Im Trockendock: Jørgen Larsen Volcano

Für den Segler ist die Havarie in der Regel das Ende. Ein Schock. Die Yacht ist gekentert, gesunken, auf ein Riff gelaufen. Ist aufzugeben oder ähnliche Desaster mehr. Das muß man erfahren haben, um – auch wenn es glücklicherweise keinen Collateralschaden gegeben hat – die seelische Betroffenheit, die lange nachwirkt, zu erleben.
Nun ist dieser Einstieg in die folgende Geschichte ein wenig hochgegriffen und ein Vergleich mag manchem Leser durchaus suspekt sein, aber ähnliche Gefühle treiben sicherlich den einen oder anderen Pfeifen-Afficionado um, der bereits die Havarie einer oder sogar mehrerer Lieblingsobjekte erlebt hat.

Meine erste Havarie (von 2), 2001 in der Bretagne, Mastbruch, Kentern, Schiff in Schräglage teils unter Wasser, nach 8 Tagen gehoben, letztlich Totalschaden.
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Der ambitionierte Sammler fährt gewöhnlich nicht auf ein Riff, aber – und hier spreche ich aus bisher (dreifacher) Erfahrung in über 50 Jahren Sammlerschaft- der steinerne Terrassenboden oder die geflieste Küche reichen für eine Pfeifenhavarie vielfach aus. Von unangebrachten Wutausbrüchen, die Pfeifen, nur weil sie gerade zur Hand sind, zum Opfer machen, will ich nicht schreiben. Das ist zu gewöhnlich und der Gedanke, daß es so eine Barbarei realiter geben könnte, sorgt bei mir für großes Unbehagen.

 


Im vergangen Jahr hat es mich erneut hart, sehr hart getroffen. Nicht zum ersten Mal, wie hier bereits berichtet wurde. Diesmal allerdings war kein Totalverlust zu beklagen, sondern ein komplizierter Bruch des Holmes, der vom Ergebnis her zunächst aber kein anderes Bild abgegeben hat. Das es wiederum ein Objekt meines früher präferierten dänischen Pfeifenmachers Jørgen Larsen (JL) getroffen hat und von seinen Pfeifen in meiner Sammlung ausgerechnet eine der schönsten, wenn nicht gar die schönste (in so einem Krisenfall erhöht sich natürlich die Wertschätzung der Pfeife per se), mag ich eher einer Einwirkung von Tyche zuschreiben, als meiner eigenen Ungeschicklichkeit. Man kann den Versuch einer Analyse des Vorfalls natürlich anders sehen. Aber letzlich bleibt: kaputt ist kaputt. Egal, ob jetzt Tyche, die Parzen oder Dagobert Duck und Gustav Gans bemüht werden.

 

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Natürlich habe ich Zugriff auf die besten und erfahrendsten Berater aus den Bereichen Tabak & Pfeife, keiner im westeuropäischen und asia-pazifischen Sammlermarkt verfügt über solche Verbindungen. Und die befinden sich auch noch im unmittelbaren Münchner Umfeld, in der Münchner Runde, unserem Pfeifenclub. Direkt neben der wunderbarsten Zapfanlage für Biere aus aller Welt. Was für eine ideale Umgebung. Der großzügige Gastgeber selbst hat sich über die langen Jahre hinweg zu einem vorzüglichen Pfeifenmacher mit perfekter Werkstattausstattung gewandelt und überhaupt lerne ich wöchentlich von dem Pfeifenmacher, der mich u.a. als Kunsthistoriker mit Wissen um Gott und die Welt am meisten beeinflußt, Peko Hamamotu.

Obwohl letzterer nicht einmal halb solange mit Pfeifen befasst ist, wie ich sie rauche, zeigt er mir (und anderen) regelmäßig Aspekte bei der Fertigung und dem Design von Pfeifen auf, die ich nicht einmal bemerken würde. Somit waren die Vorausetzungen für eine Instandsetzung der JL eigentlich optimal. Eigentlich !

