Seasick Steve – sag mir, wo die Blueser sind

Über den Blues, die alten und die sogenannten kontemplativen Protagonisten, ist alles gesagt, alles geschrieben und alles nachzulesen. Sicher, der Blues ist unbestritten die Grundlage für fast alle Musikstilrichtungen ab dem 19. Jahrhundert und ohne ihn gäbe es wohl keine nennenswerte populäre Musik. Bar der sozialen und  menschenrechtlichen Situation, in der sich die „Gründerväter“ befunden haben, hat sich der Blues heute in eine Komfortzone verwandelt, hat die reine Lehre vergessen. Sie ist heute ohnehin gegenstandslos, außerdem verlassen die Alten unseren Planeten, wenn sie es nicht längst getan haben.

Zurück bleiben viele Alibi-Blueser, die – sobald sich Erfolg einstellt- eine weichgespühlte Bluesart spielen oder sich zu Allroundern gewandelt haben, wie die Überflieger Joe Bonamassa und Robert Cray. Eric Clapton, sicherlich der beste Musiker von allen, hat mittlerweile den Blues ebenfalls glattgebügelt und somit zu Tode geritten, Kenny Wayne Shepherd und Jonny Lang mutierten zu  hervorragenden …… Rock`n Rollern. Die vielbemühten Robert Johnson und Muddy Waters sind vom heutigen Geschehen um den Blues weiter entfernt als Pink Floyd von Andrè Rieu und Fleetwood Mac mag gerade mal als traurigstes Beispiel für den EU-Ableger des Blues taugen. Es stellt sich die Frage, ob man den Blues nicht nur aus dem historischen Blickwinkel angehen sollte, um der bluesigen Langeweile auf den Plattentellern zu entkommen.

Wäre da nicht -unter wenigen anderen Musikern-  Steve Wold, besser bekannt als Seasick Steve. Der 75 jährige spätberufenene Kalifornier machte erst 2004 im Alter von knappen 60 mit dem Album Cheap auf sich aufmerksam. Irgendwie geriet er 2006 an Jools Holland und dessen populäre BBC live-Show „Later with Jools“. Und ab da ging die Post ab.

seasicksteve

Von Xenus – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7026097

Seasick Steve ist vielleicht der letzte wahre „Blueser“. Gefühlte 100 Jahre als echter Hobo auf der Strasse unterwegs, ein teils kurioses Sammelsurium an selbstgebastelten Instrumenten, der legendäre Fender Tweed , so bedient er ungewollt das Klischee. Aber da steckt mehr dahinter, denn Steve ist ein schnörkelloser Erzähler, für den die sparsame Musik nur Transporter ist. Und was ein rastloser Wanderer zu erzählen weiß, kann auf mittlerweile 8 veröffentlichen Alben nachgehört werden. Auch wenn er niemals eine Chance auf den Literatur-Nobelpreis haben wird wie der alters-flegelhafte Robert Zimmermann (der ihn bestimmt nicht verdient hat), dazu sind die Texte zu wenig intellektuell oder haben zu wenig feine Lyrik. Tiefgang haben sie allemal.

 

Analog ist alles aufgenommen, rauh, erdig, rotzig, simple Soundstrukturen, die aber unter die Haut gehen. Das sind keine Masterpressungen oder SACD Disks, das ist Musik.

Das ich so etwas noch mal antreffe, toll …….. und nun das aktuelle Album Keepin’ the Horse Between Me and the Ground, veröffentlicht in diesem Jahr.



Bodo Falkenried

exemplarischer Niederrheiner, seit über 55 Jahren in München daheim, genauso lang Pfeifen- und Tabaksammler, versessen auf Musik, Literatur und andere Künste. Unternehmer, Segler, Reisender [..unser Mann in Asien]. Intensiver Marktgeher, immer an Feuer & Herd, sofern in der Nähe.  

16 Antworten

  1. Manfred Postlmair sagt:

    Hallo Bodo – also das mit Eric Clapton oder Joe Bonamassa unterschreib ich dir sofort – aber Fleetwood Mac?? – ich meine allerdings die alte Garde mit Peter Green, Jeremy Spencer und Danny Kirwan. Peter Greens „World keep on turning“ wäre ungeachtet seiner blassen Hautfarbe bei jeder Jam Session im Missisippi Delta gut angekommen!

    LG

    Manfred Ernst

    • Servus Manfred Ernst,

      ja, richtig – ich meine die heutige Fleetwood Mac Formation, die u.a. aus Stevie Nicks, Christin Perfect (McVie) und Lindsay Buckinghamm besteht, gepflegte Pop Musik macht und außer, dass die Ur-Macs Mick Fleetwood und John McVie dabei sind, nichts mehr mit Blues zu tun haben.
      Auf Peter Green`s Fleetwood Mac und für die kurze Zeit seit seinem Weggang bestehende Band laß ich nichts kommen.

