Weißer Tee | Jasmin Silver Needle (Moli Yin Zhen)
Im wunderschönen Hotel Mandarin Oriental in Bangkok habe ich im vergangenen Jahr eine besondere Tee-Erfahrung machen können, der ich -nachdem ich endlich Quellen für den Bezug in Deutschland gefunden habe- auch daheim nachkommen kann. Denn der Jasmin Silver Needle ist in Asien nicht immer und nur zu bestimmten Zeiten verfügbar. Die Anbaufläche in der südchinesischen Provinz Fujian ist auf nur wenige Dörfer beschränkt. High Tea, der traditionelle Afternoon Tea, wird in den meisten Metropolen Südostasiens von 13:00 bis 18:00 -oder richtiger
2 p.m. – 6 p.m.- serviert.
Im altehrwürdigen Oriental ist er etwas ganz besonderes. Wann immer ich Zeit und Gelegenheit habe, so drei bis vier Mal im Jahr, finde ich mich im Hotel am Chao Praya River ein, reise mit dem Wassertaxi an, das direkt am Steg des Oriental hält und begebe mich in die Author`s Lounge.
Die Empfehlung – auf Nachfrage nach einem nicht ganz alltäglichen Tee- war der Silver Needle, den ich bis dahin nur vom Namen her kannte. Ein weißer Tee aus der Provinz Fujian, die zwar Chinas größter Teeproduzent ist, deren Silver Needle eben nur von einer ganz kleinen Anbaufläche stammt. Der Teamaster, eine berückende, nicht mehr ganz so junge Thai und wohl deshalb von ungemein einnehmender, anziehender Erscheinung, ließ mich alles Wichtige über den Tee wissen. Wundervoller, sanfter Singsang, unaufdringlich, eine gute Erzählerin zur frühen Nachmittagsstunde. Schade, daß wohl noch andere Gäste auf ihren Rat warteten. Der Tee in den feinen, dünnen Tassen war der Jasmin Silver Needle der besonders hochwertigen Sorte Yin Zhen. Und genau diesen Tee konnte ich später in Deutschland kaufen.
Der Yin Zhen wird nur in zwei Landkreisen der Provinz, Fuding und Zhen He, angebaut. Die Knospen entwickeln sich auf der besonderen Teepflanze (Yin Zhen)-Da Bai, und sind kräftig und größer als allgemeine Teeknospen. Das sie von Hand gepflückt werden, versteht sich. Wie überhaupt der gesamte Vorgang, vom Pflücken über das zweifache Trocknen bis zur Verpackung händisch gemacht wird, um größtmögliche Sorgfalt sicherzustellen.
Die Besonderheit : es werden im Frühjahr nur die ungeöffneten Blattknospen gepflückt, die silbrigfarben und mit einem weißen, feinen Flaum überzogen sind. Genaugenommen gibt es somit kein Blattgut, wie man es gewohnt ist. Diese „Silver Needles“ erinnern in der Tat an Piniennadeln. Sie werden in einem gut belüfteten Raum so lange getrocknet, bis ungefähr 80% und ein wenig mehr der Feuchtigkeit entzogen sind. Anschliessend folgt ein zweiter, schonender Gang, der die vorgetrockneten Blätter bei 35-45 Grad C vollständig getrocknet.
Unvorstellbare 25.000-30.000 Teeknospen ergeben 1 Kg des raren Tees. Dem Liebhaber stellt sich die Frage ohnehin nicht, aber alle diese Informationen schaffen überzeugtes Verständnis für den gehobenen Preis, der verlangt werden muß.
Zubereitung: 1 Liter Wasser zum kochen bringen und auf ca. 75-80 Grad abkühlen lassen. Alle paar Monate messe ich mal die Zeit, die es braucht, um nach dem Kochen auf diese Temperatur zu gelangen. Deshalb weiß ich, das eine, höchsten zwei Minuten reichen, um bei ca. 80 Grad zu landen. Zwar bekommen wir in München nachgewiesen das beste Trinkwasser in Deutschland (aus dem Voralpenland), dieses ist aber mit durchschnittlich 16 °dH (deutsche Härte, so heißt der Bemessungswert tatsächlich) viel zu hart für eine optimale Teezubereitung. Deshalb verwende ich ausschliesslich Volvic. Mit einem Wert von 3,45°dH liegt dieses Wasser sogar weit unter dem mit 8°dH angegebenem Optimalweert für die Zubereitung von Heißgetränken und entspricht nahezu den Werten für (sauberes) Regenwasser. Gleichsam wichtig: Volvic verfügt noch über genügende für den Wassergeschmack notwendige Mineralien. Warum ich Sie mit diesen Angaben malträtieren will, ist schnell erläutert. Ob aus einem Tee ein besonderes Geschmackserlebnis mit dem höchsten, gewünschten Wirkungsgrad wird, ob Sie das größtmögliche Wohlbefinden erzielen können, liegt nur zur Hälfte am Tee selbst. Die ebenso entscheidende Wirkung wird vom Wasser erzeugt. Das ist übrigens bei Whisky nicht anders, die Quelle macht`s.