Denn nun kommt meine Starrsinnigkeit ins Spiel. Das Duo der Berater und ein hinzugezogener technischer Fachmann aus dem oberbayerischen Mühltal (Gauting, nahe am Starnberger See), natürlich ebenfalls Mitglied der Münchner Runde und erprobter Pfeifengestalter, sahen unisono nur einen Weg zur Problemlösung: es mußte ein Ring um die Bruchstelle angefertigt werden (Gold oder Silber), zudem seien einige Zuarbeiten notwendig, damit die Beringung Wirkung zeigen kann. Das Trio müßte so um einen weiteren Akteur, einen Gold- oder Silberschmied, erweitert werden. Und da wurde ich bockig.

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Die JL Volcano – früher nannte kein Mensch ein solche Pfeife Volcano – hat als prägendes Stilmittel eine überzeugende Gradlinigkeit, nahezu formvollendet die feine, klare und unterbrechungsfreie Linie vom Biß bis zum Pfeifenboden. Das verhältnismäßig lange, nur ganz leicht gebogene Mundstück und der Holm verbinden sich geradezu unmerklich mit dem wundervollen leicht schräg aufsteigenden, vulkanesken Kopf. Obligatorisch beim heute 80jährigen Jørgen Larsen, der seit 2015 keine Pfeifen mehr herstellt: keine Spots, kein Kitt und außerdem ein traumhaftes straight grain. Die vollständig handgemachte Volcano wiegt 42g und seit ich sie 1974 bei Pfeifen Huber in München erworben habe, glimmten in ihr auschließlich zwei Tabake: Dunhill Flake, später Dunhill Light Flake genannt, zur Unterscheidung zum Dunhill Dark Flake  und Capstan Navy Cut Blue. Irgendwie gehörte diese unikate, bis heute beibehaltene Tabakauswahl für mich zur Abrundung des visuellen Raucherlebnisses mit der JL Volcano.

Die Vorstellung, dieses grazile, elegante Kunstwerk nun durch einen goldenen oder silbernen Ring als Verbund der Bruchstelle zu brachialisieren, ging für mich gar nicht.  Die Meister um mich herum schüttelten ihre Häupter und umsomehr verflüchtigte sich meine Bereitschaft zum Zuhören, natürlich wider alle Vernunft. Also, dann lassen wir es.

Nun hat die Münchner Runde jene Besonderheit, daß trotz zunehmender Existenzdauer bei einigen Mitgliedern kein Altersfortschrift eintritt. Es ist noch nicht ausgiebig eruiert, ob das treffliche Raumklima, die hervoragende Getränkeauswahl, die schier überbordende Auswahl an Tabaken, besondere Gene der teils lebenslang Pfeife- bzw. Zigarre Rauchenden dazu führen, die besonders tolerante, gepflegte Konversationskultur oder die gegenseitige Hochachtung und Wertschätzung der Mitglieder. Letztlich aber ist das unerheblich und für die Betroffenen zählt eh nur das Ergebnis. Außenstehende Leser mögen einfach, gerne auch bis dahin ungläubig, auf die Forschungsergebnisse der TU München warten, die wir zu gegebener Zeit hier veröffentlichen werden.


 

Tobias Schneider kommt ins Spiel, damit die JL Volcano Geschichte ihren Fortgang finden kann. Wir haben uns im Dezember 2019 während meines einmonatigen Finstergramm-Gastspiels zufällig getroffen. Mir fiel sofort auf, das sich hinter dem Alias „handcrafteddesign“ ein hochtalentierter Design-und Handwerksaffionado verbergen mußte. Stoff, Leder, Bruyere und Bambus, alles hat er schon be- und verarbeitet, entworfen und gestaltet, so auch dieses hier, das für mich bereits essentiell geworden ist. Tobias ist Mitglied der Münchner Runde.

