Joep Beving | Prehension
Als mich 1996 die Welle des italienischen Komponisten und Pianisten Ludovico Einaudi erwischte, vereinnahmte mich seine Musik sofort. Le Onde – die Welle – war etwas neues, so ruhiges, nicht Klassik, nicht Jazz, nicht Mainstream. Das setzte sich mit den nächsten zwei bis drei Alben so fort und dann glitt Einaudi ab in einen banalen, langweiligen und völlig beliebigen kommerziellen Pop, in dessen Kompositions-Loop er bis heute verharrt. Der Erfolg sei ihm gegönnt, zuhören kann ich ihm nimmer. Im vergangenen Jahr traf ich auf den niederländischen Komponisten und Pianisten Joep Beving. Mit seinen über 2 Metern lichter Höhe, der Haartracht und dem wirren Bart erinnert er mich stark an Herrn Tur Tur, den sanften Scheinriesen. Und ich war wieder in der Le Onde – Zeit angekommen.
In Cannes auf dem Lions Festival, auf dem die Oscars der Werbebranche vergeben werden, erlebte er wohl seine vorerst finale musikalische Erweckung. Als er auf dem Flügel im Hotel eine seiner Kompositionen spielte, hatten die Leute Tränen in den Augen. „Es war das erste Mal, dass ich sah, welche emotionale Wirkung meine Musik auf die Zuhörer haben kann,“ so der Musiker. Und so endet Joep Beving`s musikalischer „Bildungsroman“ nach einigen Irrungen und Wirrungen schliesslich bei Spotify und ab da in den Erfolg bei der Deutschen Grammophon, immerhin das bedeutendste Klassiklabel der Welt. Dort ist im April sein zweites Album Prehension erschienen, Nachfolger des im Jahre 2015 noch im Selbstverlag aufgelegten Werkes Solipsism. Und reflektiert man auf diesen Titel, so scheint sich Joep Bening tatsächlich der Philosophie des Solipsismus verschrieben zu haben. Vielleicht aber ist das in Zukunft ein Hemmschuh, der in die Einaudische Langeweile und Copy & Paste Knopfdruckproduktion führt. Also – geniessen wir, was uns die Kompositionen und der Vortrag des Niederländers heute bieten. Visuell im übrigen unterstützt durch wundervoll ästhetische Fotos und Videos des gebürtigen Iraners Rahi Rezvani.
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