  2. Vor kurzem hat das Rolling Stones-Altersheim sein erstes Studioalbum seit 11 Jahren veröffentlicht, „Blue & Lonesome“. Alles Bluesstandards, keine Eigenkompositionen. Hätten sie doch lieber weitere 50 Jahre verstreichen lassen. Da muß man als Künstler schon ganz schön abgedreht sein, wenn man sich einen solchen Schrott leistet. Jede Schülerband spielt so etwas besser herunter. Ein Mick Jagger an der Kindermundharmonika, krumm und schief spielend, selbst der ansonsten so routinierte Charly Watts liefert gelangweilten Rhythmus ab. Ich denke, die Herren sind jetzt alle in den 70ern und sollten aufhören, statt uns zu belästigen. Das ist wirklich unappetitlich. Anschauen kannst von denen keinen mehr, geht schon ganz nahe an die Ozzy Osbourne sit com. Bedenkt man, dass die Stones auf den ersten 4-5 Alben besten Blues und R&B geboten haben, haben sie heute jegliche Befähigung verloren, daran anzuknüpfen. Und darauf einen Seasick Steve…….

  3. Winfried KARL sagt:

    Zwar „nur“ Brit-Blues…….

    Wer Lust und Zeit hat kann ein Gläschen auf John Mayall trinken, der heute 90 Jahre alt ist.

    Und bei einer oder auch zwei Pfeifenfüllungen sich erst seine Abschiedsvorstellung von der Bühne anschauen und sich dann z.B. auf YouTube oder aus der eigenen Plattensammlung weiter hangeln zu den Musikern denen Mayalls Blusbreakers als Sprungbrett dienten:

    Peter Green, Mick Fleetwood, John McVie, Mick Taylor, Eric Clapton, Jack Bruce, Don Sugar Cane Harris, Aynsley Dunbar (später bei Zappas Mothers of Invention), Keef Hartley (später mit eigener Band), Dick Heckstall-Smith, Jon Hiseman (später Colosseum), Andy Fraser (später bei Free), Jon Mark, Johnny Almond (später als Duo Mark/Almond), Harvey Mandel, Larry Taylor (später Canned Heat), auch Walter Trout Ende der 80er und viele mehr.

    Da reichen dann wohl doch zwei Pfeifenfüllungen nicht…..

    Also HAPPY BIRTHDAY John Mayall

    • Servus Winfried, schön, daß Sie an John Mayall erinnern, ohne ihn und Alexis Korner hätte die europäische Rockmusik wohl eine gänzlich andere Entwicklung genommen und auch in den USA wäre musikalisch einiges anders verlaufen. Dennoch erlaube ich mir eine Kritik: das YT-Video von der Farewell Club Tour ist für mich ein Alptraum, bis auf die Rhythmusgruppe. John Mayall selbst aber karrikiert sich unbewußt, denn weder sein Mundharmonikaspiel (war noch nie gut, höchstens originell) noch seine Tastenbedienung kann ich ertragen. Mit 90 sollte er sich wirklich Ruhe gönnen und andere seine Meriten aufzeigen lassen. Was im übrigen auch für zahlreiche geringfügig jüngere „Altstars“ gilt, die teils nur noch zum Fremdschämen taugen, darunter Rod Stewart, Elton John ….

  4. Winfried KARL sagt:

    Servus Bodo, das Video war auch nicht zum Bewundern gedacht (die Liste der Musiker die seine Schule durchliefen aber schon) sondern nur um aufzuzeigen, in welchem Zustand sich ein fast 90jähriger auf die Bühne traut. Ich hätte es dazu schreiben sollen.
    Aber 90 Jahre müssen erst mal erlebt sein…….

    Und klar, Alexis Korner, der schon längst nicht mehr unter uns weilt, hat genau dieselben Verdienste als Katalysator der europäischen Rockmusik.

    Spontan kommt mir da ein wundervolles Trio mit Bass, Schlagzeug und Saxophon aus den 70er Jahren in den Sinn, das aus seinem Dunstkreis entstand. Back Door.
    Leider lebt von denen nur noch Colin Hodgkinson, der (auch leider) dem unsäglichen Rest von Ten Years After angeschlossen hat.

  5. Winfried KARL sagt:

    Natürlich kenne ich den Artikel von vor 5 Jahren zu TYA. (Dort gibts später noch einen Kommentar zu meinen Erfahrungen mit der Band)

    Colin Hodgkinson sah ich glücklicherweise 3 mal live. 2 mal mit Back Door in den 70er Jahren (jeweils als Vorgruppe vor ELP, davon 1x im Wembley Empire Pool in London) und später nochmal 1986 auf Tour mit Brian Auger und Pete York.
    Dass er TYA beitrat disqualifiziert ihn in meinen Augen.