Dennoch: probieren Sie selbst die Zusammenhänge zwischen Wasser, Ziehtemperatur, Geschirr und der Teesorte aus und verlassen Sie sich nicht blind auf meine Empfehlungen. Die sind nur für meinen Geschmack die besten, das kann bei Ihnen gänzlich anders sein. Auf keinen Fall sollten Sie Kandis, Kluntjes (was für ein grauenhaftes Wort), Zucker oder irgendein ein anderes Additiv hinzugeben. Dies zerstört unweigerlich den zarten, eleganten Geschmack des Tees. Sind Sie ein Sweetie, der einfach eine möglichst den Geschmack übertünchende Süße braucht, dann wählen Sie besser ein Cola.
Für die Menge nehme ich circa 12 g Tee, das sollte 5-7 Teelöffeln entsprechen. Meistens genügt mir das Teelöffelmaß, aber manchmal nehme ich auch die Briefwaage. Je nach Zeit und Muße und nach Zeremoniebereitschaft. Für den Ziehvorgang verwende die sogenannte (chinesische) Gong-Fu-Cha Methode, vergessen Sie den Namen gleich wieder. Denn dahinter verbirgt sich lediglich der praktische Vorgang, dass Sie den Tee in einer Teekanne ziehen lassen und dann in eine sogannte Servierkanne umgiessen. Die Teeblätter verbleiben in der Teekanne und warten auf den zweiten oder dritten Aufguß. Bei der Wahl des Geschirrs rede ich Ihnen nicht hinein. Für den Silver Needle wähle ich Glas, damit kann ich die Ziehzeit auch nach der Farbe kontrollieren und der fast durchsichtige Tee sieht einfach ansprechender aus. Der erste Aufguß zieht höchstens 2 Minuten, der zweite und vielleicht ein dritter etwas kürzer.
Tipp: Sie haben glücklich 2 Kg des seltenen Silver Needles erstanden und dafür ungefähr 400€ eingesetzt. Wenn Sie nicht Mitglied einer Großfamilie sind und diese Menge in 6 Monaten verbrauchen, dann haben Sie ein Problem. Denn länger als sechs Monate wird der Tee weder Aroma noch Geschmack bewahren. Schon gar nicht, wenn sie ihn in den ach so dekorativen, großen Teedosen mit Scharnierdeckel aufbewahren, damit der Tee immer gut belüftet ist und sich das Aroma besser verflüchtigen kann. Als ausschliesslich oder täglich konsumierender Teetrinker kaufen Sie deshalb kleiner portionierte Mengen, auch wenn`s am Ende ein wenig teuerer wird. Wenn Sie trotzdem dem neuesten Aufruf des Innenministeriums zur Krisenbevorratung von Lebensmitteln folgen wollen, dann frieren Sie den Tee ein, in kleinen Portionen à 100g z.B.
Ist Ihnen mein Artikel Anreiz, sich sofort in eine Bestellung zu stürzen, dann hilft der gut sortierte, engagierte Teefachhändler vor Ort oder das Internet weiter. Aber achten Sie darauf, dass der angebotene Yin Zhen auch tatsächlich von Plantagen aus den Gebieten Fuding oder Zhen He stammt. Ich habe im Internet bereits als Yin Zhen bezeichneten Tee aus ganz anderen Provinzen wie Fujian gefunden.
Hallo Bodo – schon wieder so eine seltsame Koinzidenz: Ich war vor einer Woche in Wien (um mir den alten Ennio Morricone in der Stadthalle anzuhören) – bei einem Bummel in der innersten Innenstadt (Operngasse) bin ich auf das Geschäft von Tee Jäger gestoßen und hab dort einen Yin Zhen Silverneedle erstanden. Auf Grund des eher moderaten Preises (€ 23,10 für 100 Gramm – Gyokuros kosten ein Vielfaches) bin ich nicht ganz überzeugt ob es der wirkliche Yin Zhen ist. – Schmecken tut er jedenfalls hervorragend. Tee Jäger versendet auch per Internet: www. jaegertee.at
LG
Manfred