Pfeifen Huber | Selected Blend – Irish

Die Besprechung von Aromaten – Hocharomaten gar – ist kein besonders häufiges Ereignis in diesem Blog. Fast drängt sich ein Vergleich mit sophistischen Weinkennern auf, in deren Kreisen Rezepte für Sangria oder Glühpunsch dann auch eher unter vorgehaltener Hand ausgetauscht werden. Diskussionen zu „Naturbelassenen“ versus „Aromaten“ werden im Internet gerne mit ähnlich religiösem Eifer geführt wie die Frage, ob sich die Nutzer von Aktivkohlefiltern überhaupt als echte Pfeifenraucher betrachten dürfen. Tatsächlich hatte mich die Beschreibung durchaus neugierig gemacht: ein solider Anteil an Cube Cuts (kleine Flake-Würfelchen) zusammen mit dem weltweiten „ISO-Aromaten-Standard“ Virginia-Black Cavendish-Burley versprach einen langsam und problemlos rauchbaren Tabak. Dazu eine interessante Aromatisierung mit gebackenen Früchten (wie das wohl roch und schmeckte?), Vanille (ok, die ist ohnehin immer mit dabei) und Irish Whiskey (John Jameson & Sons oder Tullamore Dew?). Mit dieser Beschreibung war klar, dass das namensgebende „Irish“ bestimmt keine Remineszenz an Alltime-Klassiker wie den Erinmore Flake oder den überragenden Peterson University Flake war, sondern – so schloss ich messerscharf – aus einer besonders raffinierten Whiskey-Aromatisierung zu erklären war.

 

So dachte ich mir das jedenfalls.

Das Öffnen der hübschen blau-silbernen 50g-Dose offenbarte mir etwas radikal anderes. Das Tabakbild passte noch sehr gut zur Beschreibung: grob geschätzt gleiche Teile Virginia, Burley und Black Cavendish, dazwischen einige Cube Cuts, fein. Aber der Geruch? Der Geruch! Dazu muss ich etwas ausholen und in die „Altvorderenzeit der Hocharomaten“, die 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückblicken.

 

Damals eroberten innerhalb weniger Jahre zwei ausgesprochen revolutionäre Aromatabake den Markt: Einmal der Black Diamond (seinerzeit im Vertrieb von Stanwell, heute glänzt er in seiner Schmuckdose unter dem Larsen-Label) zusammen mit seinem „Tankstellen-Tabak“-Ableger Black Luxury (Danske Club, die „B“-Marke von Stanwell). Unglaublich weich und mild, mit einem damals enormen Anteil stark gesoßtem Black Cavendish, unbestimmt fruchtig-puddingartig, kann man den ganzen Tag durchrauchen, wird nie zu heftig oder zu langweilig. Bis heute übrigens nahezu unverändert und ein Stammgast in meiner Tabakbar. Und dann gab es noch den Indigo (ebenfalls Stanwell, auch er ist heute als Larsen gelabelt). Der Indigo war deutlich „lauter“: einen so heftig aromatisierten Tabak gab es vielleicht nie zuvor, ein ganz frisches, helles und markant-exotisches Frucht-Flavour hatte der und doch konnte man nie genau sagen, welche Frucht damit eigentlich gemeint war. Eine Füllung genügte und die Pfeife schmeckte noch Jahre später danach. Das war so ein bisschen wie der „grüne Apfel“, der plötzlich in allen Geschirrspülmitteln, Shampoos und was weiß ich noch alles eingesetzt wurde, einem „Apfel!“ ins Gesicht brüllte und der doch nicht wirklich nach Apfel roch.

Auch der heute vertriebene und spürbar reformulierte „Indigo“ trägt noch die Gene dieser Aromabombe in sich, ein wesensverwandter Tabak ist z.B. „Belle Epoque“ (heute ebenfalls Larsen), ein toll zu rauchender reiner Cube Cut, der mit zusätzlicher Vanille und Rum etwas anders abgestimmt ist. Ein modernes Mitglied dieser – wenn man so will – „Familie“ ist übrigens der 2019 erschienene Ashton Signature, der dieses sehr spezielle „Frucht“-Aroma recht raffiniert mit einem kleinen Anteil Latakia kombiniert.