 


Tobias Schneider
: ich war bei der Diskussion um die Rettung der JL Volcano dabei. Obwohl ich der vorgeschlagenen Ringlösung als sinnvollem Weg zustimme, habe ich mich dennoch mit einer weiteren Idee beschäftigt, da der eigensinnige Besitzer der JL partout nicht der fachmännischen Beratung folgen wollte. Die technischen Schwierigkeiten lagen auf der Hand und waren -wie immer – mein Ansporn.

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Die Bruchstellen ausschließlich zu kleben schien nicht ausreichend zu sein, da ich auf der unteren Seite des Holmes einen weiteren Mikroriss vorgefunden habe, durch den beim Eindrehen des Zapfens sicherlich ein zusätzliches Problem entstanden wäre. Die Besprechung im Club kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die bereits vorhandene Bruchstelle geklebt werden könne, aber ein erneutes Brechen irreversibel wäre. Der bereits erwähnte Metallring hätte dies verhindert. Mein Gedanke: die Bruchstelle erst einmal kleben, was in jedem Fall notwendig gewesen wäre.

Und so nahm ich die Pfeife in meine Obhut.

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Zur damaligen Zeit leistete ich noch mein Referendariat in Zwiesel ab und hatte vor Ort wenig handwerkliche Möglichkeiten. Die Pfeife lag also zwischen einigen anderen Objekten in einer Vitrine und war immer wieder Anlass für neue Überlegungen. Die Idee kam eines Abends relativ plötzlich bei einem Gläschen Whisky. Wie der Zufall es wollte, lag die Volcano zwischen einer meiner Pfeifen mit einem Holm aus Horn und Military Mount und einer Pfeife mit Bambus. Die Pfeifenkenner wissen, dass bei Military Mounts ein Ring, in der Regel aus Messing, in das Holz eingearbeitet wird, um das Sprengen des Holmes zu verhindern. Kann man so etwas ähnliches nicht im Nachhinein machen?

 

Das Herstellen von Pfeifen, gerade von außergewöhnlicheren Formen mit Applikationen, bringt die Herausforderung Form und Funktion zu verbinden. Die Bambuspfeife war das Ergebnis einer solchen Herausforderung. Damals hatte ich ein optisch perfektes Stück Bambus für eine Poker. Der Bambus machte es jedoch unmöglich einen Sicherungsring anzubringen und auch der Zapfen aus Ebonit hätte einen unrealistisch kleinen Durchbesser benötigt. Die anschließende Lösung des Problems ist weitestgehend die Gleiche wie bei der Reparatur der JL, außer dass ich bei dieser noch deutlich feiner arbeiten musste.

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Die Idee ist die Folgende. Man stellt eine Hülse her, die aus Bruyère besteht und von einem Messingrohr umgeben ist, um -und nun wird die Analogie zur Military Mount klar – das Sprengen zu verhindern. Der Zapfen der Volcano hatte einen Durchbesser von 7mm, der Rauchkanal 4mm. Mathematisch gibt es eine Differenz von 3mm was praktisch und in der Dimension von Wandstärke einen verfügbaren Spielraum von 1,5mm bedeutet. Innerhalb dieses Spielraumes gilt es nun drei Schichten (Zapfen, Bruyere, Messing) unterzubringen.

Die Rechnung ist leicht, die Umsetzung etwas schwieriger. Jeder Schicht kommen 0,5mm zu Teil. Ein Feinwerkmechaniker mit einer hochpräzisen Drehmaschine könnte vermutlich einfach beginnen. Ich bin jedoch Freizeit- Pfeifenbauer und mir steht eine Drehmaschine aus dem vermutlich ersten Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts zur Verfügung. Immerhin, sie hängt nicht mehr an einem zentralen Transmissionsriemensystem, sondern an ihrem eigenen elektrischen Motor.

