Corncob | Dagner Sitting Poker

An Maiskolbenpfeifen scheiden sich die Geister. Für die einen ist es pure Südstaaten-Huckleberry Finn-Romantik, die anderen rümpfen die Nase ob der primitiven Bauweise und des billigen Materials. Ein ausgehöhlter Maiskolben, ein abgeschnittenes Röherl als Holm und Mundstück zugleich, mehr braucht es nicht für diese Art der Tabakspfeife. Ein Eigengeschmack ist zudem bei diesen Pfeifen durchaus zu bemerken. Anders als Pfeifen aus „richtigem türkischen Meerschaum“, welche durch echte Geschmacksneutralität glänzen, hat die Missouri-Meerschaum-Pfeife immer einen leicht süßlichen Geschmack, welchen sie über ihre Lebenszeit nie ganz verlieren wird. Den mögen die einen, die anderen eben nicht, wie immer und bei allem.

Die Missouri Meerschaum Company in Washington, Missouri ist der älteste und zugleich größte Hersteller von Maiskolben-Pfeifen. 1869 – genau 100 Jahre vor der Geburt des Autors – begann der holländische Einwanderer Henry Tibbe mit der Herstellung von Pfeifen aus Maiskolben. Der Legende nach, bat damals ein benachbarter Farmer den Schreiner einen Maiskolben an seiner Drehbank zu bearbeiten. Bis dato hatte der Bauer seine Pfeifen wohl selbst gebastelt. Anscheinend gelang Tibbe das Werk zur Zufriedenheit seines Kunden, die Pfeife schmeckte und er begann immer mehr von diesen gedrechselten Stücken zu produzieren und tat bald in seiner Werkstatt nichts anderes mehr. 1887 meldete er sein Verfahren, die Maiskolben mit Gips zu imprägnieren zum Patent an. Die Zugabe von Gips ließ die Pfeifen feuerbeständiger und haltbarer machen. Bis heute werden die Corncobs genau so hergestellt. Mitte des 20. Jahrhunderts gab es in Franklin County, Missouri dutzende von Herstellern, aber nur die Missouri Meerschaum Company konnte bis heute überleben.

Wie wir aus dem 1876 erschienen berühmten Roman „Die Abenteuer des Tom Sawyer“ von Mark Twain, der ebenfalls in Missouri spielt, wissen, rauchten Huck, Joe und Tom auch schon Pfeifen aus Maiskolben. Diese schnitzten diese allerdings vermutlich selbst. Einen Beleg dafür fand ich auf Seite 151 der deutschen Erstausgabe.

„Nach einem feinen Diner von Eiern und Fischen sagte Tom, er wolle jetzt das Rauchen lernen. Joe nahm die Idee auf und sagte er wolle es gleichfalls lernen. So machte Huck denn Pfeifen und füllte Sie. Diese Novizen hatten bis dahin nichts Anderes als Cigarren von Waldrebenblättern geraucht, und die „bissen auf der Zunge“ und wurden nicht als männlicher Genuß betrachtet.

Natürlich habe auch ich in meiner Jugend mehrfach versucht mir einen solche Pfeife zu basteln. Aus dem mir sonst so verhassten oberbayrischen Futtermais, der unsers schöne Landschaft immer mehr veröden lässt, schnitzte ich so manch ein untaugliches Rauchgerät. Ob dies an falschem Werkzeug (Schweizer Taschenmesser), fehlendem Können, oder aber am falschen Mais lag, vermag ich nicht mehr zu sagen. Inzwischen weiß ich aber, in Missouri wird einen ganz spezielle Maissorte mit riesigen Früchten extra für den Pfeifenbau gezüchtet und angebaut.

Ich habe inzwischen die Basteleien aufgegeben und ein paar Missouri Meerschaum Pfeifen käuflich erworben. Ich persönlich mag den Eigengeschmack von verbranntem Maiskolben, vor allem aber schätze ich die Leichtigkeit und Unempfindlichkeit dieser Pfeifen. Sie kosten nur ein paar Euro und deswegen habe ich überhaupt keine Skrupel sie beim Malen mit farbverschmierten Händen zu rauchen, sie irgendwo auf der Palette abzustellen oder sie sonst wie zu misshandeln. Sie haben für mich nur einen wirklich entscheidenden Nachteil: Die Mundstücke sind einfach SCHEISSE!. Tut mir leid, aber es gibt kein anderes Wort dafür. Nach drei mal Rauchen komplett durchgebissen, eine Kunststoffqualität wie eine fünf mal recycelte chinesische Blisterverpackung von Klosteinen. Wie kann man ernsthaft so einen Plastikmüll an eine Pfeife stecken und dann auch noch in Bernsteinoptik? 15 Euro hin oder her, das ist bodenlos und bestimmt gesundheitsschädlicher als die Pfeife auf Lunge zu rauchen. (kann ich nicht beweisen).

 

Missouri Meerschaum

Eine Corncob mit vernünftigem Mundstück habe ich allerdings. Eine uralte Hickory Hill „Millennium“ mit Acrylmundstück (Monogramm M), Messingring und einen Hartholzeinsatz im Boden. Hickory Hill ist einer der vielen Hersteller, die irgendwann einmal an der übermächtigen Konkurrenz Missouri Meerschaum Company gescheitert sind. So sehr gescheitert, dass sogar das allwissende, niemals vergessende Internet nichts über sie gespeichert hat. Vielleicht waren die Mundstücke den amerikanischen Farmern zu „Schicki-Micki“ und irgendwer hat sich ein rotes Kapperl aufgesetzt und „Make PET-Flaschen-Mouthpieces Great again“ gebrüllt.