Zurück zu unserem Huber „Irish“. Er ist für mich ein SEHR naher Verwandter dieser Tabake. Ich mag so etwas gerne ab und zu, für mich ist das wie eine nostalgische Reise zu meinen Pfeifen-Anfängen. Aus der Beschreibung hätte ich das allerdings im Leben nicht erwartet. Freilich darf man die Hersteller-Prosa von Tabaken nie ganz ernst nehmen, vom aktuellen Indigo wird schließlich auch behauptet, er wäre in Richtung Honig (keine Spur!), Vanille (im Leben nicht!) und Pflaume (hier muss eher der Werbetexter gemeint sein…) aromatisiert. Stattdessen könnte man einfach schreiben: „frisch, fruchtig und exotisch, aber total undefinierbar“ und man wüsste mehr. So geht es mir nun auch mit dem hier besprochenen „Irish“. Das ist eine moderne und clever gemachte Indigo-Variation, freilich ohne den Großvater 1:1 „nachzubauen“, durchaus schmackhaft, kann man (wenn man denn Hocharomaten zu rauchen versteht!) locker ohne Biss und Sottern bis auf den letzten Krümel aufrauchen, das Aroma und die Dauerwelle bleiben auch in München bei einsetzendem Frühling stabil, alles gut, an der Qualität ist rein gar nichts auszusetzen. Aber weshalb heißt der ausgerechnet „Irish“? Und wo soll der Whiskey sein? Die Vanille (vielleicht eine Spur!)? Hmmm.

Für wen ist nun der „Irish“?


Wer (wie auch ich) sich gerne ab und an in der Nostalgie der ersten Generation von Hocharomaten bedient, aber mit 100g-Dosen (besonders den ziemlich undichten Schmuckdosen) seine liebe Not hat, weil die nach ein paar Wochen staubtrocken geworden sind, der ist mit dem hübschen 50g-Doserl bestens bedient.

Sonntagnachmittag in die Stanwell 124 (oder die 162) gestopft und die Welt ist schön.

 

Sozusagen der DeLorean DMC-12 für die Zeitreise in die 80er Jahre. Der Preis ist in Ordnung, 100g Indigo oder Belle Epoque kosten fast genau das Doppelte wie die 50g hier.


Wer etwas wirklich „Irisches“ sucht, wird dagegen eher enttäuscht sein. Dann lieber den unerreichten University Flake in einer Peterson Sherlock Holmes und dazu eine Seite aus James Joyces Ulysses (für Mutige: einen Satz aus James Joyces Finnegans Wake mit mindestens einem ordentlichen Glas Jameson‘s). Wer etwas KRÄFTIG Irisches sucht, der greife zum DFK-Monster Peterson Irish Flake. Nikotin zum Abwinken. Der Huber „Irish“ enthält mit Sicherheit Nikotin, allerdings nichts, was einem nach (oder vor) dem Frühstück Sorgen bereiten müsste.


 

Wer dagegen unikate Aromaten sucht, der mag zu Hubers Amerika Special greifen oder zur Auslese No 1 (beides Virginia und Burley ohne Black Cavendish mit zwei ganz unterschiedlichen nussigen Aromen) oder zur Auslese No.3 (Virginia mit ganz leichtem Pflaumenaroma). Wer einen Aromaten wirklich alter Schule sucht, der mag den Larsen Nr. 32 Curly Flake oder den Larsen Classic versuchen (beide leicht mit Karamell versetzt und praktisch ohne Black Cavendish).

Fazit

Ein unzweifelhaft guter Hocharomat, handwerklich wie zu erwarten tadellos, vom Geschmack und Aroma allerdings nicht wirklich neu und ein gutes Stück weit weg von der Prosa der Beschreibung.

erhältlich hier

Andreas Krebs

Andreas Krebs, Psychologe mit großer Affinität zur Informatik, experimenteller Elektronik-Musiker und Sachbuchautor, Freund großer Hunde und moderner Literatur, Tarotpsychologie-Blogger und grundsätzlicher Liebhaber von Dingen, die mehr Arbeit als Ruhm und Reichtum mit sich bringen.

14 Antworten

  1. Hesse sagt:

    Warum werden denn die Artikel von Herrn Krebs grundsätzlich nicht kommentiert? An anderer Stelle ergeben sich teilweise ausschweifende Diskussionen, während hier stets Ruhe herscht.