Im ersten Schritt drehe ich einen Zapfen mit dem Durchmesser von 6mm, der anschließend in das Messingrohr eingeklebt wird. Erst jetzt kommt die Bohrung für den zukünftigen Zapfen, die freilich sehr behutsam vorgenommen werden muss. Es gilt zu bedenken- bei einer Drehmaschine dreht sich nicht das Werkzeug, sondern das Werkstück und ein unachtsames Vorgehen erhöht den Durchmesser der Bohrung, da die Schnittkante des Bohrers etwas mehr „abschabt“.


 

Der Zapfen aus Ebonit muss natürlich durch einen neuen ersetzt werden. Hierbei kommt Edelstahl zu Verwendung, der in der Lebensmittelindustrie eingesetzt wird. Der Zapfen soll mit angenehmen Widerstand in die 5mm- Bohrung eingedreht werden, somit schließt sich aus, dass dieser genau 5mm hat. Er muß geringfügig größer sein. Edelstahl hat durch seine Härte die Eigenschaft, das Holz der Bohrung stärker zu komprimieren, was das Thema der Abstimmung beider Durchmesser erschwert. Fest steht, der Zapfen muss eigens gedreht werden. Ich begann also mit circa 5,025mm und der Widerstand fühlte sich gut an. Glücklicherweise klebte ich den Edelstahlzapfen noch nicht in das Mundstück ein, denn einige Tage später saß das Mundstück für meinen Geschmack zu locker. Ein neuer Zapfen musste her. In der zweiten Runde waren dies circa 5,075mm. Nun war ich zufrieden.

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Das Einkleben des Zapfens in das Mundstück war nicht gerade ein Selbstläufer, da das Mundstück nicht perfekt rund ist. Die Kontaktflächen von Mundstück und Holm drehte ich nochmal sehr vorsichtig ab, damit diese perfekt aufeinanderliegen. Hier war ich bis zum Schluss nicht zu hundert Prozent zufrieden und die Anfertigung eines neuen Mundstückes wäre leichter gewesen, aber Bodo und ich waren uns sofort einig, dass es das JL Zeichen auf dem Mundstück zu bewahren gilt. Zum Abschluss erlaubte ich es mir noch den Kopf und dessen Kontrast aufzufrischen. Das genaue Vorgehen ist hier ausnahmsweise ein Geheimnis.

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Die Reparatur der Pfeife war ein schönes Sommerprojekt und eine gute revitalisierende Übung, um das Pfeifenhandwerk nach der Pause des Referendariats neu aufzunehmen.

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Bodo Falkenried & Tobias Schneider

Bodo Falkenried (einer der 3 Administratoren von pfeifenblog.de) und Tobias Schneider (Redakteur) verfassen gelegentlich gemeinsame Artikel, die den Pfeifenbau und artverwandte Themen betreffen.

12 Antworten

  1. Roland Hautmann sagt:

    Hallo Pfeifenfreunde, was würde Bodo I ohne die mannigfaltigen Kenntnisse und Fähigkeiten der Münchner Runde nur tun? Diese Reparatur ist einfach hammermäßig gut gelungen, was man so an Hand der Bilder erkennen kann. Tolle Arbeit, Tobias! Nur Bodo, was machst Du denn jetzt? Ein Filter/Transportsicherung :-)) passt nun nicht mehr rein… Wegduck 😉 Viele Grüße Roland

  2. Servus Roland, Du hast ohne jegliche Einschränkungen Recht – ohne die MüRu wäre ich verloren und hätte mich längst womöglich in Götteswickerham, Emmelsum oder Perrich, eventuell in Schenkenschanz vergraben. Das Problem meiner geliebten Filter ist bereits in Arbeit: Tobias plant einen luftdurchlässigen Alabasterfilter mit additivem Mantel aus Carrara-Marmor und versenkten Swarowski Steinen. Stellen wir bald hier vor und im Oktober, wenn ich wieder in MUC bin, kannst Du diesen Filter live sehen. Bleib (t) gesund, geht mal wieder in die Frühmesse und meidet den Alkohol (bis auf einen guten Barolo als Messwein).

