Eine Pfeife von: Sven Knudsen

Es grenzt schon fast ein bisschen an Tragik, dass, wann immer der Name Sven Knudsen fällt, vom älteren Bruder Teddy Knudsens gesprochen wird. Dabei könnte man sich natürlich fragen, ob es nicht passender wäre, von Teddy als dem kleinen Bruder Sven Knudsens zu reden? Okay, das klingt erstmal nach Haarspalterei! Der eine, Teddy, lebt noch, fertigt noch Pfeifen, die zu den teuersten der Welt zählen, während der andere seit fast zehn Jahren tod ist und seit mindestens 23 Jahren keine Pfeifen mehr gemacht hat. Pfeifen, die im Vergleich zu denen Teddys ziemlich erschwinglich sind. Aus dem Blick aus dem Sinn?

Trotzdem ist Sven Knudsen der bei weitem bedeutendere der beiden Brüder, denn er gehört zu den Gründervätern des dänischen Freeform-Stils und hat, im wesentlichen zusammen mit Sixten Ivarsson, Gert Holbek und Poul Rasmussen, diese Formenwelt an maßgeblichen Stellen mit erschlossen und damit die Grundlage für die moderne Designerpfeife im Allgemeinen mitgelegt. Von der ersten Generation der Pfeifenmacher ist er neben Sixten sicherlich der stilbildendste und formal einflussreichste gewesen! Bis heute finden sich in den Portfolios berühmter Pfeifenmacher manche Shapes, die auf Sven Knudsen zurückgehen. Nun möchte ich zu seiner beeindruckenden Pfeifenmachervita nur auf den recht passablen Pipedia-Artikel verweisen anstatt hier irgendwas abzuschreiben um den Eindruck zu erwecken, es sei von mir. Sowas überlasse ich lieber dem einschlägigen Spezialisten eines anderen Mediums.

Sven Knudsen PipeMir geht es um etwas anderes, um den Stil und um die Formentwicklung, was ich am Beispiel einer meiner Pfeifen erläutern möchte. Nun hat Sven Knudsen gerade in seinen späteren Jahren eine relativ große Anzahl klassischer Pfeifen gemacht, meist Billiards, die er zu personalisieren verstand, obwohl sie doch nah am klassischen Kanon angelehnt waren. Mir geht es um die freieren Formen, die er aber ebenso mit einer regelrecht klassischen Attitude verbinden konnte. Auf diese Weise erreichte er mit seiner Formgebung die Wirkung leisen Understatements und damit eine Größe, die auf gestalterischer Bescheidenheit basiert. Extrovertierte Effekte, seien sie auch noch so beeindruckend, waren seine Sache nicht – auch darin unterschied er sich vom Stil seines jüngeren Bruders.

Sven Knudsen PipeSven Knudsen PipeDie hier vorgestellte Pfeife ist eine Freeform, bei der ich schon Schwierigkeiten habe, das Shape zu benennen, obwohl sie auf den ersten Blick „normal“ oder „gängig“ aussieht. Es ist im Prinzip eine Bent mit schlichtem rundem Holm und einem linearen Mundstück. Allein die Wahl dieses vollen linearen Mundstücks irritiert, würden wir doch hier eher ein Sattelmundstück erwarten, was ästhetisch weniger stark in Richtung „Serienpfeife“ weist. Dieser Verzicht auf die Gestaltungsmöglichkeit eines Sattels (der ansonsten bei nahezu allen seinen Billiards in verschiedensten Ausführungen sein Standard war) lenkt den Blick ohne jedwede Ablenkung auf den Kopf, der seine Form absolut dem Maserungsverlauf des verwendeten Kantels verdankt.

Sven Knudsen PipeWird bei streng klassischen Formen, auch herstellungsbedingt durch die Kopierfräse, aus der die Köpfe oft kommen, der Form der Vorrang vor dem Maserungsverlauf eingeräumt und auch der Tatsache geschuldet, dass die einzigen klassischen Shapes, die den natürlichen Maserungsverlauf des Holzes aufnehmen, die Brandy und die Dublin mit ihren jeweiligen Variationen sind, ist die Wahl einer Freeform für den Kopf hier zwingend. Allerdings bedient sich auch diese Freeform Anleihen aus der Welt der Kassik, denn die dem Holm zugewandte Seite des Kopfes ist im Prinzip eine Brandy, eine halbe Brandy um genau zu sein, die just da abgeschnitten wird, wo der Maserungsverlauf den Fächer nach vorne nicht mehr bieten kann.

