E.M. Forster | Die Maschine steht still
Ich gehe davon aus, dass sich Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), Erfinder des dualen Zahlensystems und später -nämlich 1962 – Gründer des Leibniz-Rechenzentrums der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Edward Morgan Forster (1879-1970) begegnet sind, vielleicht war auch Jules Verne (1828-1905) zugegen. Gemeinsam haben sie die Technik ersonnen und die Bewegung ins Leben gerufen, die wir unbeleckten Jetzigen als WorldWideWeb kennen. Glaubend, das die Un-Social Media Nerds die Taktschläger unserer Zeit sind. Diese armen Getriebenen, die nur noch höchstober-oberflächliche Kenntnisse und fast gar kein Wissen mehr besitzen. Na ja, dauert vielleicht noch ein kurzes Jahrhundert, bis sich das wieder eingerenkt hat und die Twitter-Adepten und Facebook-Lemminge zu Exoten mutiert sind, die nicht einmal Lacher zutage fördern.
Der allerletzte Universalgelehrte vor Harald Lesch, ein juristisch graduierter, fortschritts-gläubiger Schriftsteller und ein großer Gesell-schaftsautor des 20. Jahrhunderts, da kommt schon einiges an „Brainpower“ zusammen.
Forster schafft es, 1909 in seinem knapp 80-seitigen Essay Die Maschine steht still ein aktuelles Abbild vor-zuzeichnen, gut 100 Jahre bevor wir es heute als allbestimmend und unvermeidbar hinnehmen. Und nun wissen wir, wer Orwell zu seinem 1984 inspiriert hat.
In dieser Dystopie leben die Menschen in einer unterirdischen, abgekapselten Welt mit allem Komfort. Das ganze Leben ist durch die Maschine perfekt geregelt. Die Menschen haben kein Bedürfnis mehr nach persönlichen Begegnungen – bis auf einige wenige Pfeifen- und Zigarrenclubs. Die Maschine gibt das Denken vor – und ausschließlich über sie wird kommuniziert. Das Handbuch der Maschine ist zu einer Art Bibel geworden, die ein jeder anbetet wie einen Gott. Doch die Menschen sind gefangen in ihrer vollkommenen Abhängigkeit von der Technik, die sie schon bald nicht mehr kontrollieren können …“
Kommt Ihnen bekannt vor? Dann lesen Sie zur Bestätigung dieses Büchlein:
Tip: Was nach dem Stillstand der Maschine geschieht, beschreibt Alexander Broy hier anschaulich im Härte 10 Roman „Die Urlauber“. Ebenfalls empfohlen: Roger Willemsen.
- E.M. Forster
- Die Maschine steht still
- Gebundene Ausgabe: 80 Seiten
- Verlag: HOFFMANN UND CAMPE GmbH (14. Oktober 2016)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3455405711
- ISBN-13: 978-3455405712
Vielen Dank für die Rezension, ich werde das Buch lesen. Der Autor war anscheinend sehr visionär. Dass er das mit den Pfeifenclubs vorhergesehen hatte, toll! Allerdings hat er die Weisswurstfrühstücksgesellschaften als Keimzelle des wertkonservativen Anarchismus anscheinend unberücksichtigt gelassen, er war sicher ein Saupreiß und konnte das nicht ahnen.
Er war Brite im Nach-Viktorianischem Zeitalter. Ergo aß er mit Sicherheit irgendwelche englischen Würscht zum Frühstück, die natürlich Lichtjahre entfernt von der Qualität unserer Münchner Weißwürscht – die vom Wallner oder Bauch – angesiedelt sind. Auch an rheinische oder fränkische Bratwürscht, roh, gebrüht oder geräuchert, kommen die komischen Engländer-Würste keineswegs heran. Wie auch. Und wenn sie demnächst als notwendige Folgen des Brexit bayerische Würscht nur noch gegen limierte Bezugsscheine erhalten, dann braucht nicht einmal die Maschine still zu stehen, dann geht dorten eh nix mehr,
Google ersetzt das Wissen, das Smartphone die persönliche Kommunikation. Guter Gag mit den Pfeifenclubs.
Oha, ja, das interessiert mich auch. Aber zunächst werde ich mir ein Buch von Lars Vollmer reinziehen, das Werner Küstenmacher heute in der „Gedanken zum Advent“ in der Bayern2 Radiowelt vorgestellt hat. Er spricht mir aus dem Herzen …
http://www.br.de/radio/bayern2/gesellschaft/gedanken-zum-tag/gedanken-zum-tag-2982.html
facebook ist ja quasi das Business Meeting samt Powerpoint* Präsentation der kleinen Leute in der Cloud. Oder der Stammtisch ohne für seine eigene Meinung verhaut zu werden 😀
VG bemi
*) Powerpoint: Software zum tagelangen Aufbereiten von Themen, um sie in zwei Stunden zu präsentieren anstatt sie in 5 Minuten zu besprechen.
Das Buch gibt es in Original bei Amazon für den Kindle für 99 Cent