  3. Peter Hemmer sagt:

    Ich muß jetzt doch noch meinen Senf dazugeben. Je mehr ich drüber nachdenke, desto mehr stört mich, was ich da sehe. Gleich vorweg: die handwerkliche und technische Ausführung hier ist erstklassig und bewundernswert, aber wer Pfeifen von Tobias gesehen hat, der dürfte nicht überrascht sein, sind sie doch ebenso von hohem handwerklichem Standard. Tobias‘ Fehler war einzig und allein, Bodo hier nicht zu widerstehen.
    Bodo ist eine Pfeife kaputt gegangen. Mit einem Holmbruch. Alles andere ist vollkommen original erhalten. Das Finish, die Bohrungen, das komplette Mundstück. Anstatt den geringsten „Eingriff“ zu wagen, der noch nicht mal ein Eingriff ist, sondern ein aufgezogener Metallring, der den geklebten Holmbruch perfekt fixiert hätte, wurde die komplette Pfeife völlig verändert. Warum? Weil sich Bodo am Goldring gestört hätte, den er als nicht original empfand. Klar ist der nicht orignial. Er ist sichtbares Zeichen einer Reparatur. Genau dieses Zeichen hat man umgangen, allerdings mit zweifelhaftem Erfolg, denn man sieht ja auf den Fotos trotzdem sofort, dass der Holm gebrochen ist. Und der Preis dafür? Der Preis ist vollständige Missachtung aller originaler Bohrungs-Physik der Pfeife auf höchstem handwerklichem Niveau, inklusive einer Kaywoodisierung des eigentlich vollständig intakten Originalmundstücks! Als Kunsthistoriker kann ich hier nur sagen, wenn man etwas restauriert, dann zerstört man keine Originalsubstanz! Ihr habt hier eigentlich die ganze Identität der Pfeife hingegeben allein um die optische Identität zu erhalten. Das ist nicht nur falsch gewichtet, es ist auch ein Phyrrussieg, denn man sieht den Holmbruch ja trotzdem. Ich hätte mir ein bisschen mehr japanischen Blick auf ganze gewünscht: Je mehr man den Dingen ansieht, daß sie benutzt werden, desto mehr steigt ihr „Wert“ und wenn sie kaputtgegangen sind, dann werden diese Dinge aufwändig SICHTBAR (mit Gold) repariert und es steigt ihr „Wert“! Der ganz schlichte Goldring wäre die einfachste, ehrlichste und schönste Lösung gewesen, denn er hätte den Holmbruch da, wo man ihn am deutlichsten sieht, noch etwas verdeckt und ansonsten alles, aber auch wirklich alles andere an der Pfeife im Originalzustand belassen! So toll das hier gemacht ist, ich finde es falsch.

    • Mit Verlaub, verehrter Peter, dieser „Senf“ gehört beantwortet. 🙂 Das ist keine Analyse, die ich nachvollziehen kann, sie ist aber sehr wohl zur Initiierung einer Folgediskussion geeignet. Es gibt hier m.E. nicht die Notwendigkeit der Anführung kunsthistorischer Aspekte, es gibt lediglich eine Instanz, die relevant ist: Das bin ich mit dem Wunsch, die JL Form nicht zu zerstören. Und die Möglichkeit zu schaffen, die Pfeife wieder unbesorgt rauchen zu können. Für den problemlosen zukünftigen Gebrauch der JL ist die „vollständige Missachtung aller originaler Bohrungs-Physik“ so unerheblich, wie das jetzige probate physikalische Ergebnis hervorragend ist. Tobias ist die Lösung dermaßen gut gelungen, dass ich eine fast größere Wertschätzung für die Pfeife empfinde als zuvor. Ein Ring oder eine sonstige Einfassung mag bei mittelalterlichen Burgen Daseinsberechtigung haben, nicht aber bei einem so filigranen Objekt. Hätte man den Riß komplett verdecken wollen, so wäre ein schmaler Ring wenig hilfreich gewesen und die Bruchstelle sowieso sichtbar geblieben, das Auge wäre nur deutlich darauf gelenkt worden. Und eine breite „Manschette“, sei sie auch aus Gold, Platin oder Lithium hergestellt worden, wäre ein stilistisches Desaster.
      Ich besitze eine Reihe von antiquarischen Möbelstücken, viele sind sichtbar restauriert oder sogar repariert und dennoch mindert das weder den Wert noch die Bedeutung, die sie für mich haben. Bei der JL sieht man nun die frühere Bruchstelle, das stört mich überhaupt nicht. Wobei die Reparaturstelle auf den Photos wesentlich deutlicher zu sehen ist, als es die Pfeife in natura hergibt, deshalb habe ich bewusst so detailliert fotografiert, ansonsten hätten wir uns den Artikel sparen können. Nur wer weiß, dass sie repariert wurde, wird diesen Umstand überhaupt entdecken.