  2. Peter Hemmer sagt:

    Von „grundsätzlich“ kann gar keine Rede sein! Von böser Absicht etc. schon gleich gar nicht! Um ehrlich zu sein: ich weiß es nicht. Ich verstehe das manchmal auch nicht, wenn Artikel, die richtig viel Arbeit gemacht haben und noch dazu ein Thema behandeln, das nicht so alltäglich ist, vollkommen unkommentiert bleiben. Auf der anderen Seite kann man das Auslutschen schon mehrmals ausgelutschter Tabake, nur weil jeder schonmal irgendwann hingelutscht hat, immer wieder zu einem „Aufreger“ machen. Aber aussagekräftig ist das auch nicht.
    Ich meine, wenn man ein Blog schreibt, dann muss man das ohne die Erwartungshaltung von Kommentaren machen. Wenn welche kommen, freut man sich darüber! Wenn nicht, ist es auch OK, denn man sieht ja, wieviele die Artikel lesen – und die Artikel von Andreas Krebs werden genauso gelesen wie die anderen!
    Grüße
    Peter

    • Hesse sagt:

      Vielen Dank für die schnelle Antwort.
      Als stillem Mitleser des Blogs war mir das aufgefallen und ich konnte es nicht nachvollziehen.

      • dazu noch eine Anmerkung: in den Tageszeitungen schreibt auch nicht jeder Leser einen Leserbrief, dennoch wird gelesen. Wenn wir uns die Statistiken anschauen, dann werden die Artikel von Andreas Krebs genauso häufig gelesen wie die von den anderen Autoren. Insofern funktioniert ein Blog völlig anders als ein Forum, das von der Interkommunikation der Mitglieder lebt. Ein Blog hat ja keine Mitglieder, sondern Leser oder Abonnenten. Im übrigen gibt es auch bei meinen Artikeln nur wenige mit Leser-Kommentaren. Liebe Grüße, Bodo

  3. Wenn ich dazu mal etwas als „Social-Media-Experte“ sagen darf.

    1. Ob und wie oft ein Artikel kommentiert wird, hat nichts mit seiner Qualität zu tun.
    2. Die Aufrufe eines Artikels haben nur bedingten Einfluss

    Welche Artikel werden viel kommentiert.

    Artikel, die kontrovers oder provokant formuliert sind.
    Artikel, die zu Ende gelesen werden (Aufrufzahl sagt nichts über die Lesedauer aus), denn die Kommentarfunktion ist am Ende zu finden.
    Artikel, die von „prominenten“, gut vernetzten, „schillernden“ Persönlichkeiten geschrieben werden
    Wenn konkrete Fragen gestellt werden: „Wie sind Ihre Erfahrungen damit?“, „Mögen Sie auch …“
    Artikel die humorvoll sind, locken die anderen Witzbolde hervor
    Große Marken ziehen auch immer „Dunhill“ zum Beispiel, weil es dazu starke Meinungen gibt.
    Wenn er NICHT einschüchternd ist. ZU profunde Artikel schüchtern auf Grund der hohen Qualität die Leser ein.
    Wenn ein Artikel persönlich und emotional ist.

    und viele Gründe mehr

    Vielleicht schreibe ich einmal einen ausführlichen Artikel darüber?
    „Wie erreiche ich eine lebhafte Diskussion, wie schreibe ich einen erfolgreichen Online-Bericht?
    Was meinen Sie, liebe Leser, besteht daran Interesse?

    Liebe Grüße, Alexander

    • Bevor Du wieder irgendwelches halbverrottetes Bruchholz zu irgendeinem Gebrauchsgegenstand oder Wandschmuck herrichtetest, mach mal.
      Ich erinnere mich an die Anfänge von Pfeifenblog.de, so Mitte 2016, als wir nach fast 10jährigem Bestehen vom Forum „Pfeifen und mehr“ zu diesem zeitgemäßerem Format gewechselt sind. Es dauerte etwas, bis ich erkannt habe, das ausbleibende Kommentare kein Indiz für nicht beachtete Artikel sind, allerdings ist diese Einsicht unterstützt durch die Blogstatistiken, die nicht der Leserschaft zur Einsicht stehen. Also, lieber Hesse, fehlende Kommentare sind kein Ausdruck für die Wertschätzung von Autor und/oder Artikel, sondern dem „Zeitungsprinzip“ verantwortet. Ich hoffe und bin mir sicher, daß wir noch einige fundierte Artikel von Andreas Krebs zu lesen bekommen.

