Björn Larsson – Long John Silver
Gibt es Jemanden in unseren Breiten, der die Schatzinsel von Robert Louis Stevenson nicht verschlungen hat? Schwer vorstellbar. Die erzählerische Meisterschaft des nur 44 jährig an Tuberkulose auf Samoa verstorbenen Schotten brachte uns den wohligen Schauer seiner Romane aus dem viktorianischen Zeitalter in die Jugendstube und die Schatzinsel war beileibe nicht der einzige: Dr. Jekyll und Mr. Hyde, Der Junker von Ballantree, Catriona und St.Ives sowie zahlreiche Reiseabenteuer sind eine auch heute noch attraktive Lektüre. Peter Hemmers Review über den Navy Flake von Samuel Gawith, in der er so treffend aus der Schatzinsel zitiert, brachte mir den Roman in Erinnerung und die Faszination stellte sich wieder ein. Und da lande ich nun bei dem schwedischen, segelnden Autor Björn Larsson, den ich 1991 durch den wundervollen Roman Der Keltische Ring kennen gelernt habe und den ich hier vor einiger Zeit bereits vorgestellt habe. Seinen internationalen Durchbruch hatte Larsson 1995 aber mit der romanhaften, fiktiven Biographie über Long John Silver, den einbeinigen Schiffskoch aus der Schatzinsel. Long John Silver, den Björn Larsson der Schatzinsel entlehnt hat und den er selbst „den abenteuerlichen Bericht über mein freies Leben und meinen Lebenswandel als Glücksritter und Feind der Menschheit“ erzählen läßt.
Silver, grölend und gewitzt, führt uns hautnah in die haarsträubenden Lebensverhältnisse der Seeleute und Piraten des 18. Jahrhunderts. Opfer ausbeuterischer Kapitäne und erschüttender Willkür sind sie allesamt und so wechselt Silver ohne Skrupel auf die unehrbare Seite des Gesetzes. Er erzählt unsentimental und mit einer empörenden Selbstverständlichkeit durch den Strom der Erfahrungen: Schiffbruch, Verrat, Versklavung, Verstümmelung. Seine Geschichten sind mindestens so komisch wie schockierend. Doch das „Logbuch meines Lebens“, wie der alte Pirat seinen Bericht nennt, ist weit mehr: er hat ein Leben jenseits der Gesetze gelebt, vor allem aber jenseits ungerechter, unglaubwürdiger Gesetze. Weil sie vor seinen Augen keinen Bestand haben, durchzieht Meuterei sein Leben wie ein roter Faden. Im Schatten des Galgens lebt er und hier ringt er seinen bizarren Erfahrungen Bruchstücke einer neuen Lebenslehre ab.
Und so gilt für mich, was Fabian Kastner seinerzeit im Svenska Dagbladet so treffend beschrieben hat:
Ich glaube Larsson. Unbedingt!
Ich weiß, daß ich diesen Roman immer wieder lesen werde – weil er so herrlich halsbrecherisch zwischen Fiktion und Wirklichkeit wechselt. Larsson löst grundlegende Konstruktionsprobleme mit beinahe provozierender Unkompliziertheit…… Dem Autor ist es es gelungen, zwischen Büchern und Jahrhunderten einen Resonanzraum zu schaffen, in dem der Tradition verpflichtete Käuze und superintellektuelle Intertexttualisten soch von derselben Stimme gleich gut unterhalten lassen können.
Zitat aus Svenska Dagbladet 2008
Und wem die Erzählung von „ihm selbst“ noch nicht genug ist, der kann auf das über dreistündige Hörspiel zurückgreifen. Ich aber empfehle, zwischen den einzelnen Kapiteln des Buches immer mal wieder in das wundervolle Album des schwedischen Bassisten Lars Danielssson Libretto III aus dem Jahre 2017 hineinzuhören.
Neueste Kommentare