Aus dem geheimen Ort: Norwood 1968

Corona ist der Antrieb, den angeborenen Geiz ein wenig, ein ganz klein wenig, hintenanzustellen. Na ja, zumindest sich selbst gegenüber. Bestand doch bisher der Antrieb für meine jahrzehntelang währende Sammelsucht bei Tabaken vor allem nur in der folgenlosen Betrachtung der Schätze. (Gutsherren wandern tatenlos über ihre Latifundien, ich durch meine Regale). Herausgerückt habe ich in der Münchner Runde, dem Freitagsclub, nur ganz selten einen alten Tabak, da ging mir die Freundschaft und Verbundenheit dann doch zu weit. Allerdings: einen so lang gehegten und gepflegten Vintage allein zu rauchen, macht mir ebenfalls überhaupt keine Freude. Was für ein Dilemma.

Aber jetzt! So gerne ich es tun würde, ich kann niemanden einladen, einen besonderen Genuß mit mir zu teilen, in diesen Zeiten alles verboten. So bin ich gezwungen – quasi durch parlamentarische Verordnung- die folgende Pretiose allein zu genießen. Aber bitte, keineswegs aus Bosheit, sondern schlichtweg aus Anteilnahme an Euren gegenwärtigen Verhältnissen: MacBaren Plug Cut „Norwood“ aus dem Jahre 1968. Und wer jetzt aus schnöder Voreingenommenheit oder als typischer Besserwisser abwinkt, dem kann ich auch nicht helfen.

In der Anfangszeit meiner Tabak -&Pfeifenleidenschaft sind wir oftmals mit dem Fahrrad über die Grenze geradelt, in Venlo haben die Erwachsenen Kaffee, Butter, Eier und Pindakas gekauft. Und wir pfeifenrauchenden Pennäler Balkan Sobranie 759, fast alle Dunhill Tabake, Niemeyers Irish Mixture und MacBaren Stockton, Mixture, Navy Flake und den Norwood. Ab und zu auch den Richmund Medium Navy Flake, aber der war in Deutschland eh schon preiswert. Die 50 g Dosen von Dunhill kosteten 4,50 DM, der Sobranie 5,50 DM, die 100g Dose Norwood 9 DM. Und alle Tabake hatten wunderschöne, lackierte Deckel.

Zum heutigen Feiertag und weil das Wetter hier in München fast hochsommerlich ist, die Cocktail Hour und der Grillabend bereits geplant sind, will ich mir was Besonderess gönnen und ich bin auf den MacBaren Norwood aus dem Jahre 1968 gestoßen. Im Hinblick auf das Alter verbietet sich ein vorwitziges Urteil über diesen MacBaren Tabak, denn er wird sich sicherlich verändert haben.

Die 100 g Dose ist noch immer fest vakuumverschlossen, davon zeugt das deutlich vernehmbare „Plop“. Und dann folgt eine Überraschung nach der anderen. Der Norwood ist regelrecht feucht und liegt wie festgebacken in der Dose, und das nach 52 Jahren. Ich hebe diesen runden Kuchen an und da zerbricht er natürlich in große Brocken, allerdings hält die Feuchtigkeit diese immer noch gut zusammen, fast wie ein Krumble Kake.

 


Der Norwood – er wird seit einigen Jahren nicht mehr hergestellt – ist (war) ein Virginia-Burley Ready Rubbed, dem das typische MacBaren Honig-Ahorn Flavour seinerzeit nur in Maßen zugesetzt wurde. Das Tabakbild zeigt uns einen Cut Plug Genannten (?), der u.a. mittlere bis große Flakescheiben sehen läßt und in den Farben von hellbraun (Virginia) bis zu dunkelbraun (Burley) variiert. Der Duft ist kräftig, heuig, malziger Pumpernikel, Backpflaume und wird am besten mit „satt“ beschrieben. Das hat durchaus Charakter, auch wenn leider nur auf diese eine Dose zu beziehen.

Zunächst fülle ich den Norwood in ein Schraubdeckelglas um, dem ich für die nächsten Wochen eher zutraue, dass es die fantastische Kondition des Tabak hält. Denn ich muß ihn natürlich für die Wiederöffnung des Clubs der Münchner Runde sorgfältig pflegen.

Da er nicht nur feucht, sondern auch ein wenig grob geschnitten ist, gönne ich ihm 1 Stunde an der Luft auf einem Blatt von der Küchenrolle. Ich drehe den Tabak  zu Kugeln und befülle damit eine genau gleichaltrige Kriswill Bernadotte 49. Es muß halt alles zusammen passen.

Nachdem die Bernadotte befüllt war und ich mir ein Glas Sherry zur Abrundung des erwarteten Geschmacks bereitgestellt habe (in der Tat war es selbstverständlich nicht nur ein Glas, sondern auch die Flasche), begann tatsächlich ein hervorragender Genuß. Mit ein, zwei Streichhölzern erzeugte ich einen sehr schönen Rundumbrand und war überrascht, wie hervorragend sich nach so langen Jahren Virginia und Burley verbunden haben. Von Beginn an ein sehr weicher, voller Geschmack, der Burley dominant. Ich schmecke ein feuchtes Früchtebrot, ohne überbordene Süße, Nüsse und Piment. Der Norwood bleibt spitzenlos bis zum Ende. Ein wenig schwachbrüstig, was das Nikotin betrifft, aber wegen des kräftigen Burley-Eindrucks bin ich da nicht böse. Ein sehr wohlschmeckender Rauch, mein Eindruck ist natürlich nicht völlig neutral. Schließlich habe ich schon bereits einige Jahre mit ihm verbracht.

