McClelland | FrogMorton on the Bayou
„Der beste Zeitpunkt zwei Bäume für eine Hängematte zu pflanzen, war vor 100 Jahren, der zweitbeste ist jetzt“, sagt eine alte Weisheit. Hängematten waren früher entweder kürzer, weil ja auch die Menschen kleiner waren, oder aber die Bäume haben sich selbst „gepflanzt“, jedenfalls stehen diese beiden Buchen eindeutig zu nah beieinander. Kein Grund zu jammern, man kann damit leben und auch trotz der etwas bauchigen Lage ganz vortrefflich zwischen diesen Bäumen liegen, sanft schaukeln und rauchen.
Der Sommer neigt sich dem Ende zu, früher sprach man vom „Altweiber-Sommer“ oder dem „Indian-Summer“. Jetzt heisst er glaube ich „SeniorInnen-Sommer“ oder entsprechend „Amerikaner-ohne-Migrationshintergrund-Sommer“. Egal, feilschen wir nicht um Worte, dazu sind diese Tage einfach zu kostbar. Ich geniesse eine der wenigen Mußestunden, die man als Künstler seinem hektischen Alltag entreissen kann im Schatten der Bäume. In meiner Hand wende ich eine entzückend niedlich gestaltete Dose amerikanischen Tabaks mit dem wunderbaren Namen: „FrogMorton on the Bayou“. Ein liebevoll gezeichneter und kolorierter Frosch mit Pfeife im Mund stakt auf einem Seerosenblatt stehend, durch einen sumpfigen Mangrovenwald.
Als Bayou bezeichnet man die langsam fliessenden Gewässer des Mississippi-Mündungsdeltas in Louisiana und der genau der Geruch entströmt dieser frisch geöffneten kleinen Blechdose. Ein wenig säuerlich, modrig, fast brackig riecht der Tabak und natürlich auch rauchig, denn es ist eindeutig eine kräftige Latakia-Mischung, allerdings mit einer riesigen Portion Perique, wie könnte es bei einem Louisiana-Bayou auch anders sein.
So liege ich mit geschlossenen Augen die Nase ins Doserl gesteckt und versetze mich gedanklich hinein ins Delta. Auch ich lebe in einer Auenlandschaft und hoffe auf Froschgeräusch-Untermalung aus der träge vorbeifliessenden Pegnitz oder Ihren Altwassern, höre allerdings nur Schafsgeblöke. Der Pegnitzgrund wird mal wieder gemäht. Kein Augenblick ist je perfekt.
Wer sich jetzt – wie ich selbst aber nur für einen kurzen Augenblick – Paolas Blue Bayou als Soundtrack für diese Szene und diesen Tabak vorgestellt hat, lasse sich von mir gesagt sein, es gibt auch von keinem anderen Intepreten eine auch nur annähernd erträgliche Version des Songs. Nein, auch nicht die von Norah Jones.
Ich stopfe mir eine kleine Corn Cob mit dem, nur von wenigen braunen Fasern durchzogenen, schwarzen Kraut, brösle mir dabei in meiner Durchhängematte den Hosenlatz voll und entzünde die Mischung. Der erste Zug schmeckt, als hätte ich eine Handvoll Torfmoor angezündet. Die nächsten Zügen zwingen dann den Latakia langsam in den Hintergrund und eine ordentliche Portion Perique schiebt sich aufdringlich wie eine angetrunkene, vollschlanke Südstaatenschönheit in den Vordergrund.
Was für ein Tabak! „Son of a gun, we’ll have big fun on the bayou“
Jambalaya! Der Frosch-Gondoliere auf seinem Seerosenblatt, beginnt auf einmal zu singen wie Hank Williams (Spotify-Link).
Wer bei diesem Tabak den Süden nicht schmeckt, dem ist nicht zu helfen. In der folgenden halben Stunde wird die Pfeife zunehmend sanfter und ich weiss genau, dass ich diese besondere Erfahrung mit Ihnen, geneigter Leser, teilen werde. Aber wie kann ich dieses Geschmackserlebnis beschreiben? Ich versuche die Aromen, die sich in meinem Mund entfalten, während ich träge in der Hitze vor mich hin schaukle, mit irgend etwas zu vergleichen. Neben mir fällt ein Zapferl von der grossen, Schatten spendenden Kiefer auf dem Boden auf. Eine Butzel, wie die Franken hier sagen. Und dann fällt es mir ein: Am ehesten würde ich über Kieferzapfen gegrillte Auberginen in schwerem französischem Rotwein und Balsamico eingelegt, kräftig gepfeffert mit einer Prise Chili vorschlagen. Ja, das trifft es wohl am ehesten.
„Smooth and dark and calming, like the waters of the Bayou„, steht auf der Dose und einige filterlose Pfeifen später, erkenne ich, dass ich nie eine treffendere Beschreibung auf einer Tabaksdose gelesen habe, welche ja oftmals klingen, als wären sie von einem digitalen Marketing-Generator ausgespuckt worden.
Für mich ein ganz besonderer und nach der ersten Geschmacksexplosion ein wirklich sanfter Rauch. Trotzdem bleibe ich aber bei meinem Huber Louisiana nicht nur, weil ich den ganz einfach Freitags bei Jens Meyer erwerben kann und nicht umständlich aus USA schmuggeln muss, sondern weil ich dann doch die Süsse der Virginias bevorzuge. Eine Süsse, die diesem Tabak gänzlich abgeht.
Servus Alexander,
sehr schönes und launiges Review eines wohl nicht ganz alltäglichen Tabaks. Der Süden schmeckt halt ein wenig uriger und schwerer, nicht so „mainstreamig“, und das nicht nur in den Staaten. Vielleicht gilt ja irgendwann auch in Bayern wieder der Wahlspruch der „Rednecks“: The South will rise again…
Viele Grüße nach Nürnberg
Roland
Rauchen mag ich ihn jetzt einmal wieder, am kommmenden Freitag? So eine Beschreibung ist schon sehr anregend, aber das machst Du ja mit Vorsatz. Hast Du Platz im Gewalkten? Dann bring ihn mit, den Sumpffrosch……… und ich eine besonders große Pfeife…….
Hätte ich fast vergessen: und was ist mit dem McClelland-Ketchup? Oder wird das auch von der Pegnitz überdeckt?
Hat mich auch gewundert, aber davon war gar nichts zu riechen. Die anderen Aromen haben das absolut überdeckt, oder aber es gibt kein Ketchup zum Frosch …
Ich bringe das Doserl am Freitag zum Club mit, dann könnt ihr gerne probieren … aber nicht wieder alle mit einer Giant kommen. Das ist ein kleines Fröschchen, kein Ochsenfrosch.
Schön, schön. Sollte ich doch mal ausprobieren. Vor allem weil ich die „Frog Morton“ und „Frog Morton On The Town“ immer gern geraucht habe. Danke für die schöne Besprechung.
„Frog Morton on the Bayou “ ist einer der Tabake, die ich mir von meiner letzten USA-Reise mitgebracht habe. Es ist in meinen Augen eine gelungene Balkan-Mischung. Es ist schade, dass Hersteller McCelland auf dem deutschen Markt nicht vertreten ist.