      Tobias hat dieser immerhin 48 Jahre alten Pfeife, die ebenso lang im regelmäßigen Gebrauch ist, auch äußerlich sehr sorgfältig zu einer noch schöneren Patina verholfen. Der ideelle Wert, die Haptik und das Wohlgefallen für das Auge des Besitzers ist damit noch einmal gesteigert worden. Das ist durchaus ein „japanischer Blick“, wie Du ihn interpretierst. Für mich hat dieser Blickwinkel ohnehin keine Relevanz, da er für das erreichte Ergebnis der Instandsetzung überflüssig ist.

      Trotz der sichtbaren Reparatur und der bisher hervorragend wirksamen Stabilisierung von innerem Holm und Mundstück zähle ich diese JL Volcano zu einer meiner schönsten aus der Sammlung, das mögen Leser anders sehen. Somit kann unser wohldurchdachtes „Havarieprojekt“ keineswegs als falsch bezeichnet werden. Kann es natürlich, ist es aber nicht.

      • Peter Hemmer sagt:

        Du hast vollkommen Recht, du bist der einzige, auf den es hier ankommt, das steht vollkommen außer Frage. Ebenso außer Frage steht, dass das alles herausragend gut gemacht ist. Ich hatte das eigentlich auch deutlich betont. Fragwürdig finde ich, der sich über so Dinge wie Pfeifen oft seine Gedanken macht, allerdings die Lösung, nur, du hast vollkommen Recht, es kommt auf mich erstens nicht an und zweitens ist es ja eh zu spät. In diesem Sinne wünsche ich dir mit der Pfeife viel Freude! Sollte sich eine Diskussion entwickeln, fände ich das schön, genau eine solche anzustoßen, war meine Absicht. Aber ich bin hier raus.

  4. Don Perique sagt:

    Das Pfeifenblog lebt – gut so! 😉

  5. Cornelius sagt:

    Mir missfallen Gold- oder Silberringe bei Pfeifen. Das ist zu viel des Guten: Holz, Mundstück, Form, das muss genügen. Dennoch habe ich eine Pfeife mit Silberring. Hätte ich mir nie gekauft und schon gar nicht schenken lassen. Es ist eine filigrane Paolo Becker, dünnster Holm, wunderschönen Form. Ursprünglich ohne Ring. Nun war mir der Holm gesprungen, vermutlich durch unachtsames Eindrehen des Mundstücks. Peter war so freundlich, die Pfeife in Rom Paolo zu zeigen. Und was machte der Maestro: Er zog einen Metallring auf. Sieht nach Reparatur aus, ist eine Reparatur – aber es ist weiterhin eine Paolo Becker, und jetzt eine ganz besondere, persönliche, mit einer sichtbaren Geschichte.