Ich werde noch zwei, drei, ja, vieleicht auch noch ein paar Pfeifen mehr von ihm rauchen, dann allerdings bleibt er reserviert für die post Corona-Münchner Runde.

 

Bodo Falkenried

exemplarischer Niederrheiner, seit über 55 Jahren in München daheim, genauso lang Pfeifen- und Tabaksammler, versessen auf Musik, Literatur und andere Künste. Unternehmer, Segler, Reisender [..unser Mann in Asien]. Intensiver Marktgeher, immer an Feuer & Herd, sofern in der Nähe.  

14 Antworten

  1. Peter sagt:

    Kurz und bündig: Danke für die Reise in die Vergangenheit und zurück! Fantastisches Tasting in eindrucksvollen Worten!

  2. Andreas Krebs sagt:

    Sehr schöner Bericht, macht Appetit auf den Norwood – wenn es diese Legende denn nur noch gäbe…Aber vielleicht sind ja der Golden Blend (Schwerpunkt Burley) oder der Virginia Blend (Schwerpunkt eher Virginia) mögliche Substitute? Die Reifung über mehr als 50 Jahre wird ihnen freilich fehlen…
    Happy Smoking,
    Andreas

  3. Christian Rave sagt:

    Das macht doch große Lust, die Münchner Runde endlich mal wieder zu besuchen! Zumal der Mixture Scottish Blend mein Standard ist, den ich aber ab und zu durch etwas Besonderes ersetze, vor allem an Feiertagen.
    Herzliche Grüße und schon frohe und gesegnete Ostern, Christian

  4. Moglix sagt:

    Ich lese Bodo deine Kommentare immer mit Hochgenuss, nicht nur wegen der Tabakgeschichten nein, so eine feine kultivierte deutsche Sprache finde ich nur noch selten. Vielleicht in einem Schriftstellerclub oder bei der Künstlervereinigung Schlaraffia? Also mach weiter so, ich freue mich.
    Peter aus der Schweiz.

  5. Ulrich sagt:

    Lieber Bodo, es ist mir immer eine große Freude, Deine Reviews zu lesen. Sie machen mich immer so neugierig, daß ich sogleich bei meinem Tabakhändler meines Vertrauens online eine Bestellung aufgeben möchte.. Beeindruckend schön: das Design des Dosendeckels. Keine Warnhinweise, ein bißchen altmodisch, das kommt leider nicht wieder.

    Herzliche Grüße aus Südniedersachsen, angenehme Osterfeiertage und weiterhin genußvolle Stunden – nicht nur mit dem Norwood.

    Uli

    • Servus Uli, leider mußt Du dem Tabakhändler Deines Vertrauens diesmal einen anderen Auftrag erteilen, dafür bitte ich um Verzeihung, kommt nicht wieder vor. :))
      Alternative: wenn dieser ganze Schmarrn vorbei ist, setzt Du Dich in ein Boot und segelst von ……? über Main, Donau, Isar nach München und besuchst uns im Freitagsclub. Da gibst noch mehr solche alten Schätzchen.

  6. Erno Menzel sagt:

    Ein bisschen geschockt😉bin ich schon. 1968!!!???, das ist mein Geburtsjahr. Gleichzeitig komme ich aber auch in Versuchung,meinen ältesten Tabak doch zu rauchen. Es handelt sich um drei Probengläser in einem schönen Karton, samt Begleitschreiben und stammt von H. Simmons aus dem Jahre 1971. Frohes Osterfest

    • Ulrich sagt:

      Alte Tabake faszinieren mich – nun bin ich neugierig geworden. Um welche Simmons-Tabake handelt es sich? Rauchige Grüße – Uli

      • Erno Menzel sagt:

        Beim Jahr muss ich auf 1973 verbessern. Beschrieben sind die Gläser mit: McDowell light mixture type II, McDowell medium mixture Type II. und McDowell aromatic mixture type II. Noch sind sie nicht verraucht! Zum Tausch wäre ich durchaus, muss nichts altes sein, bereit.

  7. Jürgen Gradenegger sagt:

    Grüß Gott und Servus zusammen,

    an den Norwood kann ich mich erinnern. wobei ich diesne Tabak nie geraucht habe. Da war mir der Dark Twist und der Virginia No.1 immer lieber. Die HHs gab es da ja noch nicht. soweit ich mich erinnere ist der Norwood vor gut 10 Jahren vom Markt verschwunden. Der Golden Blend und der Harmony sind wohl ein guter Ersatz. Die Kameraden kann man sich also jetz zurück legen. Wobei ich bei meinen Tabake vermutlich nicht ganz so lange warten werde. Aber man weiß ja nie! 😉 Auf jeden Fall ist es ein seht schön es Review und passend zum Osterfest. Herzlichen Dank dafür!

    Rauchige Grüße, Jürgen

  8. EG-Gesundheitsminister sagt:

    Hallo, erstaunlich, was du so alles gesammelt hast. Bekommen wir irgendwann mal eine Fototour durch deinen Vintage Tabak Keller zu sehen und somit, was du noch alles für Schätze gelagert hast? Das wäre ein schöner Artikel. Oder wäre das zu entzaubernd, was den Überraschungseffekt angeht?
    Viele Grüße

    • Bodo Falkenried sagt:

      zum letzten Satz: ja, wäre es. 🙂
      Ich beabsichtige, noch einige Zeit auf diesem Planeten zu verbringen und werde ab und zu einen Vintage Tabak vorstellen.

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