  4. Tobias Schneider sagt:

    Ich habe den Artikel gelesen und er hatte Wirkung. In meiner Anfangszeit (zugegeben nicht sonderlich lange her) fing ich wie so viele mit Huber’s Aromatenabteilung an. Mein erster Kauf war der aus dem Programm genommene Residenz (werde ich nicht vermissen) und den im Beitrag verlinkten No 1. Tatsächlich hatte ich vom letzteren noch einen Rest im Keller wobei ich zunächst überrascht war, dass dieser nach knappen vier Jahren noch recht frisch gewirkt hat (Lob an die Malerdose). Nach dem Anzünden wurden so einige positive Erinnerungen geweckt doch nach spätestens der Hälfte verging mir die Lust, da mir die Aromatisierung schlicht zu stark war- der Geschmack zu eindimensional. Heute habe ich ihn also mit dem Virginia Spezial „verdünnt“ und ich muss sagen, es gibt abundan Gelegenheiten bei denen ich genau darauf zurückgreifen werden. Mit dem America Spezial werde ich evtl. das Gleiche machen.

    Und das alles nur wegen diesem Artikel. So gfoids ma.

    • Servus Tobias, guuuuuut so. Wenn wir uns auch nicht mehr auf Instagram treffen, so doch hier. Und wenn es wieder möglich sein wird, tagt die Münchner Runde freitags.

      • Tobias Schneider sagt:

        Ein Treffen in Realität wär schon auch mal was bedenkt man die räumliche Nähe. Die Runde zu besuchen war in den letzten Monaten fest nach meiner Rückkehr eingeplant (ich war etwas länger in den Philippinen). Damals war mir noch nicht so ganz bewusst wie die Gesamtsituation kippen wird- spätestens bei der mehr als turbulenten Rückreise über sieben Flughäfen war mir klar- das wird vermutlich erstmal nichts.

    • Andreas Krebs sagt:

      Sehr schön, freut mich!
      Für Freund sehr leicht aromatisierter Tabake ist natürlich noch der Huber Auslese Nr. 3 zu erwähnen. Der könnte ebenso gut in Hubers „Virginia“-Reihe stehen und hat ein sehr dezentes Aroma in Richtung Pflaume (sofern man das bei diesem Hauch an Flavour sagen kann). Oder auch der MacBaren Golden Ambrosia, ein Burley / Black Cavendish Ready Rubbed mit einer ganz leichten süßen Note.
      Happy Smoking,
      Andreas

      • Tobias Schneider sagt:

        Hi Andreas,
        Im Internetshop ist von einer *neuen Mischung* die Rede. vermutlich hat sich nichts grundlegend verändert?Grundsätzlich klingt das ganze recht interessant und zu gegebener Zeit werde ich mir erstmal eine kleine Probe geben lassen.

        Beste Grüße

        Tobias

        • Andreas Krebs sagt:

          Hallo Tobias,
          da muss ich leider passen, den Nr. 3 hatte ich in früherer Zeit irgendwie übersehen, kann also nicht vergleichen. Meine Beuteschemas waren lange Zeit English mit Latakia, Va/Per oder klassisch-dänische Aromaten, Virginia (fast) pur fand ich früher langweilig…
          Andreas

          • Tobias Schneider sagt:

            Kein Problem. die aktuelle Variante klingt zumindest spannend. Bei mir haben sich mittlerweile diverse Virgina Flakes und der Epikur, sowie einige Va/Per(s) durchgesetzt. Latakia ist für mich nachwievor geschmacklich „schwerer Tobak“- in Kombination mit Espresso oder Türkischem Kaffee jedoch sehr willkommen.
            Schön das es einem nicht so schnell langweilig werden kann ;D

  5. Danke, ein aufschlussreicher Beitrag. Gegenwärtig habe ich mir die Larsen-Tabake noch einmal vorgenommen. Teilweise, weil sie in den 80iger Jahren und Anfang 1990 von mir erstmals geraucht wurden. Der Satz: „Auch der heute vertriebene und spürbar reformulierte „Indigo“ trägt noch die Gene dieser Aromabombe in sich, ein wesensverwandter Tabak ist z.B. „Belle Epoque“ (heute ebenfalls Larsen), ein toll zu rauchender reiner Cube Cut, der mit zusätzlicher Vanille und Rum etwas anders abgestimmt ist.“ Der Indigo, in seiner damals nicht akzeptablen Aromatisierung ist heute einfach besser geworden. Der Black Diamond ist und bleibt ein Klassiker unter den Aromaten. Auf den W.O. Larsen Pfeifentabak Old Fashioned bin ich nach über 35 Jahren gespannt.

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