    Das Akkkordspiel und Solieren auf dem Bass, das er seit den 70er Jahren zeigt beherrschen im Übrigen heute fast alle Bassisten, zumindest im Jazz.
    (Gerade sah ich bei den Lelverkusener Jazztagen die junge Polin Kynga Glyk und danach Richard Bona, mit Musik die Welten von dem entfernt ist was Hodgkinson heute bietet.)

  6. Winfried KARL sagt:

    Resümee (s. auch den Kommentar z Ten Years After):
    Wer sich, wie oben empfohlen, vergnügliche Stunden auf der Spurensuche zu den Musikern welche durch John Mayall (oder Alexis Korner) groß wurden machen will, der schaue oder höre sich die alten Sachen an, nicht aber Reunion-Band-Objekte.

  7. Winfried KARL sagt:

    Er hat eine gesicherte Affinität zum Blues.
    Vom Altersheim der Rolling Stones war hir im dritten Kommentar die Rede.
    Deshalb hier:

    HAPPY BIRTHDAY!

    Keith Richards ist heute 80 Jahre alt.

    Von klein auf bewunderte er die alten, schwarzen Bluesmusiker. Wie einige von denen (z.B. B.B. King) später in Interviews betonten, waren die Rolling Stones und Eric Clapton mit ihren ersten Touren in den USA die Türöffner dafür, dass sich die amerikanische Öffentlichkeit und Musikindustrie für die schwarzen Bluesmusiker zu interessieren begannen.

    Auf die Frage wer denn der bessere Gitarrist sei, Ron Wood oder er, antwortete Keith Richards in einem Interview sinngemäß: „Ron würde sagen er, ich würde sagen ich, in Wahrheit sind wir beide lausig, aber gemeinsam sind wir unschlagbar.“

    Hier ein sehr gutes Beispiel für das ineinander verzahnte Spiel der beiden:

    Bei allem was an Stories über Keith Richards verbreitet wurde (vieles unsinnig manches wahr) und bei allem was das „Altersheim der Rolling Stones“ inzwischen abliefert:

    Keith Richards ist einer der großen Riff-Meister dieser Welt!

    Wer das Revue passieren lassen will der zünde sich eine Pfeife an (kein Pfeifchen) und höre sich, entweder aus eigenem Bestand oder hier, die Doppel-CD „Forty Licks“ an.

    Wer in der staden Zeit, wie man in Bayern wohl sagt, Lust zum Lesen hat der lese seine Autobiografie „Life“. Stoff zum Schmunzeln, Kopfschütteln, Wundern, manches Unnötige, aber auch musikalische Einblicke sind da genügend drin.
    Das braucht dann aber so einige Pfeifenfüllungen bei 734 Seiten.

    Gruß
    W.K.

  8. Winfried KARL sagt:

    Noch kurz in eigener Sache:
    Falls sich jemand wundert dass ich hier öfter schreibe, aber nicht im Pfeifenblog registriert bin…..Registrierung funktioniert aus technischen Gründen bei mir nicht. Keine einzige Bestätigungs-e-Mail kommt bei mir an.
    Nach e-Mail Austausch mit Admin Alexander Broy vor einigen Monaten läge das an „tiefer liegenden Spam-Einstellungen“, was auch immer das ist, davon habe ich keine Ahnung.
    Versuche mit e-Mail-Adressen anderer Anbieter und komplett ausgeschaltetem Spamschutz brachten kein anderes Ergebnis.
    Also bleibt es halt extern.

    Gruß
    W.K.

  9. Winfried KARL sagt:

    Ja, ich weiß, das waren die jeweiligen beschriebenen Versuche. Das Problem ist, da ich jeweils keine Bestätigungs-email bekomme, bekomme ich auch kein Passwort um mich einzuloggen.
    Natürlich bräuchte ich nur 1 User Namen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wenn Sie einen Kommentar hinterlassen, speichert das System automatisch folgende Daten:

1. Ihren Namen oder Ihr Pseudonym (Pflichtangabe / wird veröffentlicht)

2. Ihre E-Mail-Adresse (Pflichtangabe / wird nicht veröffentlicht)

3. Ihre IP (Die IP wird nach 60 Tagen automatisch gelöscht)

4. Datum und Uhrzeit des abgegebenen Kommentars

5. Eine Website (freiwillige Angabe)

6. Ihren Kommentartext und dort enthaltene personenbezogene Daten

7. Ich erkläre mich auch damit einverstanden, dass alle eingegebenen Daten und meine IP-Adresse nur zum Zweck der Spamvermeidung durch das Programm  Akismet in den USA überprüft und gespeichert werden. Weitere Informationen zu Akismet und Widerrufsmöglichkeiten

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.