Samuel Gawith – Balkan Flake

Nach dem totalen Reinfall mit dem Black XX stand mir der weitere Sinn nach etwas geschmacklich abgehobenerem aus den Lakelands und da der Traditionalist Samuel Gawith vielfach bewiesen hat, wie gut er das eigentlich kann, habe ich mich nach Full Virginia Flake, Brown No.4 und Kendal Cream Flake (alle Reviews im Pfeifenblog) mal wieder dem Balkan Flake zugewandt, den ich einige Zeit nicht geraucht habe. Nicht zuletzt deshalb, weil der Tabakhändler meines ultimativen Vertrauens seit geraumer Zeit die gesamte SG Palette führt. Umwege über die Schweiz, das Veruneinigte Brexitreich oder gar die USA gehören nun zum Glück der trüblichen Vergangenheit an.

Vorweggenommen: fürwahr ein köstliches Raucherlebnis.

Für den Liebhaber alter, englischer Geschmacksrichtungen zählte der Penzance aus dem Hause Butera / Esoterica sicherlich zu den bevorzugten. Immer schon schwer zu beschaffen und mittlerweile wohl vollständig aufgegeben -wie einige namhafte Engländer aus der Reihe, die von Germains hergestellt wurden- hat er nun dem Balkan Flake ein zusätzliches Terrain in meiner persönlichen Rankingliste überlassen.

Wie die meisten Flakes von SG, war auch der Probant früher sehr feucht. Mich störte das nicht sonderlich, denn trocken werden sie ohne weiteres Zutun ohnehin. Probiert aber habe ich den Tabak für dieses Review aus einer neuen Charge von 2019 und da war der Flake fast schon etwas zu trocken. Chargenschwankung? Der Liaison mit Gawith & Hoggarth geschuldet? Ich werde das beobachten.

Aber der Duft! Der Duft, der aus der Dose entströmt, der bringt Dich weg. In ein englisches Comptoir, mit grünen oder braunen Carlton Chairs, mit dunklen Mahagoninmöbeln, hochglänzenden Bodendielen, mit der gut bestückten Bar mit Single Malts, alten Ports. Und all den Vintage-Tabaken wie Cope, Drucquer, Sobranie, Simmons und Fribourg & Treyer, den alten Dunhills und Bells.

Schwer erdig, Torf steht im Vordergrund, ein wenig Teer, Hafengeruch. Das ist der Latakia. Der Virginia bringt eine schwache Süße ins Geruchsbild. Für den Liebhaber naturreiner Tabake der Himmel auf Erden.

Zum Glück sind die Flakes dünn geschnitten. Nicht selbstverständlich bei den Kendalianern, die das Geschäft bereit seit 1792 betreiben und immer noch Ausreißer bei den Chargen hinbekommen. Was gerne mit Chargenschwankungen erklärt wird (auch bei anderen Tobacconisten), ist meistens einfach Schlamperei und mangelnde Qualitätskontrolle.

Ich habe eine zweite Dose geöffnet, und da sieht das Tabakbild ein wenig anders aus.
Die Flakes zeigen eine hohe Pressdichte, die verschiedenen Tabaksorten sehen aus wie aus einem Guß, erst bei einiger Vergrößerung lassen sich Strukturen auf dem Foto erkennen:

Mit Knick & Falt befülle ich eine Stanwell Shape 11, die zum Proberauchen mit ihrem breiten Kopf geeignet erscheint. Obenauf kleinere Tabakkrümmel, damit das Anzünden leichter geht. Wichtig, wie bei allen Plugs, Flakes und Curlies, daß die gesamte Oberfläche in Brand gesetzt wird. Ab da beginnt der Rauchgenuß, der sich nach wenigen Minuten, nach Erreichen der Betriebstemperatur, einstellt.

Erstaunlich ist immer wieder, wie sanft und milde der Balkan Flake ist, weder kratzig, noch mit brachialer Nikotinladung wartet er auf. Er bleibt ein Mittelgewicht bis zum Ende. Der geübte Langsamraucher wird es zu einem trockenen, weiß-grauen Ascherest bringen. Wem die Pfeife öfter ausgeht oder sie unbedingt während eines Dauerlaufs rauchen muß, kann einiges an Kondensat erwarten.


Für weitere Reviews von SG Tabaken klick ins Bild

 

 

Bodo Falkenried

exemplarischer Niederrheiner, seit über 55 Jahren in München daheim, genauso lang Pfeifen- und Tabaksammler, versessen auf Musik, Literatur und andere Künste. Unternehmer, Segler, Reisender [..unser Mann in Asien]. Intensiver Marktgeher, immer an Feuer & Herd, sofern in der Nähe.  