Aber gerade aus der von mir unbeholfen karikierten Redneck-Community kommt jetzt die Lösung für das Mundstück-Desaster: Jayson und Jay Dagner, zwei Pfeifenenthusiasten aus den USA, Vater und Sohn. Die beiden sind eine Mischung aus Hillbilly-Redneck Holzfäller-Hipster und Biker-Lebowski und sind durch einen Youtube-Kanal bekannt geworden. Diese beiden haben mit einem italienischen Pfeifenhersteller eine Dagner-Pfeifen-Linie kreiert. Diese wäre keinesfalls irgendwie erwähnenswert – so wenig wie die Youtube-Videos – wenn diese Zusammenarbeit nicht eine Corncob Poker mit einem astreinen italienischen Acrylmundstück hervorgebracht hätte.

Dagner Poker Missouri MeerschaumDiese Poker ist eine wirklich schöne Pfeife – für dieses Shape habe ich ohnehin eine Schwäche. Sie ist für einen Corncob ziemlich gross, hat einen Holm aus Birkenholz, ein Nickelband und vor allem ein wunderbares, filterloses Acrylmundstück in einer guten Qualität. Kein Dunhill Fishtail, aber doch ein grundsolides stabiles Stück Kunststoff, was sich im Mund angenehm anfühlt. Die Pfeife ist in Deutschland nicht ganz so einfach zu besorgen, es gibt aber ein paar wenige Händler, die sie führen. Sie kostet um die 25 Euro und die ist sie absolut wert.

Wer also ein wenig Südstaatenromantik mit dem gewissen Extra erleben möchte, dem sei die Dagner Poker ausdrücklich empfohlen. Ich rauche sie am liebsten südstaatlich mit einem FrogMorton oder einem Bayou Morning Flake, dazu ein Glas leicht süßlicher Bourbon mit viel Mais- und Eichensüße.

Leider bin ich abermit diesem Pfeiferl nicht mehr ganz so sorglos, ich ertappe mich dabei, die Hände vorher am Kittel abzuwischen, bevor ich sie in die Hand nehme. Aber wer fasst eine Pfeife mit so einem Mundstück schon an, die bleibt zwischen den Zähnen, bis das Bild fertig ist.

Alexander Broy

Alexander Broy ist Künstler, Grafiker und YouTuber. Mehr zu sehen, hören oder lesen gibt es auf seinem Blog Künstlertagebuch. | Abonniere auch seinen NEWSLETTER

8 Antworten

  1. Janez sagt:

    Sehr gut geschrieben!
    Ich lasse mir inzwischen vom Pfeifendoc Mundstücke für meine liebsten Cobs anfertigen, er flucht zwar immer weil ich die kleinsten bevorzuge aber die Mundstücke sind immer super

  2. Der Artikel könnte mich animieren, weil er so interessant verfasst ist. KÖNNTE ! Wenn ich bei Maiskolbenpfeifen nichts stets entweder Huck Finn, Popeye oder den Schwerstmilitaristen MacArthur vor Augen hätte.
    Der Geschmack eines solchen Rauchgerätes taugt mir nicht, ebenso wenig wie der von Olivenholz- oder anderer Obstgehölze.
    Geschickte Künstler wie der Autor der Vorstellung schaffen es natürlich, Neugierde zu wecken und bringt mich dazu, meine persönliche Einstellung zu überdenken. Deshalb werde ich mir mal so eine Dagner zulegen ….. aber ob ich sie jemals rauchen werde?

    • Nein, sicherlich nicht! Wandert in die Exoten-Schublade. Allein diese Haptik, grauenhaft. Somit mal wieder auf einen erfahrenen Influencer hereingefallen. Ausserdem scheint in Nurembourg ein anderes Preisgefüge zu gelten. Ich konnte dieses Rauchgerät nirgends unter 39,90€ erhalten. Dafür bekomme ich zwei Flaschen Caparno Antica Formula, Herr Broy.

      Ich hoffe, daß Ihre zukünftigen Artikel bei mir nicht wieder sofortige Kaufzwänge auslösen.

  3. Jürgen Gradengger sagt:

    Ja, die Dagners sind schon sehr speziell und sagen wir mal „hemdsärmelig“! Diese Corn Cop ist auch für mich das einzige Produkt ihrer Pfeifen-Serie von Interesse. Ich hab mir die Pfeifen immer mal wieder auf der Hompage des Danish Pipe Shops angesehen. Nach diesem Artikel werde ich mir da entweder mal eine bestellen (das geht ja noch, ganz im Gegensatz zu Tabaklieferunge. Die gehen leider nicht mehr) oder mir mit bringen lassen. FÜr was hat man Bekannte mit Reiseziel Kopenhagen. Klasse Beitrag!

    Herzliche Grüße

    Jürgen

  4. Hoh Benjamin sagt:

    Ich habe bis jetzt keine Corn Cob aber ich hab mir vorgenommen für den Sommer zum Fischen eine zu besorgen. Denn erstens habe auch ich die romanische Ader von Herrn Broy und verbinde damit die Lektüre von Twains Meisterwerken und stelle mir beim Angeln vor, die Regensburger Donau währe der Mississippi, und andererseits sollte so eine 20 Euro Pfeife(muss keine Dagner sein) mal in Wasser fallen und wegschwimmen, ist der Ärger nicht ganz so groß. Kurzum danke für den schönen Artikel.

    • Karl Hirsch sagt:

      Also wenn sie mir davonschwömme würde ich fluchen wie ein Verrückter, auf den Boden stampfen, die Angelrute fünfmal zerbrechen, gefangene Fische ins Wasser zurück werfen und den Auwald anzünden, sowie…ah, die Herren sind von der Polizei? Nicht? Hübsche Jacke, ich darf probieren? Wieso sind denn die Ärmel zugenäht?

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