Sven Knudsen PipeSo entstehen links und rechts symmetrisch zwei Kanten, die exakt der Maserung folgen und den Kopf in zwei (für sich gesehen klassische) Formen teilen: nämlich die gerade erwähnte Brandy auf der hinteren, dem Holm zugewandten, Seite und eine Billiard auf der Vorderseite. Diese Freeform entsteht also durch die Kombination zweier klassischer Formen, was auch letztlich für ihre strenge und erstmal wenig spektakuläre Erscheinung verantwortlich ist. Und gerade dieser Kunstgriff ist spektakulär!

Sven Knudsen PipeZwangsweise ergibt sich daraus, dass der Großteil des Kopfes nicht rund ist, sondern der Kopfrand aus der Form zweier Kreissegmente gebildet ist, die sich an den beiden Kanten treffen. Erst da, wo die beiden Kanten auslaufen, also am Kopfboden in der Bauchung, hat der Kopf eine nahezu runde Form. So entstand eine eher „leise“ Pfeife von großer Raffinesse und gerade dafür stehen viele der Freeforms von Sven Knudsen. Und genau das macht Sven Knudsen als Vorbild so interessant, denn je „lauter“ und extrovertierter eine Form ist, desto schwieriger wird es für den Pfeifenmacher, sie zu adaptieren ohne sich der Gefahr auszusetzen, zu nah am Vorbild oder stilistisch zu sehr im Fahrwasser eines anderen Pfeifenmachers zu sein!

Gestempelt ist die Pfeife, die ich in die achtziger Jahre datieren würde, mit „S.Knudsen“ und dem Korsenkopf.Sven Knudsen Pipe

4 Antworten

  1. Jürgen Gradenegger sagt:

    Lieber Peter,

    das ist ein wirklich schönes Stück und ein sher interessanter Text über Sven Knudsen. Ich abe ihn mit Freude gelesen und ebenso die Bilder betrachte, herrlich!

    Rauchige Grüße

    Jürgen

  2. Peter Hemmer sagt:

    Hallo Jürgen,
    vielen Dank! Ich habe mich sehr darüber gefreut!
    Grüße
    Peter

  3. Frank sagt:

    Lieber Peter,
    vielen Dank für das Vorstellen dieser schönen Pfeife auf so unterhaltsame und informative Art. Es hat Spaß gemacht, Deinen Artikel zu lesen; schon das Betrachten der Bilder ist ein Vergenügen. Diese Pfeife zeigt für mich beispielhaft, wie beruhigend und „menschlich“ ein Ding wirken kann, wenn derjenige, der es hergestellt hat, neben dem Drang, Neues zu schaffen, eine Verpflichtung der Schönheit gegenüber empfindet. Drang nach Innovation bei gleichzeitigem Respekt vor Tradition, handwerklicher Sorgfalt und gestalterischer Schönheit: das bringt diese Pfeife für mich zum Ausdruck.
    Was die Formgebung angeht: auf mich wirkt die Pfeife, ganz besonders im Profil, wie eine Vorstudie zu Gert Holbeks Polonius-shape. Gerade beim Betrachten des ersten, obersten Bildes springt mich dieses shape förmlich an; so massiv, das ich es nicht schaffe, Deine Pfeife anzuschauen, ohne automatisch mit der Polonius zu vergleichen. Und dieser Vergleich fällt deutlich zu Ungunsten Deiner Knudsen aus (was deren Schönheit absolut keinen Abbruch tut!). Ich sehe von dieser Pfeife zu einer echten Holbek bloß einen ganz kurzen Weg: weg mit den Zipfeln seitlich des Kopfes, und einen MS-Holm und Holm_Kopfübergang, der weniger nach Serienpfeife aussieht… mehr Freehand, mehr Sorgfalt, mehr Eleganz. Ich möchte es so ausdrücken: was diese Deine Pfeife an interessanten Ansätzen aufweist, wird in Gert Holbeks Polonius-shape zur Vollendung geführt.
    Also, Peter, sei mir nicht böse! Ich beneide Dich um diese Pfeife. Der Vergleich mit Holbek drängte sich mir auf, weil die formale Nähe Deiner Pfeife zu den Poloniusvarianten so augenfällig ist. In meinen Augen ein sehr schöner und anschaulicher Beleg dafür, das Gert Holbeks Tron auf dem Olymp der Pfeifenmacher unbedingt zu den größten und beeindruckendsten zählen muss, die da herumstehen.

  4. Frank sagt:

    Ganz vergessen:
    Liebe Grüße, Frank

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