6 Antworten

  1. ps sagt:

    Guten Tag Herr Falkenried.

    Vielen herzlichen Dank, dass Sie die „Gewith-Reihe“ initialisiert haben und fortführen.
    Es ist für mich ein Genuss Ihre Reviews zu lesen, deshalb ist die Vorfreude immer groß, wenn die Benachrichtigung über einen neuen Beitrag eintrudelt.

    Haben Sie bei den zwei von Ihnen geöffneten Dosen auch Unterschiede im Rauchverhalten und Geschmack des Tabaks wahrnehmen können oder beschränkten sie sich „nur“ auf die Optik?

    Vielen Dank.
    MfG
    ps

    • Lieber ps,

      ich muß vorrausschicken: ich habe beide Dosen Balkan Flake in der vergangenen Woche im Fachhandel gekauft, lediglich für die Fotos habe ich den alten Deckel verwendet.
      Beide Tabake unterscheiden sich überhaupt nicht im Geschmack oder Geruch (weder kalt noch gezündelt). Unterschiedlich ist die Konsistenz, wie auch auf den Fotos ersichtlich. Dose 1 war relativ trocken, fast ein wenig spröde, machte sich nur beim Füllen bemerkbar, da Knick&Falt nicht besonders gut funktionierte. Die Flakescheiben brachen entzwei und liessen sich nicht falten.
      Dose 2 wiederum war wie erwartet, Tabak nicht zu feucht, gut geschnitten, schönes Tabakbild.

      Ich werde am Freitag, wenn die Münchner Runde zusammenkommt, zwei weitere Dosen kaufen und überprüfen. Womöglich war Dose 1 ein älterer „Ausrutscher“. Gerne bereit für weitere Fragen, sofern vorhanden.

  2. Winfried KARL sagt:

    Mit Speck fängt man Mäuse……. Mit Worten manchen Pfeifenraucher…….

    Nach Wiedereinstieg ins Pfeife rauchen sind die vor Entdeckung dieses Pfeifenblogs gekauften „leichten Pfeifentabake“ (um den Wiedereinstieg sanft angehen zu lassen) Ready Rubbed und Boutique Blend von Robert McConnell Vergangenheit und als Enttäuschung im Gedächtnis abgelegt.

    Dank Pfeifenblog ist nun der von mir früher viel gerauchte (Dunhill) jetzt Peterson Flake wieder an Board und macht unverändert Freude.

    Und dann las ich, beim Suchen nach englischen Mischungen, dies:

    „Aber der Duft! Der Duft, der aus der Dose entströmt, der bringt Dich weg. In ein englisches Comptoir, mit grünen oder braunen Carlton Chairs, mit dunklen Mahagoninmöbeln, hochglänzenden Bodendielen, mit der gut bestückten Bar mit Single Malts, alten Ports. ……“

    Unvermittelt setzte dieses Gefühl von „Haben wollen und probieren“ ein.
    Glücklicherweise war er online in einem Tabakhaus in Münster vorrätig.

    Beim Öffnen der Dose setzte genau das ein, was im Zitat beschrieben ist! Auch den frisch gewienerten Dielenboden meint man zu riechen.

    Stopfen, Anzünden, genießen; wunderbar sanfte englische Mischung! Für mich allerdings nicht für jeden Tag, sondern für die besonderen Stunden.

    Himmel auf Erden? …… Ein Stück Himmel auf Erden, ich weiß ja nicht, was mich sonst noch erwartet….

    Herzlichen Dank, dass ich durch das obige Review diesen Tabak kennenlernen durfte!!

    W.K.

    • Servus Winfried, Ihr Kommentar führt dazu, daß ich heute nach langer Pause den SG Balkan Flake mal wieder rauchen werde, den ich zwischenzeitlich ein wenig aus den Augen verloren hatte. Insofern also auch ein Dank zurück an Sie.

  3. Winfried KARL sagt:

    Welch ein Glück, dass ich dieses Review gelesen hatte.
    Heute war mal wieder „besonders Stunde“.
    In den überdachten, windgeschützten, optional auch heizbaren Bereich außerhalb des Hauses verbannt, wähnte ich mich bei geschlossenen Augen in einem englischen Herrenclub. Die Ledersessel, das dunkle Mobiliar, der gewachste Holzdielenboden alles war da, weich und sanft.
    Zunächst begleitete mich akustisch Rebekka Bakken mit den Dingen die man hinter sich lässt (Things you leave behind), danach bildete der Kosmos des Budapest Concert von Keith Jarrett eine wunderbare Harmonie mit dem Genuss aus der Pfeife. Besondere Stunde eben.
    Und deshalb nochmal ganz großen Dank für dieses Review und alles was es sonst noch hier zu lesen gibt!!

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