibt zu Beginn eine innige Stimmung ab, idyllisch, fast bukolisch. Bis ab 4:00 die Holzbläser das Klavier aufnehmen und sich die Instrumente so gegeneinander austauschen, sich beflügeln, das ich mir vorstellte, gleich wird Pan in einer Idylle erscheinen.
Den dritten Satz müssen Sie sich erhören, Sie sollten jetzt eingestimmt sein. Ein paar schnelle Rondo Takte und in der Folge ständig dynamische Variationen, vielfach ab- und aufgelöst durch die fantastische Academy. Auch beim a-Dur Klavierkonzert No. 23 will ich Sie Ihren eigenen Eindrücken und Empfindungen überlassen, denn die Künstlerin und das Orchester setzen den Höhenflug fort. Ich würde nur noch weiter ins Schwärmen geraten. also bleiben Sie besser unbeeinflußt.
Allerdings richten Sie Ohr und Augenmerk unbedingt intensiv auf die Sonata facile, dem dritten Stück auf dem Album. Khatia Buniatishvili spielt diese Sonate mit großer Transparenz, spannungsgeladen und der Flügel klingt fast gar nicht wie ein solcher, eher wie ein Pianoforte!
Rubinstein, AB Michelangeli, Clara Haskil, Gulda und Kempff, Casadesus, Pollini und Serkin – meine Heroen in der Welt der Mozart Klavierkonzerte und Sonaten. Khatia Buniatishvili setzt diese illustre Reihe fort.
Hörts es, dann wissts es.
Ich teile im Hinblick auf das künstlerische Genie Ihre Meinung. Aber die aus dem Foto ersichtliche Selbststilisierung, um es etwas abstrakt auszudrücken, empfinde ich als deplatziert und obszön. Das gehört sich nicht. Das passt auch nicht zu dieser Musik. Die Frage ist, warum jemand so etwas macht. Und die Antwort ist schnell zu finden. Aber die Musik ist großartig! Herzlichen Dank für Ihren Beitrag!
Servus Gert, danke für Ihre schnelle Zuschrift. Ich gebe Ihnen Recht, ich finde auch, daß diese Musik das nicht braucht. Schade wäre es nur, wenn wirklich gute Musik oder ihre Darbietung nicht beachtet würden, nur weil der Künstler sich in besonderer Pose abbilden läßt.Ich beachte das einfach nicht.
Klar – ich hätte die Bilder in dem Artikel auch weglassen können, aber dann wäre einiges vielleicht nicht verständlich geworden.
Herzliche Grüße aus München, Bodo
Liebe Leser, obwohl ich bei der Edition des Artikels wie gewöhnlich eine Textmarke eingefügt habe, die dafür sorgt, das in der Info-Email an Sie nur die ersten 3 Zeilen des Artikels gezeigt werden, hat das diesmal nicht funktioniert, für mich nicht nachvollziehbar.
Ich bitte um Nachsicht.
Gut, dass du das passend am ersten April gepostet hast! Und vermutlich in erster Linie, um mich zu ärgern…
Der Klassikbranche scheint es so schlecht zu gehen, dass sie sich sogar einen halbwegs passablen Dirigenten gespart haben!? Gerade, wenn man ihn bräuchte. Dabei gibt es doch sogar auch passabel aussehende Dirigentinnen, die hier für’s Cover gepasst hätten und vermutlich mehr zu Wege gebracht hätten als so einen weichgespülten, uninspirierten Mainstreamklangbrei?
Wer wissen will, wie Mozarts Klavierkonzerte heute auch klingen können, der möge sich die Einspielungen von Kristian Bezuidenhout mit dem Freiburger Barockorchester zu Gemüte führen.
Und zur Vermarktung der Starpianistin sei dieser Clip empfohlen: https://www.youtube.com/watch?v=kQYW_jqpycM Dabei ist das degoutanteste nicht Mal die Optik sondern dieser hundserbärmliche Schubert! Nein, ich verfolge diese Frau nicht, ich habe eher das Gefühl, horribile dictu, dass sie mich verfolgt! Und jetzt auch ausgerechnet hier – wie unbarmherzig.
Aber Peter, wieso sollte ich Dich ärgern wollen? Nichts liegt mir ferner. Das ist auch nicht meine Intention für die Rubrik „Album des Monats“
Ich halte diese Mozartaufnahme für genial und dabei bin ich nicht vom Erscheinungsbild der Künstlerin beeinflußt, das habe ich zum Ausdruck gebracht.