    Auch Bodos Pfeife ist eine reparierte, nur sind die Prothesen schamhaft nach innen verlegt. Ich verstehe das Anliegen: nach außen nichts ändern, aber ist das Ergebnis nicht ein bisschen: außen hui (naja, nicht ganz, das Malheur ist ja sichtbar), innen pfui? Meine natürlich nicht die Qualität der fachlichen Umsetzung, sondern die Tatsache der Blechverkleidung.

    • Hui-Pfui – ist ein Argument. Aber ich gebe zu bedenken, daß neben der bestmöglichen Unverwundbarkeit der Optik – geht ja eh nur schwerlich, der Bruch ist unverändert sichtbar – vor allem die technisch problemlose weitere Nutzung im Vordergrund stand. Und wenn das durch eine „Blechverkleidung“ erreicht wurde, die außerdem nicht sichtbar ist, dann sehe ich meinen Wunsch erfüllt.
      Ich kenne Deine Becker, die mir sehr gut gefällt, wußte nicht (sic!), dass sie ein Reparaturfall war und ich selbst besitze 3 Foundation mit Silberringen und zig-Pfeifen mit irgendwelchen Metallapplikationen. Alle gefallen mir gut, ich bin ja nicht gegen schöne, schmale Ringe, im Gegenteil. Nur zur JL Volcano taugten sie mir nicht. Zugegeben, eine ganz persönliche Vorstellung.

  6. Bernd Fleischmann sagt:

    Ein herrliche Diskussion, die für mich aber nicht relevant ist. Auf Grund meines eingeschränkten Budgets war die Pfeife immer ein vorzüglicher Gebrauchsgegenstand, um meine geliebten Tabakvarianten zu verbrennen. Demzufolge kaufte ich meine Pfeifen immer nach finanziellen, aber auch nach ästhetischen Kriterien. Eine Pfeife wie die JL Volcano, im oberen Preissegment angesiedelt, war für mich nicht drin. Einen Holmbruch wie gezeigt, hatte ich noch nie. Wenn aber, würde ich meine Pfeife wahrscheinlich entsorgen, vielleicht ein paar besonders liebgewonnene Stücke ausgenommen. (ja, ich weiß, das klingt barbarisch, ist aber durchaus pragmatisch zu sehen, bei dem Aufwand einer Reparatur). Hätte ich die JL, dann wäre die Situation eine andere. Bodos Lösung ist meines Erachtens durchaus zufriedenstellend. Die Pfeife sieht wieder gut aus und der leicht sichtbare Riß ist zu vernachläßigen. Außerdem soll sie wieder sehr gut rauchbar sein. Die Lösung mit dem Ring könnte ich mir aber auch gut vorstellen, wobei es bei der Vorstellung bleibt. Ich kann das Ergebnis ja nicht sehen. Letztendlich ist hier die eigene Empfindung und Vorliebe ausschlaggebend. Hätte ich das obige Problem, wäre ich sehr glücklich und zufrieden.

  7. Wasserstandsmeldung: nun rauche ich die JL Volcano wieder seit einem Jahr, fast schon ein Wochenend – Ritual. Immer wieder lese ich hier nach, wie Tobias die Reparartur durchgeführt hat und bin unverändert begeistert. Und so kann ich vermelden, dass sie nicht nur ein Hingucker geblieben ist, der nach wie vor mit Vintage Versionen von Dunhill Flake oder Capstan Blue befüllt wird, sondern für den ich auch stets eine besondere Flasche Messias Quinta do Cachão Vintage 1983 als treffliche Begleitung und Geschmacksverstärker reserviert halte. Als musikalische Stimmungshilfe lege ich zu Beginn die CD „Schuberts Impromptus D 899 + D 935 von Krystian Zimerman (1990)“ auf, gefolgt von Keith Jarretts LP „Arbour Zena“ (1976) mit Charlie Haden, Jan Gabarek ud dem Radio Sinfonieorchester Stuttgart unter Mladen Gutesha. Beide langen für eine Flakefüllung.

    Die Reparatur „hält“ natürlich auch, nicht ganz unerheblich 🙂

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