Bezuidenhout, den ich ansonsten oftmals schätze, (ich habe u.a. fast seinen kompletten Mozartkatalog) reicht für mich keineswegs an die Darbietung von Khatia B heran und auch die Freiburger schaffen nicht diese fantastische Atmosphäre, wie sie der Academy gelingt. So schmelzende Streicher und Hornbläser mit glasklar aufgelösten Linien sind mehr als respektabel und alle Klavierparts dazu. Dieser Mozart klingt anders, jünger, vielleicht sogar moderner. Auf jeden Fall intensiver. Deshalb habe ich die Aufnahme als Album des Monats ausgewählt und nicht, um zu polarisieren oder zu ärgern.
Ich habe mir fast ein Vierteljahr Zeit für dieses Review genommen und als Hörvergleiche für die Mozart K-Konzerte verschiedene Aufnahmen mit AB Michelangeli (hier allein 5 verschiedene), Brendel mit der Academy unter Marriner, Casadesus und Cleveland/Szell sowie Ingrid Haebler herangezogen, die für mich Referenzstatus haben. Pollini mit den Wienern habe ich dann nicht mehr geschafft, das hätte nichts mehr gebracht.
Den Lesern / Hörern empfehle ich, einfach losgelöst vom ganzen Drumherum einen wundervollen Mozart zu geniessen.
Mit gleichzeitig dirigierenden Solisten ist das so eine Sache.
In intensiven Phasen des Solospieles fällt die Spannung der orchestralen Begleitung häufig ab oder das Orchester spielt undifferenziert, da der Dirigierende ja spielt und somit das Orchester ohne exakte Führung ist.
Mal ganz abgesehen vom deutlich hörbaren, unterschiedlichen musikalischen Konzept zeigt das auch das folgende Beispiel:
https://m.youtube.com/watch?v=gLhJJlechRk&pp=ygUrTW96YXJ0IEtsYXZpZXJrb256ZXJ0IG5yIDIwIGZyaWVkcmljaCBHdWxkYQ%3D%3D
Beide Protagonisten sind sicher, jeder auf seine Art, extrovertiert.Die eine bezüglich des Outfits, der andere bezüglich seiner Attitüde.
Das sollte aber nicht in die musikalische Bewertung einfließen.
Auch in der „Sonata facile“ sind, wertneutral beschrieben, deutliche Unterschiede hörbar.
https://m.youtube.com/watch?v=FIxCp8uda8E&pp=ygUkTW96YXJ0IHNvbmF0YSBmYWNpbGUgZnJpZWRyaWNoIEd1bGRh
Khatia Buniatishvili nur aufgrund ihres Outfits zu disqualifizieren oder als obszön zu beschreiben halte ich für nicht angemessen.
Erstens ändern sich die Zeiten für die wir Ältere manchmal wenig Verständnis haben.
Zweitens trägt auch Anne Sophie Mutter schulterfreie Kleider, was ihr nicht angekreidet wird.
Dass sich Khatia Buniatishvili durchaus Gedanken über ihre musikalischen Konzepte macht zeigt das folgende Interview:
https://m.youtube.com/watch?v=P6RBE7Is164&pp=ygU5a2hhdGlhIGJ1bmlhdGlzaHZpbGkgbXVzc29yZ3NreSBwaWN0dXJlcyBhdCBhbiBleGhpYml0aW9u
Ohne dieses würde sich ihre Version von Mussorgskis Bilder einer Ausstellung, die sich deutlich von „Klavierlöwen-Versionen“ unterscheidet, nicht unbedingt erschließen.
https://m.youtube.com/watch?v=UzgosPZzSk4&pp=ygU5a2hhdGlhIGJ1bmlhdGlzaHZpbGkgbXVzc29yZ3NreSBwaWN0dXJlcyBhdCBhbiBleGhpYml0aW9u0gcJCWIABgo59PVc
Ob das gefällt oder nicht entscheidet der Hörer. Klaviertechnisch kann man ihr nichts vorwerfen.
So spielt man also heutzutage Mozart:
Grundlackiert wie eine Außenministerin, im Rauscherock auf goldprangender Bühne, mit schmachtendem Blick, zum Einschlafen rührselig, gefühlsverlogen: Klassik für chinesische Touristen. – In die vorgestellte CD mochte ich dann gar nicht mehr reinhören, so gut sie auch sein mag.
Hier ein Gruß aus einer anderen Welt, von Horowitz, dem Schalk:
[…zum Einschlafen rührselig, gefühlsverlogen: Klassik für chinesische Touristen.]
Aus dem Magazin „Capital“
Reisemarkt „China ist der Silberstreif am Horizont für den weltweiten Tourismus“